Das sind die kleinen Geschichten zum großartigen 3:2 des VfB gegen Union Berlin
Die ganze Faszination des Fußballs in 45 Minuten: Karazors Premiere, Nübels Patzer und extremer Support beim verrückten Sieg des VfB Stuttgart gegen Union Berlin.

Der VfB Stuttgart geht in die letzte Englische Woche des Jahres. Der spektakuläre 3:2 (0:1)-Sieg am Freitagabend in der Bundesliga gegen den 1. FC Union Berlin soll ein Ruckergebnis und Ruckerlebnis gewesen sein: Er hoffe, dass durch die Art und Weise des Sieges „ein Ruck durch die Mannschaft geht nach all diesen schwierigen Wochen“, sagte VfB-Kapitän Atakan Karazor nach dem großartigen Spiel mit den vielen kleinen Geschichten.
Atakan Karazors Tor-Premiere im 118. Bundesligaspiel
Natürlich ist das in der Kabine ein Thema, wenn ein Mittelfeldspieler nach 117 Bundesligaspielen immer noch kein Tor geschossen hat. Entsprechend erleichtert war Atakan Karazor, dass es im 118. Spiel klappte, „in der Kabine alle für mich applaudiert haben. Das war ein großer Moment für mich.“ Union-Torhüter Frederik Rönnow hatte einen fürchterlichen Fehlpass gespielt. „Zum Glück habe ich die Gabe, dass ich ein paar Dinge antizipieren kann“, sagte Karazor, schob vor den Augen seiner Eltern ein (69. Minute).
„Ich hätte 15 Jubel auf einmal machen können“, erzählte der 28-Jährige nach seiner Tor-Premiere. „Aber ich bin dann einfach zu meinen Jungs gelaufen.“ Der nach wie vor verletzte Deniz Undav war an der Seitenlinie einer der ersten Gratulanten, der ihm später in der Kabine natürlich noch einen Spruch reingedrückt habe, so Atakan Karazor.
Alexander Nübel patzt beim 0:1 und klebt beim 0:2 auf der Linie
„Fehler passieren, überhaupt kein Problem. Dafür gibt es ja die anderen Zehn, die dann vorne die Fehler wieder ausbügeln“, sagte VfB-Sportvorstand Fabian Wohlgemuth nach der flatterhaften Vorstellung von Torhüter Alexander Nübel. Der hatte beim 0:1 (37.) auf der Linie falsch reagiert, nicht gefaustet und war beim 0:2 (48.) auf der Linie kleben geblieben.

