Ski-Alpin-Weltcup: Auftakt eines existenziellen Winters
Im Risikogebiet Sölden geht es für die Alpinen um die ersten Weltcuppunkte und um die Funktionsfähigkeit des Vier-Blasen-Modells. Beat Feuz hofft für den Skimarkt auf einen positiven Corona-Effekt, wie ihn der Radmarkt im Sommer erlebt hat.

Die (Après-Ski-)Party in Tirol fällt aus, denn der Auftakt der Alpinen im Weltcup beginnt am Wochenende in Sölden ohne Zuschauer. In den beiden Riesenslaloms auf dem Rettenbachgletscher geht es nicht nur um die ersten Siege und Punkte, sondern vor allem darum, ob es der Skizirkus mit seinem Vier-Blasen-Modell schafft, dem Coronavirus die kalte Schulter zu zeigen.
Risikogebiet Ötztal
Zumindest die Schneelage ist gut. Ein weißes Träumchen erwartet die Skiprofis, die wegen der Pandemie eine Woche früher als sonst loslegen. Es ist ein exklusives Erlebnis, da das Ötztal Risikogebiet ist: Nur vier Personenkreise dürfen auf den Gletscher: Sportler/Betreuer, Organisation/Helfer, Medienvertreter und wenige geladene Gäste. "Das Konzept ist sehr strikt und funktioniert sicher", hat Männer-Renndirektor Markus Waldner kürzlich bei Servus TV gesagt.
Ins Tal durfte nur reisen, wer einen negativen Corona-Test vorweisen konnte; vor Sölden wurde ein mobiles Labor aufgebaut. Die Skistars werden nicht nur in Sölden ohne Zuschauer auskommen müssen: Am Freitag hat der Schweizer Skiverband Swiss-Ski mitgeteilt, dass die eidgenössischen Alpin-Weltcups grundsätzlich ohne Zuschauer stattfinden werden. "In der aktuellen Situation ist es für alle Beteiligten besser, wenn keine Zuschauer vor Ort sind", sagt Stefan Luitz, Hoffnungsträger des Deutschen Skiverbandes (DSV).
Das Kalender-Puzzle und die vier Blasen
Der Ski-Weltverband Fis hat lange am Weltcup-Kalender gefeilt. Alle Rennen finden in Europa statt - einzige Ausnahme ist der Test für Olympia 2022 in Peking; lediglich die Frauen sind im chinesischen Yanqing am Start. Die vier sogenannten Blasen sollen möglichst wenig Kontaktflächen haben, wobei es Blasen in der Blase gibt: Nur Sölden, das Parallelrennen in Lech/Zürs, die WM in Cortina d"Ampezzo und das Weltcupfinale in Lenzerheide sind gemeinsame Stationen für Frauen und Männer.
Zudem wird strikt getrennt zwischen den beiden schnellen und den technischen Disziplinen: In Val d"Isère werden erst zwei Riesenslaloms gefahren, eine Woche später Abfahrt und Super-G. Die Ausnahmen: die Männer-Klassiker Wengen und Kitzbühel sowie das Finale. Einziger deutscher Weltcup-Standort wird Garmisch-Partenkirchen sein.
Standortnachteil Deutschland
Die Grundphilosophie hieß zwangsweise "Flexibilität und Anpassungsfähigkeit", hat DSV-Sportvorstand Wolfgang Maier im Sommer gesagt. Während Österreicher und Italiener im Frühjahr auf ihren Gletschern das Training aufnahmen, mussten die deutschen Asse warten bis die Grenzen wieder aufgingen. Die geplanten Trainingseinheiten in Südamerika waren nicht möglich. Maier: "Durch die ganzen Corona-Beschränkungen hat man nochmal deutlich gesehen, welchen Standortnachteil wir haben."
Doch nach Trainings in Italien, der Schweiz und in Norwegen spricht Männer-Bundestrainer Christian Schwaiger von einer "Topvorbereitung". Auch die Fis hat sich vorbereitet und Regelungen getroffen: Wenn fünf Wochen vor dem Rennen zumindest sieben der besten zehn Nationen in das jeweilige Veranstalterland reisen dürfen, wird das Rennen für den Weltcup gewertet - dies gilt auch für Skispringen, Langlauf und Co.
Eine Frage der Existenz
Keiner kann sagen, wie der Winter wird. Klar ist nur: "Wir müssen Rennen fahren. Heuer geht es ums Überleben", sagt Markus Waldner. Auch für Christian Schwaiger ist klar: "Natürlich ist es eine Existenzfrage, was heuer im Winter passiert." Das sei für den DSV, die gesamte Skifamilie wichtig. Und die Skiindustrie sowie den Skitourismus.
Das Einhalten der diversen Vorschriften sei im Training kein Problem gewesen, berichtet Schwaiger: In den Wartebereichen und Gondeln bestehe da wie dort Maskenpflicht, die Abstandsregeln seien in Schlepp- und Sesselliften ohne Probleme einzuhalten. Der Schweizer Beat Feuz hofft auf einen anderen Effekt: "Es könnte im Winter das Gleiche passieren wie im Sommer, als alle Leute raus wollten", das Fahrrad neu entdeckten oder sich ein neues Rad kauften, sagt der beste Abfahrer der vergangenen Saison.
Schutzschild für Frauen-Team fällt weg
Beim DSV beendeten sieben Alpine ihre Karriere, darunter Fritz Dopfer und Viktoria Rebensburg, die mit ihren Erfolgen ein "Schutzschild" (Maier) für das Frauen-Team war. Jetzt heißt es Bühne frei, vier Frauen (Samstag) und drei Männer (Sonntag) vertreten den DSV in Sölden. Jessica Hilzinger sagt im Party-freien Krisengebiet: "Hauptsache wir starten!"