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Corona hat Markus Eisenbichler in die Karten gespielt

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Nach einer durchwachsenen Saison legt Markus Eisenbichler im Weltcup einen Traumstart hin. Er springt allen davon, weil er zur Ruhe gefunden hat. Am Freitag ist die Qualifikation in Nischni Tagil.

Angenehmer Flug: Markus Eisenbichler ist derzeit mit dem Gelben Trikot unterwegs.

Foto: dpa
Angenehmer Flug: Markus Eisenbichler ist derzeit mit dem Gelben Trikot unterwegs. Foto: dpa  Foto: Vesa Moilanen

Ein Blick genügt, um zu sehen: Der Mann ruht in sich selbst. Mehr denn je. Ohne seinen sportlichen Ehrgeiz verloren zu haben. Markus Eisenbichler fliegt im Weltcup der Skispringer voraus, hat zwei des bisherigen drei Springen gewonnen und sagte zuletzt am Sonntag in Ruka den jetzt schon legendären Satz: "Zweiter Platz, auch geil!" Der Bayer ist und bleibt eine Marke. Am Donnerstag strahlt er in Nischni Tagil, wo am Wochenende zwei Weltcup-Springen beziehungsweise am Freitag (15.30 Uhr/Eurosport) die Qualifikation ansteht, bei einem Videogespräch in die Kamera und sagt: "Ich bin extrem dankbar, dass ich in der Form bin zurzeit. Ich weiß, wie dicht die Weltspitze ist. Deshalb freue ich mich auch über einen zweiten Platz." Aber warum ist ihm nach einer sehr durchwachsenen Saison so ein Traumstart gelungen?

Eisenbichler mit der Eisenstange

"Momentan zeichnet ihn seine Ruhe aus, die er vergangenen Winter, speziell am Anfang der Saison, nicht gehabt hat", sagt Stefan Horngacher. Und der Bundestrainer führt einen nicht zu unterschätzenden Faktor an: "Er hat letztes Jahr den Weltmeisterrucksack drauf gehabt." Der Dreifachweltmeister von Seefeld 2019 wollte im Sommer danach "extrem perfektionistisch arbeiten" - so wie immer. Eigentlich. Aber ihm habe damals die gewisse Lockerheit gefehlt; Eisenbichler setzte quasi die Eisenstange an. Jetzt fließt alles, er fliegt wie kein anderer Springer derzeit. "Es war harte, schöne Arbeit", sagt der 29-Jährige, den seine Freunde "Eisei" rufen.

Schon im Sommer war der Mann vom TSV Siegsdorf der Konkurrenz voraus. Horngacher: "Er war immer unser Lehrgangsbester." Der Bundestrainer sieht gute Chancen, dass Eisenbichler den ganzen Winter über in der inneren Balance bleibt. "Er steht mit beiden Füßen am Boden, erarbeitet sich jeden Sprung aufs Neue. Das ist die richtige Methode. Es wird nicht immer gelingen, aber zu 90 Prozent kommt man mit diesem Arbeitsmodus durch die Saison." So wie es Karl Geiger vergangenen Winter vorgemacht hat - Eisenbichlers Zimmerkumpel wurde im Gesamtweltcup Zweiter.

Geiger sieht Vaterfreuden entgegen

Das fliegende Doppelzimmer gibt es in Russland nicht. Das liegt zum einen am Coronavirus - die Adler des Deutschen Skiverbandes haben in diesen Zeiten konsequent Einzelzimmer. Zum anderen ist Karl Geiger in Russland gar nicht dabei, sondern nach Hause geflogen, weil er Vater wird.

Ach ja, die Corona-Pandemie - alle Spitzensportler stoßen einen Seufzer bei der Konfrontation mit dem Wort des Jahres aus. Markus Eisenbichler ist da keine Ausnahme, spricht von einer "Scheißsituation". Wobei er nachschiebt: "Aber mir hat sie ein bisschen in die Karten gespielt." Er habe sich mehr Gedanken über sich selbst machen können, darüber, wo der Weg hinführe. Man müsse sich immer vor Augen halten: "Es ist nicht schlimm, wenn man mal Fünfzehnter wird. Man hupft mit den Weltbesten!" Sagt der derzeit Weltbeste.

Ein Riesenergebnis für Severin Freund

Auch bei seinen Teamkollegen passt viel - Deutschland ist im freilich noch jungen Nationen-Cup klar die Nummer eins. Es sei ein herausragender Auftakt gewesen, urteilt Stefan Horngacher, "speziell vom Markus, aber auch vom Karl und der ganzen Mannschaft im Teamspringen" mit Platz zwei in Wisla. Nicht zu vergessen ein alter Bekannter, Severin Freund: Der 32-Jährige ist am Sonntag Neunter geworden ("Ein Riesenergebnis, der Weg geht in die richtige Richtung") - zuletzt hatte es der Gesamtweltcupsieger von 2014/15 am 18. Dezember 2016 in die Top Zehn geschafft. Dann kamen schwere Verletzungen.

Severin Freund hat viel erlebt, durchlitten, gesehen. Was Markus Eisenbichler über den ganzen Sommer und jetzt zum Auftakt gezeigt habe, "ist ziemlich einzigartig - ich wüsste über meine ganze Zeit in der Nationalmannschaft wenige, die so stabil gesprungen sind". Dass kann passieren als Skispringer - wenn man in sich selber ruht.

Karl Geiger bei der Skiflug-WM wieder dabei

Karl Geiger "sieht Vaterfreuden entgegen", sagte Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher gestern in Nischni Tagil. "Wichtiger ist schon die Familie, wir haben das gemeinsam diskutiert - er war unentschlossen, wäre gerne hier gesprungen. Aber wir haben ihm die Entscheidung abgenommen." Der 27 Jahre alte Geiger lässt den Weltcup in Russland aus, um bei seiner hochschwangeren Frau zu Hause im Allgäu sein zu können. "Wir haben schon gesehen, dass Karl nicht mehr 100-prozentig bei der Sache ist", beschrieb Horngacher. Karl Geiger sei von Ruka, der letzten Weltcup-Station, nach Hause geflogen und soll kommende Woche zu den Skiflug-Weltmeisterschaften im slowenischen Planica wieder die deutsche Mannschaft verstärken.

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