Marte Olsbu Røiseland ist gereift und gestärkt
Die Norwegerin präsentiert sich auch beim Biathlon-Weltcup in Ruhpolding fehlerfrei und führt souverän den Gesamtweltcup an.

Die von der Anstrengung feuchte Haut ist einige Augenblicke ungeschützt der kalten Januar-Luft ausgesetzt. Selbst das durchgeschwitzte schwarze Bustier wechselt Marte Olsbu Røiseland. Schnell in trockene Kleidung zu schlüpfen, gehört zum Pflichtrepertoire einer Biathletin. Dazwischen blickt sie mehrfach auf die Anzeigetafel von Ruhpolding, wo die Sprint-Ergebnisse in der Endlosschleife erscheinen. Einzig die Schwedin Elvira Öberg liegt gestern vor der wieder einmal fehlerfrei schießenden 31-Jährigen. Das gelingt Franziska Hildebrand in ihrem Wohnort Ruhpolding nicht. Die mit 34 Jahren älteste und gestern beste im deutschen Team fährt als 17. ein, Denise Herrmann (zwei Fehler) landet auf Rang 24.
Marte Olsbu Røiseland hat sich nichts vorzuwerfen, strahlt hinter der schützenden Maske und dem hoch gezogenen Halstuch in die TV-Kameras des schwedischen, französischen und norwegischen Fernsehens. Allen gibt sie nach dem achten Podestplatz in dieser Saison Auskunft, warum sie weiter souverän den Gesamtweltcup anführt. "Das Schießen klappt besser als die vergangenen zwei Winter", sagt die Norwegerin. Darauf hat sie im Sommertraining mit Patrick Oberegger, dem Südtiroler Trainer der Norwegerinnen, verstärkt geachtet.
Steigerung um satte sieben Prozent
Konzentriert zielen, zügig treffen - ihre Erfolgsformel. Dass sie die perfekte Mischung aus Feingefühl am Abzug und Selbstvertrauen gefunden hat, belegen ihre Statistik-Werte. Die 92 Prozent Trefferquote sind ein Topwert, eine Steigerung um satte sieben Prozent und zugleich Ausdruck ihres Reifeprozesses. "Hier ist das Schießen einfacher als in Oberhof, weil weniger Wind ist. Der Stand gilt als leicht, genau darin liegt aber die Gefahr. Wer ihn unterschätzt und zu viel riskiert, wird bestraft", sagt Marte Olsbu Røiseland. Sie findet derzeit unter allen Bedingungen das ideale Maß.
Auch läuferisch hat sich die Olympia-Zweite des Sprints von Pyeongchang nochmals verbessert, wenngleich ihr auf die Allerschnellsten wie die Schwedin Elvira Öberg oder die Belarussin Hanna Sola etwa zwei Prozent fehlen. Mit ihren fünf Saisonsiegen ist Marte Olsbu Røiseland dennoch in ihrer eigenen Liga unterwegs. Während einige ihrer Trainingskollegen die Station in den Chiemgauer Alpen mit Blick auf Olympia in China auslassen, nimmt sie jedes Rennen mit, um das Gelbe Trikot - das Lieblingstextil aller Biathleten - zu behalten.
Norwegens goldene Hoffnung für Peking
Sie ist die große Favoritin auf den Gesamtweltcup, jenen hoch angesehenen Titel, weil er für extreme Beständigkeit und höchste sportliche Güteklasse in einer Saison steht. "Es ist beeindruckend, was sie abliefert. Sie ist zugleich unsere goldene Hoffnung bei den Olympischen Spielen in Peking", sagt Ola Lunde, langjähriger Experte im norwegischen Fernsehen NRK.
Auch Patrick Oberegger lobt Marte Olsbu Røiseland. "Sie hat einen echten Rennkopf", sagt er über seine Frontfrau, die als äußerst diszipliniert gilt. Egal wie schwierig die Bedingungen sind, sie macht das Beste draus. Nach ihrem Triumph im Sprint von Oberhof vor einer Woche bei widrigen Bedingungen hat die Norwegerin mit einem Schmunzeln gesagt: "Vielleicht bekommen wir genau diese Verhältnisse in Peking, dann ist das ein guter Test für China." In allem etwas Positives sehen, das ist eine Stärke jener Frau, die bei der Weltmeisterschaft 2020 in Antholz in allen Disziplinen eine Medaille gewonnen hat. Sieben in der Summe - sechs sind Laura Dahlmeier 2017 bei der WM in Hochfilzen geglückt. Damals hat jedoch die Single-Mixed-Staffel noch nicht zum WM-Programm gezählt.
Die fröhliche Sympathieträgerin taugt nicht als Covergirl
Als glamouröses Covergirl im Stile der extrovertierten Italienerin Dorothea Wierer, die gestern Dritte wird und erstmals auf dem Podest steht, taugt Marte Olsbu Røiseland nicht. Gleichwohl aber als fröhliche Sympathieträgerin, die sich ihren Fans auf Instagram mal im Norweger-Style als Naturkind auf einer Blumenwiese, mal im Bikini im Urlaub auf Mauritius präsentiert. Die freundlich-positive Art der Frau aus Lillehammer kommt an. Privat genießt sie die Zeit mit Ehemann Sverre Olsbu Røiseland, einem Trainer im norwegischen B-Team. Im August 2018 heiratet er seine Jugendliebe, die er am Skigymnasium in Sirdal kennengelernt hat.