Kein Problem – fand auch sein Kapitän, der ihn gleich nach dem 0:1 und später in der Kabine aufmunterte, wie er erzählte: „Weiter geht’s, nichts passiert! Ich habe noch keinen Spieler kennengelernt, der in einem solchen Moment eine kleine Hilfe nicht hätte gebrauchen können.“ Spannend: Der 28-jährige Nübel steht im Fernduell mit Oliver Baumann von der TSG Hoffenheim um die Nummer eins der Nationalmannschaft. Der sechs Jahre ältere Konkurrent hatte sich zuletzt zwei Patzer geleistet.
Überragender Nickolaus Woltemade trifft doppelt
Der Nikolaus-Tag 2024 wird den Fans des VfB Stuttgart als der Tag von Nick(olaus) Woltemade in Erinnerung bleiben: Am Freitagabend war der in der Pause eingewechselte Neuzugang der Mann des Spiels. „Natürlich war Nick der entscheidende Spieler“, sagte VfB-Trainer Sebastian Hoeneß.
„Er hat das Momentum kreiert, was uns in der ersten Hälfte nie gelungen ist.“ Umso ärgerlicher, dass der 1,98-Metermann mit seinen leuchtend roten Nickolaus-Stiefeln am Mittwoch beim so wichtigen Champions-League-Spiel zu Hause gegen Young Boys Bern nur zuschauen kann.
„Nick hat uns brutale Stärke gegeben.“
Atakan Karazor
Keine Frage, der schlaksige Stürmer, der im Sommer ablösefrei von Werder Bremen kam, kann was. Der 22-Jährige ist seit Jahren in den diversen Jugend-Nationalmannschaften erfolgreich, hat für den VfB in allen drei Runden des DFB-Pokals getroffen. Aber in seinem Heimatverein kam Nick Woltemade nicht weiter, brachte es in 41 Bundesligapartien an der Weser auf zwei Törchen.
Beim VfB sind es nun schon drei: Vor einem Monat traf der gebürtige Bremer beim 2:3 zu Hause gegen Eintracht Frankfurt, jetzt glich er den 0:2-Rückstand aus (51. Minute, 59.). „Er hat uns brutale Stärke gegeben“, urteilte Kapitän Atakan Karazor und lobte: „Zwei Meter lang und wahrscheinlich die beste Technik, die jemand mit so einer Größe haben kann.“
Woltemade bleibt verbal am Boden
Der junge Mann selbst hielt sich verbal zurück: „Ich bin sehr happy, dass wir gewonnen haben und ich meinen Teil dazu beitragen konnte.“ Käpt’n Karazor ist Kommunikator, redet mit allen Spielern viel. Vor allem den jüngeren. „Ich sage den Jungs immer wieder: ’Egal, was kommt – das sind alles Erfahrungen, die ihr in eurer Karriere machen könnt.’“ Und Geduld ist der Schlüssel dazu. Von allen Seiten.
„Auch Nick muss selbstverständlich selber geduldig bleiben. Er muss weitermachen.“ Aber frühestens am Sonntag (15.30 Uhr/DAZN) in der Bundesliga gegen den 1. FC Heidenheim – für die Gruppenphase der Champions League wurde Nick Woltemade vom VfB nicht gemeldet. VfB-Sportvorstand Fabian Wohlgemuth beurteilte den Auftritt von Woltemade als „abgeklärt“, „clever“ und in „absoluter Mittelstürmer-Manier“. Ja, Nickolaus Woltemade machte die VfB-Familie glücklich.
Extreme Unterstützung der Fans des VfB Stuttgart
„Das erste Tor des VfB war der Schlüssel, dann war das Stadion da“, sagte Gästetrainer Bo Svensson. Fabian Wohlgemuth („Das Spiel zeigte die ganze Faszination des Fußballs“) ging noch einen Schritt weiter: „Unsere Fans waren entscheidend“, das 2:2 sei offenkundig die Initialzündung gewesen – beide Treffer glückten dem herausragenden Nick Woltemade.

Nach Karazors 3:2 stand das Stadion dann Kopf. Was dabei helfen soll, durch die Woche zu tragen. „Wir haben zuletzt vier Partien in zehn Tagen absolviert und eine enorme Energieleistung gebracht“, lobte Trainer Sebastian Hoeneß. „Dazu möchte ich der Mannschaft ein großes Lob aussprechen.“ Wobei nicht vergessen werden darf: In der ersten Hälfte klappte wenig. „Wir waren mutlos, haben zu viel nach hinten gespielt“, klagte der Cheftrainer.
Medizinischer Notfall sorgt für Stimmungsdämpfer
Medizinischer Notfall: Sebastian Hoeneß und Bo Svensson waren nach dem Spiel nicht in Plauderlaune – ein medizinischer Notfall hatte da wie dort mächtig auf die Stimmung gedrückt; bei den Trainern, bei den Fans. Ein Anhänger der Berliner war zu Beginn der Schlussphase zusammengebrochen, musste reanimiert und ins Krankenhaus gebracht werden. Am Wochenende wurde kein neuer Stand mitgeteilt. Die Spieler hätten sich gewundert, dass es so ruhig geworden war, sagte Atakan Karazor: „Wir haben von dem Vorfall erst nach dem Spiel erfahren.“ Alle schickten beste Genesungswünsche an den Fan.
Drei Spiele: Die drei Tore und die drei Punkte vom Freitagabend bringen den VfB für die drei letzten Spiele des Jahres in eine gute Ausgangsposition: Am Mittwoch geht es in der Champions League zu Hause gegen den Tabellenletzten Young Boys Bern weiter, in der Bundesliga am Sonntag beim Tabellen-16. 1. FC Heidenheim, dann sechs Tage später zu Hause gegen den -17. FC St. Pauli. Es wäre gut, ginge nach dem 3:2 tatsächlich ein Ruck durch die Mannschaft des VfB Stuttgart.