Ein VfB-Finaleinzug als Stuttgarter Brustringlöser
Der VfB Stuttgart besiegt beim 3:1 gegen Leipzig die Dämonen der vergangenen Wochen. Gibt der Finaleinzug jetzt Schwung fürs Saisonfinale in der Bundesliga?

Sebastian Hoeneß war als Fußballer nicht gerade für seine Sprintfähigkeiten bekannt. Aber Spielübersicht, die hatte er schon immer. Deshalb nahm der Trainer des VfB Stuttgart auch während des TV-Interviews nach dem 3:1 (1:0) gegen RB Leipzig aus den Augenwinkeln auf dem Bildschirm wahr, dass der DFB-Pokalfinalist vor der Fankurve für ein Erinnerungsfoto posierte. Ein Klassenfoto ohne den Fußballlehrer? Geht nicht. Also lief Hoeneß einfach los, „weil ich auch gerne auf dem Foto sein wollte. Für meine Verhältnisse war das ein Sprint, für andere ein Dauerlauf“, sagte er hinterher.
Der Hoeneß-Sprint als Symbolbild der aktuellen VfB-Lage
Der famose Zwischenspurt des Trainers versinnbildlicht die aktuelle Situation des VfB Stuttgart ganz gut. Der erfolgreiche Pokal-Sprint mit dem Einzug ins DFB-Pokalfinale ist umso wichtiger, weil es im Liga-Dauerlauf zuletzt zu viel rückwärts ging, bis auf Rang elf. Somit fiel ganz, ganz viel Druck ab bei den Stuttgarter Protagonisten, paarte sich mit ganz, ganz großer Vorfreude auf den 24. Mai, das DFB-Pokalfinale gegen Arminia Bielefeld. Sebastian Hoeneß kann dann der dritte Hoeneß sein, der sich DFB-Pokalsieger nennen darf. Papa Dieter (der mit dem Turban!) hat die Trophäe 1982, 84 und 86 geholt, Onkel Uli überraschenderweise nur ein Mal (1971).
Maximilian Mittelstädt vergoss sogar Freudentränen. Der Nationalspieler ist Berliner, wechselte vor zwei Jahren von einem Absteiger (Hertha BSC) zum Fast-Absteiger VfB, wurde Bundesliga-Zweiter – und darf nun in seinem ehemaligen Fußball-Wohnzimmer Olympiastadion um einen Titel spielen.
DFB-Pokalsieger war der VfB in diesem Jahrtausend noch nicht, der letzte Titel, die Meisterschaft von 2007, wird in wenigen Jahren quasi volljährig. „Unser klares Ziel ist, das Ding zu gewinnen und darüber in die Europa League einzuziehen“, sprach Fabian Wohlgemuth zu vorgerückter Stunde, als sich mehr Journalisten als sonst um den Sportvorstand scharten. Das Finale als Rettungsring, daran lässt sich festhalten für die nächsten Wochen, um in der Liga noch einige Plätze gutzumachen. Mit einem Pokalsieg wäre es so oder so erneut eine famose Saison.
Der Druck im Finale liegt ganz klar beim VfB Stuttgart
Noch klarer ist aber auch die Favoritenrolle gegen einen Drittligisten. Als der VfB 1997 zuletzt den Pokal holte, kam der Gegner Energie Cottbus auch aus Liga drei. „Wir gehen natürlich mit ein bisschen mehr Druck rein“, weiß Nick Woltemade: „Von außen wird es wahrscheinlich so gemacht, dass wir das Spiel gewinnen müssen.“ Aber mit Druck umgehen, das kennen sie beim VfB Stuttgart. Der war ja zuletzt enorm. „Es hat ein wenig geruckelt“, befand der VfB-Sportvorstand. Es klang nach dem Wort Frustlöser, aber Wohlgemuth meinte Brustlöser, als er über das erste und wichtigste Erfolgserlebnis seit über sieben Wochen sprach. Brustringlöser passt mit Blick auf die vergangenen Wochen, „in denen wir sehr viel einstecken mussten. In den letzten Spielen haben wir oft eine sehr gute Leistung gezeigt und sind trotzdem als Verlierer vom Platz gegangen.“
Endlich reicht eine Führung auch mal für einen Stuttgart-Sieg
Vielleicht musste der VfB Stuttgart am Mittwochabend einfach mal das schlechtere Team sein, um als Sieger vom Feld zu gehen. Als besseres hat das in den vergangenen Wochen ja zu oft einfach nicht geklappt. „Das haben wir mal gebraucht. Gefühlt haben wir zuletzt in jedem Spiel, in dem wir geführt haben, noch einen auf die Schnauze bekommen“, sagte Stuttgarts Nick Woltemade. Das verpassten starke Leipziger, weil der VfB immer zum richtigen Zeitpunkt traf. Erst ganz früh sehenswert per Stiller-Volley (5. Minute). „Manchmal muss es einfach ‚No risk, no fun’ heißen“, sagte Stiller. Torwart Alexander Nübel rettete den Vorsprung mit vielen Glanzparaden. Ermedin Demirovic und DFB-Pokal-Toptorjäger Nick Woltemade kombinierten das 2:0 heraus (57.).
Noch wichtiger aber: Die Dämonen des Leverkusen-3:4, als der VfB ein 2:0 und 3:1 verspielten, sie kamen mit Benjamin Seskos 1:2-Anschlusstreffer (62.) nicht zurück, weil der VfB effizient die wenigen Chancen nutzte, Jamie Leweling zum 3:1 (73.) traf. „Dieses Mal haben wir den Fokus behalten, Zweikämpfe bis zum Schluss geführt“, sagte Fabian Wohlgemuth über „90 Minuten mit durchgängiger Konzentration“. Die braucht es auch am 24. Mai in Berlin, damit es auch ein Stuttgarter Siegerfoto mit DFB-Pokal gibt.