Nickele nack, der Kopf ist ab: Lehrensteinsfelder Geschichte über Ludwig von Schmidberg

Geschichte derer von Schmidberg sorgte jahrhundertelang für Gesprächsstoff in der Gemeinde

Drei Garnerben verkauften 1649 Schloss und Gemeinde Lehrensteinsfeld an Ludwig von Schmidberg. Die neuen Ortsherren sorgten für Gesprächsstoff.Foto: Archiv/Sawatzki

Mit Spitznamen ist’s in Lehrensteinsfeld so eine Sache. Zwar sind seit langer Zeit Toltrampler (die ins Tal trampeln) und Saukübel überliefert. Wie die Bewohner zu diesen Uz-Namen kamen, bleibt aber im Dunkeln. In der jüngsten Geschichte bekam der Ort selbst noch einen Necknamen verpasst: Lehremi – die freie Übersetzung der US-Stadt Laremy.Lehren und Steinsfeld, zwei Dörfer, die schon im 14. Jahrhundert eine Gemeinschaft bildeten, wurden 1649 von den damaligen Ortsbesitzern an den im 30jährigen Krieg vermögend gewordenen französischen Feldmarschall Ludwig von Schmidberg verkauft. Der versuchte, den Ort zu seinem selbstständigen ritterschaftlichen Besitz auszubauen und er siedelte in dem durch Pest und die Kriegswirren stark entvölkerten Dorf auch Neubürger an. Die Lehrensteinsfelder hatten ihm nicht nur eine eigene Gerichtsbarkeit, sondern auch ihr erstes Dorfrecht zu verdanken. Trotzdem blieb der neue Ortsherr den Bürgern suspekt – wie zwei in der Ortschronik festgehaltene Begebenheiten beweisen.  

Meuchelmorde
Schon früh scheinen die Lehrensteinsfelder gespürt zu haben, dass es bei der glorreich aufgestiegenen, mit sieben Söhnen und vier Töchtern gesegneten Familie Schmidberg nicht mit rechten Dingen zugegangen sein muss. Ludwig selbst wurde am 3. Januar 1657 mit 63 Jahren hingerichtet und damit mitten aus dem Leben gerissen, denn alle elf Kinder waren noch minderjährig, und er hatte gerade angefangen, Schloss und Dorf Lehrensteinsfeld nach den Verwüstungen im 30jährigen Krieg wieder aufzubauen.

Sein dritter, 20 Jahre alter Sohn Ludwig Ernst wurde 1665 bei einem Jagdunfall erschossen. Im Dorf munkelte man von einem feindseligen Brudermord. Da die von Schmidbergs auch ihre eigene Gerichtsbarkeit waren, wurde der Fall nie geklärt. Was immer die bei der Jagd eingesetzten Treiber gesehen haben mögen, es blieb bei bloßen Gerüchten.
  

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Dass über der Familie aber kein Glück liegen konnte, das war den Lehrensteinsfeldern spätestens dann klar, als die Schmidbergs nach und nach in kompletter männlicher Linie ausstarben.

Klares Zeugnis
Der letzte von ihnen war Johann Carl Friedrich, der am markgräflichen Hof in Karlsruhe eine standesgemäße Erziehung erhielt. Als der im Alter von 17 Jahren nach nur sechs Tagen an den Pocken starb, war die Bestürzung im Ort so groß, dass die Gemeinde dem Markgrafen von Baden einen Meuchelmord unterstellte. Ein Gerücht, dem der damalige Ortspfarrer Schiller entschieden entgegentrat, in dem er der Gemeinde „das klare Zeugnis der drei Ärzte“ entgegenhielt – sogar in schriftlicher Form. Glasklar hingegen ließ sich der Tod des Patriarchen belegen. Dem im Krieg als Feldmarschall in französischen Diensten reich gewordenen Ludwig wurde unterstellt, die Kriegskasse unterschlagen zu haben. Spätestens, als zwei französische Abgesandte Schmidberg in Lehrensteinsfeld zur Verantwortung ziehen wollten, dieser aber flüchtete, schien die Sache geritzt. Wenig später stellte sich Ludwig dann freiwillig.

Todesurteil
In Frankreich wurde ihm der Prozess gemacht, der mit seinem Todesurteil endete. Schmidberg wurde geköpft. Eine Tatsache, die in Lehrensteinfeld geheim bleiben sollte. Deshalb waren die Bediensteten des Hauses Schmidberg zur Geheimhaltung verpflichtet worden. Sie betteten Ludwigs Kopf im Sarg so geschickt, dass die trauernde Gemeinde von der Schmach nix mitbekam. Doch es hatte niemand mit der Verschlagenheit des Hofnarren gerechnet. Bei der feierlichen Bestattung in der Laurentiuskirche zog dieser einen Wiesenbärenklau aus der Tasche, schnitt ein Stück am Stängel ein, zog das Blütenkraut als Haarbüschel hindurch, bewegte den Kopf dieser Figur auf und ab und flüsterte den Umstehenden zu: „Nickele nack, der Kopf ist ab“.

Geisterreiter Obwohl diese Geschichte historisch nicht zu halten ist (Anfang Januar gibt es in der Natur keine Doldengewächse), trieb sie in der Dorfwelt fleißig Blüten. Und tatsächlich. Als 1830 die Gruft in der Laurentiuskirche geöffnet wurde, bekam die Sage neue Nahrung, denn Ludwigs Kopf hatte laut Schultheiß Kreh eine andere Lage, als die übrigen Gebeine. Woran sich eine andere Schauergeschichte anschloss, die man besonders gerne nächtlichen Herumtreibern erzählte.

Demnach steigt der geköpfte Ludwig um Mitternacht aus seiner Gruft und geistert bevorzugt durch seinen Herrschaftswald in Richtung Heinriet. Dort oben, an der großen Eiche, reitet er dann, den Kopf unterm Arm, als unerlöste Gestalt über diejenigen hinweg, die sich zu nachtschlafender Zeit außerhalb des Dorfes aufhalten.

Die Geschichte ist heute noch im Ort höchst lebendig, und zwar durch die Ballade „Nickele nack, der Kopf ist ab“ von Peter Lucke. Darin heißt’s: „Dort trug er hoch zu Pferde fest unterm Arm sein Haupt, ritt unerlöst – und reitet noch heut, wenn man dran glaubt.“

Von unserer Redakteurin
Ulrike Kübelwirth
   

HNV-Fahrplantipps

In Lehrensteinsfeld gibt es eine Regionalbuslinie, die von Montag bis Freitag fast einen Halbstundentakt mit einzelnen Verstärkerfahrten zu den Hauptverkehrszeiten bietet. So kommt man von Lehrensteinsfeld nach Ellhofen und ins Gewerbegebiet Weinsberg/ Ellhofen. Vereinzelt gibt es auch Verbindungen nach Weinsberg oder Willsbach. Im Gewerbegebiet Weinsberg/Ellhofen besteht Anschluss auf die Stadtbahn nach Öhringen oder Heilbronn und damit Umsteigemöglichkeiten auf die Stadtbahn – auch an den Wochenenden. red