Kirchardter Spitznamen: Achtundneunzig, neunundneunzig, hudladdla

Von Sprachfindungsschwierigkeiten, kulinarischen Vorlieben und Freizeitkapitänen

Nicht mehr alle Latten am Zaun? So kann man das nicht sagen. Aber ein Kirchardter hatte jedenfalls Schwierigkeiten damit, genau diese Latten zu zälen. Foto: dpa

Es gibt Spitznamen, die erklären sich von selbst – und solche, die absolut geläufig sind. Und es gibt Spitznamen, die man erst einmal ungläubig bestaunt. Einen solchen tragen die Kirchardter.Kirchardter Hudladdla Hudladdla? Was um Himmels Willen soll das denn sein? Die Kirchardter wissen es ganz genau. Ihren Spitznamen haben sie einem Einwohner zu verdanken, der entweder viel zu tief ins Glas geblickt oder der nicht mehr alle Latten am Zaun hatte. Im wahrsten Sinn des Wortes. Der Überlieferung zufolge soll jedenfalls ein Kirchardter eines Tages versucht haben, die einzelnen Stäbe an seinem Zaun zu zählen. Laut sagte er die jeweilige Zahl vor sich hin: „siebenundneunzig, achtundneunzig, neunundneunzig – hudladdla...-“ Die Zahl 100 brachte er jedenfalls nicht mehr richtig heraus. Seither heißen die Kirchardter Hudladdla. Und der ist auch Symbolfigur der Carnevalsgesellschaft.

Berwanger Nudelschneider
Rinderbraten mit breiten Nudeln. Das war das Sonntagsgericht der Berwanger. Selbstverständlich wurden die Nudeln für diesen Gaumenschmaus selbst hergestellt. Ausgerollt. Geschnitten. Getrocknet. Gekocht. Das blieb auch den Nachbarn nicht verborgen, welche die Berwanger deshalb mit Nudelschneider titulieren. Zur 1250-Jahrfeier übrigens wurde 1018 die Skulptur des Nudelschneiders in der Berwanger Ortsmitte enthüllt.

Kirchardter Spitznamen: Achtundneunzig, neunundneunzig, hudladdla-2
Noch heute sind die beiden Kuchen der Wasserweiblein an einem Berwanger Fachwerkhaus zu sehen, die sich in Holzscheiben verwandelt haben. Foto: Archiv/Schneider

Bockschafter Entenseematrosen
Früher wurden in Bockschaft vorhandene Quellen zu einem See aufgetaut, der als Brandweiher genutzt wurde. Daran schloss sich der Gänsegarten an, in dem sich auch Enten wohlfühlten. Sowohl das Federvieh als auch die Bockschafter selbst kamen zum Baden an den See – und sie nutzten ihn auch für andere Freizeitaktivitäten. Bootsfahren zum Beispiel. Wobei es nach den Recherchen von Bürgermeister Gerd Kreiter auch einmal eine Badewanne sein konnte, mit welcher der See befahren wurde. Während sich die Bockschafter selbst gern als Freizeitkapitäne sahen, waren sie für ihre Nachbarn doch eher Entenseematrosen.

Berwanger Wasserweiblein
Einst, so heißt es in einer überlieferten Anektdote, lebten in den Quellen des Berwanger Vielebrunnens zwölf Wasserweiblein unter dem strengen Regiment eines Wasserkönigs. Hatten die Weiblein ihre täglichen Aufgaben zu seiner Zufriedenheit erfüllt, so erlaubte er ihnen am Abend ins Dorf zu gehen und sich dort mit der Dorfjugend beim Spinnen zu vergnügen. Allerdings, so die Bedingung des Wassermanns, hatten die Weiblein auf die Stimme des Nachtwächters zu achten und pünktlich zur zwölften Stunde wieder daheim zu sein. Denn sonst, so drohte ihnen der Wassermann, würde etwas Schlimmes geschehen.

Und hatten sie noch so viel Spaß beim Spinnen, der Gesellschaft und der Unterhaltung: Die zwölf Nixen hielten sich an die Anweisung. Bis eines Abends – es war in einer Walpurgisnacht – die Burschen im Dorf sich eine List ausdachten, um die Gesellschaft der Wasserweiblein noch ein Stündchen länger genießen zu können. Sie stellten die große Turmuhr um eine Stunde zurück.

Nachdem der Nachtwächter die elfte Stunde angekündigt hatte, packten die Wasserweiblein ihre Spinnräder zusammen und machten sich auf den Heimweg. Als sie durch das große Steintor gingen und in der Ferne einen verschlafenen Hahn krähen hörten, da wurde ihnen bang ums Herz. Am Vielebrunnen angelangt, kam ihnen der Wasserkönig mit funkelnden Augen im wild schäumenden Wasser entgegen geschwommen. Völlig erbost über den Ungehorsam der Wasserweiblein, brachte er alle zwölf um.

Tagelang, so heißt es, sei das Wasser im Vielebrunnen blutrot gefärbt gewesen. Warum, das wussten die Berwanger nicht. Vergebens warteten sie in der Folgezeit auf den Besuch ihrer zwölf lustigen Spinnerinnen. Doch die kamen nie wieder.

Zwei der von ihnen bei ihrem letzten Besuch mitgebrachten Kuchen haben sich der Sage zufolge in der Todesstunde der Wasserweiblein in runde Holzscheiben verwandelt. Diese Scheiben sind noch heute an der Giebelseite eines Berwanger Fachwerkhauses zu bestaunen.

Von unserer Redakteurin
Ulrike Kübelwirth

HNV-Fahrplantipps

In Kirchardt verkehren zwei Regionalbuslinien. Mit den Buslinien kommt man nach Bad Rappenau, Bad Wimpfen und Gemmingen. Dort gibt es Anschluss auf die Stadtbahnen in Richtung Heilbronn, Sinsheim, Eppingen oder Karlsruhe. Dazu gibt es eine direkte Busverbindung nach Heilbronn. Auch nach Sinsheim gibt es eine direkte Busverbindung. Dort gibt es dann eine Umsteigemöglichkeit zur S-Bahn Rhein-Neckar. red