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Lichtblick im Schwarzen Loch

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Bei der Vierschanzentournee präsentieren die TV-Sender den Zuschauern erstmals technische Zusatzinformationen.

Von Lars Müller-Appenzeller
Fis-Renndirektor Walter Hofer entwickelt das Skispringen weiter.
Foto: imago
Fis-Renndirektor Walter Hofer entwickelt das Skispringen weiter. Foto: imago  Foto: EIBNER/EXPA/Juergen_Feichter

Das ist das Faszinierende am Skispringen: Da kommt von heute auf morgen ein junger Hüpfer, springt fünf Meter weiter als alle anderen, und keiner weiß, warum. Nicht einmal die Trainer. So war es bisher. So ist es nicht mehr. Beim Eröffnungsspringen der Vierschanzentournee wurden von den Fernsehsendern erstmals die neuen technischen Möglichkeiten genutzt und dargestellt. Es lohnt sich, mit den womöglich verkaterten Augen beim Neujahrsspringen von Garmisch-Partenkirchen morgen (14 Uhr/ARD und Eurosport) genau hinzuschauen. Alexander Stöckl, der Cheftrainer der norwegischen Skispringer, spricht gar von einer "Revolution".

Athletenleistung ist kein Rätsel mehr

"Was ist der Unterschied zwischen einem Daniel Andre Tande und einem Robert Johansson?", sagt Alexander Stöckl, für den die Leistungen seiner Athleten kein Rätsel sein dürfen, aber bisher schwer zu vergleichen waren. "Der Johansson springt geradeaus nach vorne, der Tande hat eine ganz andere Flugkurve - trotzdem springen beide gleich weit, trotzdem gewinnen beide Wettkämpfe. Warum geht das? Was ist der Unterschied? Was ist gleich?" Bisher hat Skispringen in einer Art luftleerem Raum stattgefunden: Die Athleten springen mit Geschwindigkeit x ab und landen bei der Weite y. Was dazwischen passiert - Interpretationssache. Bis Walter Hofer eine Idee gehabt hat.

Seit zwei Jahren versucht der 63 Jahre alte Österreicher, der beim Ski-Weltverband Fis als Renndirektor angestellt ist, im Skispringen einen Chip einzuführen: Das technische Wunderding, eine Entwicklung der Sparte Ski alpin, begleitet die Springer in einer kleinen roten Dose an der Bindung durch das bisherige Schwarze Loch. "Bis jetzt haben wir immer nur geglaubt, was Sache ist, bislang waren das alles Schätzungen", sagt Alexander Stöckl offen. "Jetzt können wir uns wirklich anschauen, warum wer so weit springt."

Auf der Suche nach Innovationssprüngen

Walter Hofer ist ein Cleverle. Ein Tüftler. Und ein Taktiker. "Ich habe noch nie einen Athleten, Trainer oder Fernsehmenschen gefragt, ob er uns in einer Richtung unterstützt", sagt der Renndirektor vor dem Eröffnungsspringen im Oberstdorf Haus. "Man darf sich Partner und Helfer suchen, aber du darfst nicht versuchen zu steuern." Soll heißen: Die Dose ist nicht Pflicht. Doch in einer Branche, die immer auf der Suche nach Innovationssprüngen ist, künftig Teil der Trainingsmethodik. "Mit den ganzen Daten, die wir jetzt bekommen, werden wir in Zukunft ein klareres Bild bekommen, an was jeder arbeiten muss", sagt Alexander Stöckl.

Dass die Technik erst jetzt, aber ausgerechnet bei der Vierschanzentournee TV-Premiere feiert, hat verschiedene Gründe. Es sei unglaublich schwierig, eine mit 100 Stundenkilometern ausgeführte Bewegung innerhalb von Sekunden auf den Fernsehschirm zu bringen, sagt Walter Hofer. "Wir haben zwei Jahre gebraucht, diese Datenfülle zu ordnen und darstellbar zu machen." Der Fernsehzuschauer sieht von den Chipdaten zunächst nur drei Zahlen: Die Geschwindigkeiten beim Absprung, nach 20 Metern Flug und bei der Landung. Hofer: "Der Geschwindigkeitsverlauf ist ein extremer Leistungsindikator."

Absprung-Kniewinkel wird sichtbar

Die zweite technische Information kommt nicht vom Chip, sondern von einer Superzeitlupenkamera, aus deren Bildern ein Techniker mittels dreier eingesetzter Punkte den Absprungkniewinkel sichtbar macht. Das alles kostet Geld. Geld, das die TV-Anstalten zahlen - bei der Tournee sind sie bereit dafür.

Walter Hofers Idee funktioniert, das Ding mit den Fliegern fliegt. "Wir haben am TV noch viele Möglichkeiten: Paarvergleiche, Flughöhe, der Landedruck", sagt Walter Hofer. Man setze es im Moment sehr moderat ein, weil man den Zuschauer nicht überfrachten dürfe. Was sich Alexander Stöckl wünscht: "Es ist wichtig, dass man wie im Fußball vor oder nach dem Wettkampf eine halbe Stunde eine Analyse macht." Damit alle am Lichtblick im Schwarzen Loch teilhaben können.

 

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