Rudi Völler will nicht als Bundestrainer weitermachen
Als Teamchef in der Not untermauert Rudi Völler gegen Frankreich seinen Volksheld-Status. Aber weitermachen? Nein, das will er nicht.

Menschen brauchen Gewissheiten. Als Stütze. Zur Orientierung. Es kann helfen, wenn man weiß, was kommt. Aber Fußball-Deutschland muss weiter rätseln: Wer wird neuer Bundestrainer? Und macht der Neue den Job dann gut?
Fußball ist ein Spiel, das ganz große Emotionen weckt. Sieg oder Niederlage? Triumph oder Trauer? Freude oder Frust? Fans lassen sich gerne mitreißen von den Empfindungen des Moments. "Es gibt nur ein" Rudi Völler!" Hach. Der deutsche 2:1-Befreiungssieg gegen Frankreich hat Sehnsüchte geweckt. Das passende Liedgut gibt es seit Langem. Könnte der frühere Weltklassestürmer und DFB-Teamchef Völler nicht womöglich über sein Ein-Spiel-Comeback als Aushilfe an der Seitenlinie hinaus für weitere schöne Abende sorgen?
Will er nicht.
Und wenn man ihn ansah, wie er da am ganz späten Dienstagabend im Pressekonferenzraum des Dortmunder Stadions saß, verschwitzt, ausgelaugt von der extrem schwierigen Blitzmission nach der DFB-Trennung von Hansi Flick, hatte man großes Verständnis für Völlers Wunsch, sich wieder zu beschränken aufs auch schon sehr fordernde Amt des DFB-Sportdirektors.
Unter Hansi Flick verschärfte sich der Leistungseinbruch immer mehr
Völler soll dafür sorgen, dass Deutschland im Sommer 2024 eine famose Heim-Europameisterschaft erlebt. Angetreten war der langjährige Volksheld nach der verpatzten WM 2022 als vermeintlicher Gute-Laune-Onkel, der zur Aufbruchsstimmung in Richtung EM ein paar gute Sprüche beitragen könnte. Aber dann gab es den vom Führungspersonal des Deutschen Fußball-Bunds vorausgesetzten Aufbruch aus der Katar-Tristesse gar nicht. Im Gegenteil, unter Hansi Flick verschärfte sich der Leistungseinbruch immer mehr.
Rudi Völler war plötzlich als Manager einer unerwartet großen Krise gefordert. Und dann auch noch als Teamchef nach Flicks Entlassung. "Es war sehr anstrengend. Ich bin ehrlich, es war stressig die Tage", gab der 63-Jährige zu, als er kurz vor Mitternacht in Dortmund auf dem Pressekonferenzpodium saß. Glücklich, weil es den ersehnten Sieg gegeben hatte. Aber auch sehr erschöpft.
Die Arbeit als treibende Kraft bei der Trainerfindung geht weiter. Der Druck ist groß, schnell den Richtigen zu finden. "Mein Wunsch wäre es, wenn wir bis zur nächsten Länderspiel-Periode den neuen Bundestrainer vorstellen könnten. Das wäre natürlich der Idealfall", sagte Völler.
Völler will zurück auf seinen Funktionärsplatz
Mitte Oktober wird die Nationalmannschaft über den Atlantik fliegen, um Spiele gegen die USA und Mexiko zu bestreiten.
Nach fünf sieglosen Partien und zuletzt drei Niederlagen am Stück sorgten Völler und seine auf die Schnelle installierten Trainer-Helfer Hannes Wolf sowie Sandro Wagner für den erst zweiten deutschen Sieg im siebten Länderspiel des Jahres. Für Völler, der nach 19 Jahren auf die Bank zurückkehrte, war es in der insgesamt 54. Partie als DFB-Teamchef der 30. Sieg. So einer muss doch weitermachen!
Bloß nicht, signalisierte der 63-Jährige. Er will zurück auf seinen Funktionärsplatz oben auf der Haupttribüne. "Ja! Ja! Es ändert ja auch nichts, das Ergebnis", sagte er nach dem erlösenden 2:1. "Für mich ist das ganz klar." Rudi Völler will am Plan festhalten, gemeinsam mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf und DFL-Aufsichtsratschef Joachim Watzke schon bald einen Flick-Nachfolger zu finden.
Sicher ist, dass es kein Ausländer sein wird, der einen Dolmetscher bräuchte. "Wichtig ist, dass es ein deutsch sprechender Nationaltrainer ist", verkündete Völler.
Als Favorit gilt weiterhin Julian Nagelsmann
Immer in der Geschichte des DFB waren die Trainer bislang Deutsche. Das dürfte so bleiben, auch wenn die einstigen FC-Bayern-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm den auch mal in München tätigen Niederländer Louis van Gaal ins Gespräch gebracht haben. Der kann deutsch. Und er steht "für Disziplin, Ordnung und Struktur in der Spielweise seiner Mannschaften", wie Lahm sagte. Das könnte dem DFB-Team tatsächlich gut tun. Doch als Favorit bei der Bundestrainersuche gilt weiterhin ein anderer Ex-Bayern-Coach, Julian Nagelsmann.
Das Interims-Trio Völler, Wolf und Wagner hatte gegen Frankreich mit System-Klarheit Erfolg. Torwart Marc-André ter Stegen verriet: "Wir wollen vor allen Dingen eine Struktur haben, die relativ einfach ist." Es sei nunmal leichter "die Einfachheit in Perfektion zu bekommen". Nun ja, perfekt war das nicht. Aber eine enorme Verbesserung im Vergleich zur dauerexperimentellen Variationsfreude von Hansi Flick.
Menschen brauchen Gewissheiten - auch als Handlungsrahmen auf dem Fußballfeld.