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Warum Skispringer ab sofort die Rote Karte bekommen können

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Als Folge aus dem Anzugskandal der norwegischen Skispringer hat der Weltverband Fis einen neuen Kontrolleur und schärfere Sanktionen. Für Andreas Goldberger ist trotzdem nicht alles gut.

Zwei, die seit der WM in Trondheim in der Kritik stehen: Norwegens Ex-Trainer Magnus Brevig (rechts) und Weltmeister Marius Lindvik. Sein Titel von der Normalschanze ist ihm trotz eines manipulierten Anzuges nicht aberkannt worden.
Zwei, die seit der WM in Trondheim in der Kritik stehen: Norwegens Ex-Trainer Magnus Brevig (rechts) und Weltmeister Marius Lindvik. Sein Titel von der Normalschanze ist ihm trotz eines manipulierten Anzuges nicht aberkannt worden.  Foto: IMAGO/Terje Pedersen

Sechs Tage frei. Ende September ist Sandro Pertile mit seiner Frau endlich mal weggefahren. Zwar wohnt der Skisprung-Renndirektor des Weltverbandes Fis unweit der olympischen Schanzen in Predazzo – also dort, wo andere Urlaub machen. Doch der 54-Jährige hat Abstand gebraucht. Und Ruhe. „Der Druck war extrem, auch der Stress“, sagt der Italiener im Gespräch mit der Heilbronner Stimme.

„Der Druck war extrem, auch der Stress.“

Sandro Pertile

Die manipulierten Anzüge der norwegischen Skispringer bei der Heim-WM im März in Trondheim haben die Glaubwürdigkeit der beliebten Wintersportart massiv ramponiert. Sandro Pertile gibt zu, dass der Skandal „extrem gefährlich“ gewesen ist. Er hat Krisensitzungen mit Fernsehsendern abgehalten, nachdem diese drohten, Skispringen nicht mehr zu übertragen.

Weltverband Fis will sauberen Skisprung-Sport und zeigt Härte

„Alle erwarten mehr Klarheit von unserer Seite, und wir haben hart in diese Richtung gearbeitet“, meint Pertile. „Wir wollen einen sauberen Sport.“ Ob es diesen geben wird, zeigt sich im Weltcup, der am Samstag (16 Uhr) mit dem ersten Einzelspringen in Lillehammer startet. Ausgerechnet an jener Stätte, die zur Keimzelle eines Eklats geworden ist. Hier erinnern nun alle TV-Stationen wieder an die dreisten Betrügereien und die zu milden Strafen für Weiterhin-Weltmeister Marius Lindvik und Johann André Forfang.

„Ein guter Skispringer weiß genau, ob er einen konformen Anzug trägt oder nicht. Nur zwei angeblich nicht. Schade.“

Andreas Goldberger

Andreas Goldberger, zweimaliger Tournee-Sieger und Co-Kommentator bei Eurosport, hat mit vielen Athleten gesprochen – „und jeder sagt, er weiß sogar, von welcher Firma ein Anzugstoff ist. Das ist wie eine Blindverkostung. Ein guter Sommelier weiß, was er trinkt – und ein guter Skispringer weiß genau, ob er einen konformen Anzug trägt oder nicht. Nur zwei angeblich nicht. Schade.“ Weil sie aber nichts zugegeben haben, ist juristisch nichts zu machen gewesen. Was bleibt, sind Unbehagen und Zweifel.

Ein Skandal als Hypothek, eine Disziplin unter Beobachtung

Goldberger spürt, wie schwierig es für die Konkurrenz ist, damit umzugehen. Schließlich sind die beiden Norweger in diesem Winter dabei, als ob nie etwas gewesen wäre. „Ich habe sie zum Glück wenig gesehen. Aber ich will sie auch gar nicht sehen“, hat Andreas Wellinger noch vor drei Wochen gesagt.

Ein Video zeigt Norwegens Ex-Trainer Magnus Brevig beim Nähen von Skisprunganzügen.
Ein Video zeigt Norwegens Ex-Trainer Magnus Brevig beim Nähen von Skisprunganzügen.  Foto: IMAGO/Skjermdump @jakubBalcerski / X

„Man weiß genau, sie haben etwas Verbotenes gemacht, aber man kann ihnen nichts anhaben. Fairplay ist es nicht, aber sie sind durchgekommen“, meint der Österreicher Goldberger. Ein Skandal als Hypothek. Eine Disziplin unter Beobachtung. Daher hat der für seine zu laschen Kontrollen und sein zaghaftes Vorgehen heftig kritisierte Weltverband Fis in den Sommermonaten die Regeln verschärft,

Der ehemalige Skispringer Mathias Hafele ist neuer Materialkontrolleur

Die Fis setzt nun auf strengere Prüfungen und arbeitet mit Ex-Springer Mathias Hafele statt Christian Kathol als Materialkontrolleur. Andreas Goldberger sagt über seinen Landsmann: „Der ist engagiert und mit allen Wassern gewaschen. Den zu hintergehen – da musst du echt was draufhaben.“ Was passiert also, wenn mögliche Trickser entlarvt werden? Die heftigsten Strafen gibt es künftig bei Manipulationen. 

„Es gab tatsächlich Athleten, die bei Körpermessungen mit Prothesen im Schritt gearbeitet haben. Das ist absolut inakzeptabel.“

Sandro Pertile 

„Es gab tatsächlich Athleten, die bei Körpermessungen mit Prothesen im Schritt gearbeitet haben“, sagt Sandro Pertile, „das ist absolut inakzeptabel.“ Wer Material manipuliert oder bei den Messungen schummelt, muss mit einem Ausschluss für die komplette Saison rechnen. Wessen Ausrüstung im Wettkampf nicht regelkonform ist, der oder die erhält künftig eine Gelbe Karte. Eine zweite bedeutet – analog zum Fußball – Rot.

Eine Rote Karte bedeutet eine Sperre für bis zu zwei Wochen

Heißt: sofortiger Ausschluss für ein oder zwei Wochenenden. „In dieser Zeit verdient ein Topathlet viel Geld, wir reden da von mehr als 50 000 Euro“, sagt Sandro Pertile. Daher gilt die Konzentration bei den Kontrollen primär den Assen. Denn: Glauben sie, beim Equipment einen Vorteil zu haben, wollen es alle nachmachen. „Es wird eine Null-Toleranz-Politik geben“, warnt Pertile.

Hat eine Null-Toleranz-Politik angekündigt: Sandro Pertile, Renndirektor bei der Fis.
Hat eine Null-Toleranz-Politik angekündigt: Sandro Pertile, Renndirektor bei der Fis.  Foto: Daniel Karmann

„Ich habe den Trainern immer gesagt: Trondheim darf nie wieder passieren“, sagt Sandro Pertile. „Unser aller Ziel ist es, die ehrlichen Athleten zu schützen.“ Scharfe Kontrollen, alles gut? Nicht für Andreas Goldberger. Sein Wunsch: Ein Scanner, den jeder Athlet vor dem Start passiert. Bei Grün passt alles, bei Rot gibt‘s ein Problem. „Eine Maschine entscheidet immer gleich“, sagt Goldberger. „Beim Menschen gibt es stets Spielraum für Spekulationen.“

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