Neudenauer Spitznamen: Silberne Schnallen und ’ne Ohrfeige vom Teufel

Dank seiner Lage herrschte im Fachwerkstädtchen relativer Wohlstand – Ortsteile hatten mit Armut zu kämpfen

Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Siglingen ganz besonders viele Gänse, die tagtäglich in den Gänsegarten an der Jagst getrieben wurden – und abends unter lautem Geschnatter wieder in den Ort zurückflogen. Foto: privat

Wie fast alle umliegenden Orte hatte auch Neudenau gehörig unter dem Dreißigjährigen Krieg zu leiden: Einquartierungen, Plünderungen und Seuchen suchten die Stadt heim. Doch ihre Lage am alten Fernweg zwischen dem Unterland und Würzburg längs des Jagsttals sorgte nicht nur für die vielen Truppendurchzüge während des Krieges, sondern auch für einen schnellen Wiederaufbau, da Zuchtvieh und Saat gut schnell wieder herangeschafft werden konnten. Dieser exponierten Lage haben die Neudenauer am Ende auch ihren Spitznamen zu verdanken.Neudenauer Halbjöcher Bauern machten zu dieser Zeit einen guten Teil der Bevölkerung aus. Nach dem Krieg waren sie auch durch die Dezimierung ihrer Tiere alles andere als wohlhabend. Das bis dahin landauf, landab gebräuchliche Doppeljoch, mit dem zwei Kühe oder Ochsen eingespannt werden konnten, brauchten sie nicht mehr. Weil die meisten nur noch ein Tier hatten, das sie für die Feldarbeit einspannen konnten, waren sie die ersten, die in der Region das Halbjoch einführten.

Doch „Neidene“ hat von seinen Nachbarn noch einen weiteren – heute fast vergessenen – Spitznamen erhalten: Stadtmauerscheißer wurden die Fächwerkstädter ebenfalls genannt. Ein Begriff, der sich von selbst erklärt – und vielleicht auch ein Hinweis auf den relativen Wohlstand der Neudenauer sein kann. Denn innerhalb der Stadtmauer lebte die Bevölkerung lange Zeit nicht schlecht. Auf diese Zeiten blicken viele mit Wehmut zurück, wie ein Spruch beweist, der noch lange Zeit unter den Älteren kursierte: „Wann Neidene die alte Rechte noch hed, no keende m’r heid noch silverni Schnalle uff de Schuh drache.“

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Herwelzer Gäns
Der Herkunft der „Gäns“ ist Herbolzheims ehemaliger Ortsvorsteher Karl Reinhardt auf den Grund gegangen. Herausgefunden hat er folgendes: Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Hunger besonders groß war, wurden im Ort überdurchschnittlich viele Gänse gehalten. Diese wurden morgens um sechs in den Gänsgarten an der Jagst getrieben. Abends sind sie nach Öffnung fes Gatter mit lautem Geschnatter entlang des Kreßbachs wieder in den Ortskern zurückgeflogen. Das blieb auch den Nachbarn nicht verborgen. Und die Herwelzer hatten ihren Uznamen weg. Zwei ältere Damen, Jahrgang 1931, erinnern sich noch an folgende Begebenheit: Als sie einmal in Herbolzheim aus dem Zug ausgestiegen waren, riefen ihren die jungen Burschen nach: „Was kosten die Herbolzheimer Gäns?“ Ihre Antwort: „So viel wie bei euch die Esel.“

Siglinger Gelbfüßler
Vielleicht war es die frühere Zugehörigkeit der Siglinger zur Kurpfalz, vielleicht auch die Nähe des Dorfes zu Baden, die seinen Bewohnern den Spitznamen Gelbfüßler einbrachte. Dabei war Gelbfüßler lange Zeit ein Uzname für die Schwaben. Erst um 1900 galt es für Badener. Möglicherweise ist der Begriff auf den Greif als Schildhalter im badischen Wappen zurückzuführen, der früher mit gelben Klauen gezeigt worden war. Vielleicht sind die Gelbfüßler aber auch ein Hinweis auf die Mitglieder des badischen Regiments, die im 18. Jahrhundert mit gelben Gamaschen ausgestattet waren. Vielleicht aber hat der Begriff auch einen viel profaneren Ursprung: Weil die Badener früher viel ärmer waren als die Württemberger und sie deshalb oft barfuß laufen mussten, hatten sie oft verschmutzte gelb-braune Füße.

Hexeohne Reue
Um Neudenau herum spielen auch viele Sagen und Legenden, die von Josefine Weihrauch und Heiner Heimberger zusammengetragen und in den „Neudenauer Überlieferungen“ nachzulesen sind. Eine erzählt von einer Hexe, die auf dem Neudenauer Marktplatz verbrannt werden sollte. Als der Scharfrichter sie vor einer großen Zuschauermenge zum Scheiterhaufen führte, machte sich eine junge Frau lautstark bemerkbar. Es war die Tochter der Hexe, die ihrer Mutter in deren letzter Stunde schwerste Vorwürfe machte. Das wollte die Delinquentin so nicht stehen lassen. Sie drehte sich um und rif ihrer Tochter zu: „Sei frou, daß i dir mei Handwerk net g’lernt hab. i hab dafür manchmal a Ohrfeiche vom Deifel kriecht.“

Von unserer Redakteurin
Ulrike Kübelwirth

HNV-Fahrplantipps

In In Neudenau gibt es einen Regionalzughalt mit einer stündlichen Verbindung in Richtung Heilbronn oder Osterburken. In den Hauptverkehrszeiten morgens und nachmittags gibt es zusätzliche Zugverbindungen. Mit dem Regionalzug hat man eine Direktverbindung nach Stuttgart und sogar Tübingen. In Bad Friedrichshall hat man eine Umsteigemöglichkeit zu Regionalzügen und zur Stadtbahn nach Bad Rappenau, Sinsheim, Heidelberg und Mannheim. Außerdem gibt es morgens eine Verbindung nach Würzburg und nach Stuttgart. red