Warum die deutschen Tennis-Männer im Davis-Cup nun gegen den Abstieg spielen
Deutschland verliert ein packendes Davis-Cup-Duell gegen die Schweiz mit 2:3. Neckar-Cup-Sieger Daniel Altmaier als tragischer Verlier in Trier.

Das Publikum sprang auf, Frauen schrien, Kinder klatschten, Männer hielten die Momente nach acht Stunden in der Arena Trier mit ihrem Handy fest - was alles nicht so recht zu den Tränen von Daniel Altmaier passen wollte. Denn der Sieger des Neckar-Cups 2022 hatte das alles entscheidende Einzel in der Qualifikationsrunde des Davis-Cups gegen sein großes Vorbild Stan Wawrinka verloren. Die Schweizer tanzten auf dem Platz vor Glück, die Deutschen trösteten nach dem dramatischen 2:3 den völlig aufgelösten 24 Jahre alten Davis-Cup-Debütanten. Der auch am späten Samstagabend in der Pressekonferenz noch einmal emotional völlig zusammenbrach und schluchzend um Entschuldigung bat: "Ich weiß nicht, wann ich zuletzt so emotional war." Das dürften sich viele der 4200 Zuschauer nach dem aufwühlenden Wochenende auch gefragt haben. Und der eine oder andere Journalist aus der Schweiz.
Es war ein Krimi. Ein Drama. Eine Achterbahnfahrt. Alles zusammen. So viele Aufs, Abs, Ahs und Oh-neins, so viele Wendungen und Emotionen, von denen sich offensichtlich auch die Linienrichter beeindruckend ließen, dauernd deckte das Hawk-Eye Fehlentscheidungen auf. Die Zuschauer riefen vor Aufregung in die Ballwechsel hinein, so dass die Stuhlschiedsrichterin mit Punktabzug für das deutsche Team drohen musste. Kurzum: Die Halle kochte. Und dankte am Ende für großes Tennis. Für maximalen Einsatz auf dem Platz. Trotz des größtmöglichen Unfalls: Nach der ersten Niederlage gegen die Schweiz spielt die Mannschaft um Olympiasieger Alexander Zverev im September um den Klassenerhalt.
Kohlmann und Co. träumen weiter vom Titel
"Unsere Träume werden wir trotzdem nicht fallen lassen", sagte Teamchef Michael Kohlmann trotzig. 30 Jahre nach dem dritten Davis-Cup-Coup sollte die hässlichste Salatschüssel der Welt wieder nach Deutschland geholt werden. Doch die Schweiz war besser. Beziehungsweise Alexander Zverev nach seiner Knöchelverletzung noch nicht konstant genug.
Sein Zwei-Satz-Sieg am Freitag gegen Stan Wawrinka war stark, "meine beste Leistung seit meiner Rückkehr". Der 25-Jährige hatte aus dem 0:1 nach Oscar Ottes Drei-Satz-Niederlage gegen Marc-Andrea Hüsler ausgeglichen. Am Samstag sorgten Andreas Mies und Tim Pütz mit einem 6:7 (3:7), 6:3, 6:4 gegen Dominic Stricker und Wawrinka für das 2:1 - was im Modus der Zwischen- und Finalrunde der Sieg gewesen wäre. Doch dann verlor Zverev mit 2:6, 6:7 (4:7). "Ich habe besser gespielt als zuletzt in Australien", sagte der geknickte Zverev. "Aber der Prozess ist noch da. So Tage wird es leider noch geben, bis ich wieder ganz zurück bin."
Hüsler nimmt viel Risiko und schlägt Zverev
Marc-Andrea Hüsler machte seine Sache gut, das Beste aus der Situation: "Es ist immer einfacher, gegen bessere Leute zu spielen", sagte der 26 Jahre alte Linkshänder, derzeit die Nummer 53 der Welt. "Ich habe viel Risiko genommen, versucht, die Ballwechsel kurz zu halten." Ein Schweizer Journalist rief in seiner Redaktion an und sagte: "Der neue Roger Federer! Das müssen wir größer machen! Das ist schon eine Sensation gewesen!"
Die Sensation verpasste Daniel Altmaier trotz eines Kraft- und Willensaktes über mehr als zweieinhalb Stunden gegen seinen Mentor. "Der Fehler war, dass ich versucht habe, keine Fehler zu machen", sagte der Profi aus Kempen, der wie Wawrinka eine einhändige Rückhand spielt. Der Osteopath des dreimaligen Grand-Slam-Siegers hatte den verletzten Altmaier vor Jahren zurück auf die Tour gebracht. "Das werde ich ihm nie vergessen", sagte Altmaier.
Unvergesslich war auch ihr erstes Duell. "Eine bessere Lehre als dieses Spiel hätte ich nicht kriegen können. Ich will daraus lernen und irgendwann den Scheiß-Davis-Cup gewinnen." Michael Kohlmann, der dem Youngster "null Komma null Vorwurf" machte, nickte und sagte zur außergewöhnlichen Stimmung: "Ich hätte nichts dagegen, wieder in Trier zu spielen."