Auftakt des Weltcup-Winters der Skispringer in Wisla
Ein guter Start in den Weltcup-Winter in Polen ist in der Corona-Saison besonders wichtig. Die Vielflieger schielen schon auf die verschobene Skiflug-WM und in doppelter Hinsicht nach Oberstdorf.

Sie fliegen wieder: An diesem Freitag (18 Uhr/Eurosport) beginnt mit der Qualifikation in Wisla der Weltcup-Winter der Skispringer. Trotz vieler Herausforderungen, die natürlich unter der Überschrift "Corona" stehen, hofft der neue Rennleiter Sandro Pertile auf "eine fast normale Saison" - lediglich die Destination Sapporo in Japan wurde vor einigen Tagen aus dem Kalender gestrichen. Das Programm wird in jeglicher Hinsicht sportlich. Ein Überblick.
Corona: Gereist wird in einer Blase
Der Kern sämtlicher Planungen in Pandemie-Zeiten ist eine Blase in Verbindung mit vielen Tests. Gereist wird mehr oder weniger gemeinsam im Charterflugzeug, der Ski-Weltverband Fis bringt die Teams in für die sprunghafte Familie reservierten Hotels unter. "Da ist die Chance sehr, sehr groß, dass das funktioniert", urteilt Bundestrainer Stefan Horngacher.
Sein Kollege Andreas Widhölzl, neuer Cheftrainer bei den Österreichern, sagt: "Aber man muss damit rechnen, dass etwas passieren kann." Die Wettkämpfe finden in der Regel ohne Zuschauer statt (etwa das Neujahrsspringen in Garmisch- Partenkirchen) oder mit reduzierter Zuschauerzahl (Oberstdorf plant für die Vierschanzentournee und die WM mit 2500 statt der sonst 25 000 Zuschauer).
Auftakt: Die Schanze in Wisla ist speziell, Stichwort Crushed Eis
Der Abschied im März beim Abbruch der Weltcup-Tour in Norwegen war hektisch (Karl Geiger: "Jeder ist in den Flieger geflüchtet"). Der Sommer-Grand-Prix fiel mehr oder weniger aus - lediglich in Wisla (Polen) wurde im August im kleinen Kreis zweimal auf Matten gesprungen. Es waren quasi polnische Meisterschaften mit internationaler Beteiligung. Auf derselben Schanze beginnt nun der Weltcup mit einem Mannschafts- (Samstag) und einem Einzelspringen (Sonntag, jeweils 16 Uhr/Eurosport und ARD). Die Schanze ist speziell - auch weil sie mit Crushed Eis präpariert wird.
Titelverteidiger: Kraft bekam die Kristallkugel per Post
Als "Schnee von gestern" bezeichnet Stefan Kraft seine Erfolge der Saison 2019/2020. Der Österreicher holte unter anderem dank fünf Einzelsiegen den Gesamtweltcup - die Kristallkugel wurde übrigens Medienbetreuer Daniel Fettner per Post zugestellt. "Ich habe sie dann in Bischofshofen überreicht bekommen, vor vier Leuten", hat Kraft am Montag in einer Videopresserunde erzählt. Bei der Siegerehrung für seinen Gesamtcoup 2017 hatte er "das erste Mal bei Emotionen Tränen vergossen - das bin ich normalerweise nicht". Der coole 27-Jährige ist jedenfalls der Gejagte. Ein Auge habe Stefan Kraft auf die üblichen Verdächtigen. "Und dass einer, der vergangenen Winter zwischen Platz zehn und 15 gelandet ist, heuer plötzlich Siegspringer wird, ist wie jedes Jahr wieder möglich."
Favoriten: Zu den üblichen Verdächtigen gehört auch Karl Geiger
Der Sommer-Grand-Prix ist sonst der Basar der Neuigkeiten, die internationale Standortbestimmung. Doch die neun geplanten Springen konnten nicht wie geplant stattfinden. Stefan Kraft und Ryoyu Kobayashi (Japan) "habe ich zuletzt im März in Trondheim gesehen", sagt Karl Geiger. Der Oberstdorfer hatte den Abbruch-Winter als Gesamtzweiter beendet und verdeutlicht: "Es ist schwierig abzuschätzen, was es wert ist, was man springt." Zu den üblichen Verdächtigen neben Kraft, Kobayashi und Geiger gehört auf jeden Fall der Pole Dawid Kubacki (der Vierschanzentourneesieger hat die beiden Sommer-Springen in Wisla gewonnen). Ebenso sein Landsmann Kamil Stoch (jeweils Zweiter in Wisla). Nicht zu vergessen den Norweger Marius Lindvik (Tournee-Zweiter).
Schwarz-Rot-Gold: Sieben deutsche Adler sind am Start
Severin Freund hat "richtig Bauchkribbeln" vor dem Weltcup-Auftakt; die Saisonvorbereitung lief bei ihm, als auch bei seinen Teamkollegen ohne größere Reisen, aber auch ohne größere Probleme ab. Der 32-Jährige ist nach Knieoperationen und Rückenproblemen zurück ("Ich konnte diesen Sommer so gut trainieren wie schon lange nicht mehr"). Freund ist ein Trendsetter, gewann 2015 den Gesamtweltcup, war auch 2016 am Saisonende der beste Deutsche. 2017 kam diese Rolle Andreas Wellinger zu, 2018 war es Richard Freitag, 2019 Markus Eisenbichler, 2020 Karl Geiger. Und 2021? "Der Constantin Schmid kann definitiv mal ein Vorflieger werden", sagt Bundestrainer Stefan Horngacher. "Ob schon jetzt, kann ich nicht sagen."
Für die stärkste Nation des vergangenen Winters sind in Wisla nach vier internen Wettkämpfen am Start: Eisenbichler (der vor vier Wochen erstmals deutscher Meister wurde), Freund, Geiger, Schmid, Pius Paschke, Martin Hamann und Andreas Wellinger. Der Olympiasieger ("Mein Ziel ist es, Routine zu sammeln") kommt nach einer schweren Knieverletzung zurück, bestritt zuletzt im März 2019 einen Wettkampf. Stephan Leyhe wird nach seinem Kreuzbandriss diesen Winter "definitiv nicht" (Horngacher) im Weltcup auftauchen.
Höhepunkte: Skiflug-WM, Tournee, WM in Oberstdorf
Na klar schielen alle Athleten schon auf Oberstdorf: Weil dort am 29. Dezember wie üblich die Vierschanzentournee beginnt, aber auch vom 23. Februar bis 7. März die Weltmeisterschaften stattfinden sollen. Ein Corona-Mitbringsel aus der vergangenen Saison ist die Skiflug-WM in Planica, die vom März auf den 11. bis 13. Dezember gelegt wurde. "Ohne Selbstvertrauen funktioniert Skifliegen aber gar nicht", erklärt Stefan Kraft. "Daher ist ein guter Start heuer besonders wichtig." Und ein guter Start an diesem Freitag in der Qualifikation.