Kreditkarten-Affäre im Team der französischen Biathletinnen
Ein Streit zwischen Julia Simon und Justine Braisaz-Bouchet belastet Frankreichs Frauen. Ein Vorfall, der sich bereits im August 2022 ereignet haben soll. Aussage steht gegen Aussage.

In der hektischen Betriebsamkeit eines Weltcups gehen viele kleine Gesten unter. Berührungen, Blicke werden geschluckt vom Trubel im Zielbereich oder dem Gewusel am Schießstand. Nicht so bei ihnen. Wenn Justine Braisaz-Bouchet in Frankreichs Staffel - wie zum Saisonauftakt in Östersund oder etwas mehr als eine Woche später in Hochfilzen - ihrer Teamkollegin Julia Simon einen Klaps auf die Schulter gibt, schauen Millionen ganz genau hin. Auch am Mittwoch (14.30 Uhr/ ZDF) bei der Weltcup-Staffel in Ruhpolding wird dies so sein. Und das nicht nur, weil das Reglement den Körperkontakt vorschreibt.
Keine Stellungnahme auf Anfrage der Heilbronner Stimme
Vielmehr, weil zwei der weltbesten Biathletinnen Figuren einer Kriminalgeschichte sind. Justine Braisaz-Bouchet, Führende im Gesamtweltcup, hat Julia Simon, Verfolgungs-Weltmeisterin, des Diebstahls und Kreditkarten-Betrugs angezeigt. Die strafrechtlichen Ermittlungen laufen. Das schwebende Verfahren der Grund, warum sich die Athletinnen auf Anfrage der Heilbronner Stimme nicht äußern.
Überhaupt: Sie sprechen nicht miteinander. Jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Mehr als ein kurzes Berühren, das einen Handschlag andeuten soll, gibt es selbst im Falle eines französischen Doppelsieges wie in der Verfolgung von Lenzerheide oder am vergangenen Samstag in der Verfolgung von Oberhof nicht. Bei Pressekonferenzen ist stets ein Teambetreuer in der Nähe, scheinbar unbeteiligt und doch wirkt er wie ein Aufpasser. Dabei ignorieren sich die Olympiasiegerin (Braisaz-Bouchet) und die Weltmeisterin (Simon) bestmöglich, obwohl sie nicht nur während der Weltcup-Tage die gleichen Abläufe haben. Bizarrer geht es kaum.
Julia Simon soll Kreditkarte gestohlen und damit für 1620 Euro im Internet eingekauft haben
Der Fall beschäftigt die Szene, der tiefe Riss in Frankreiches Frauenteam ist auch eine Herausforderung für Cheftrainer Cyril Burdet. In der ARD hat er über die belastende Situation gesagt: "Ich will nicht über diesen Fall sprechen, das Team und ich konzentrieren uns auf die Leistung und die Resultate, die wir bringen müssen." Der 45-Jährige ist bemüht, eine neutrale Situation einzunehmen. So lange, bis die knifflige Thematik aufgelöst ist. Professionalität als Versuch, mit einer unglaublichen Geschichte zu leben.
August 2022. Den Vorwürfen nach soll Julia Simon in Norwegen am Rande einer Rollerski-Veranstaltung Justine Braisaz-Bouchet die Kreditkarte gestohlen und für 1620 Euro im Internet eingekauft haben. Die Ware soll an Simons Privatadresse geliefert worden sein. Doch erst in diesem Sommer ist in Frankreichs Presse davon zu lesen. Die von der Grande Nation gefeierte Gesamtweltcupgewinnerin eine Betrügerin? "Es hat mich gewundert, dass es öffentlich wurde", sagt David Zobel, der mit der französischen Biathletin Sophie Chauveau befreundet ist und weit früher von dem Vorfall erfahren hat. "Das tut mir leid für sie - ob das nun bewiesen ist oder nicht. Ich glaube, dass es wahr ist, und dann tut sie mir nur leid, weil es eine Krankheit ist. Sie hat es sicher finanziell nicht nötig als Weltcupgesamtsiegerin."
Ist Simon Opfer eines Identitätsdiebstahls?
Die Beweislage scheint eindeutig, die Einkäufe stammen von Simons Computer. Die 27-Jährige trainiert fast den gesamten Sommer isoliert von der Mannschaft allein - in Absprache mit Cyril Burdet und Schießtrainer Jean-Paul Jacquinot. Julia Simon streitet die Vorwürfe ab. Vehement. Das Angebot der Teammitglieder, im Falle einer Entschuldigung sei die Sache vergessen, soll Simon abgelehnt haben. Im Herbst sagt sie der Polizei, sie sei Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden.
Ein gemeinsames Gespräch brachte keine Lösung
"Es ist erschütternd so etwas zu hören, man fühlt mit den Athletinnen mit und fragt sich, wer hat jetzt Recht. Beide sind sehr sympathisch. Aber man steckt nicht drin. Daher ist es auch schwierig darüber zu urteilen", sagt Sophia Schneider.Weil die Angelegenheit auch für den französischen Verband heikel ist, hat er alle Parteien samt ihrer Juristen zu einem Gespräch gebeten - ohne Lösung. Es steht weiter Aussage gegen Aussage. So lange bis geklärt ist, ob die Vorwürfe wirklich belegt sind.
Dem französischen Sender TV2 hat Justine Braisaz-Bouchet im August gesagt: "Wenn ich keine Beweise gehabt hätte, hätte ich nichts unternommen." Der Weltcup-Winter läuft weiter - wie das Verfahren. Das Kuriose: Sportlich liefern die beiden Französinnen Siege in Serie. Braisaz-Bouchet hat bereits vier, Simon einen - ohne die Staffel. In der ARD hat Julia Simon gesagt: "Für mich ist es am schwersten, mit diesem Druck umzugehen. Diese Stimme im Kopf, die schwer unter Kontrolle zu bringen ist."