Für Mama Maria geht es am Donnerstag im Halbfinale von Wimbledon gegen Tante Ons
Warum nicht nur im Mengener Matchpoint die Daumen für die 34-jährige Tatjana Maria gedrückt werden. Die Sensation von Wimbledon stand einst in der Region auf dem Tennisplatz.

Die Tage von Wimbledon sind für Tatjana Maria ein Märchen - das mittlerweile die ganze (Tennis-)Welt verzaubert und am Donnerstag für den nächsten emotionalen Höhepunkt sorgt: Im Halbfinale trifft die 34-jährige Schwäbin auf eine sehr gute Freundin der Familie, auf Tante Ons. Tatjana Maria ist nicht zuletzt als zweifache Mutter für viele Frauen zum Vorbild geworden.
Eine Barbecue-Freundin als Gegnerin
"Wir kennen uns seit Ewigkeiten. Sie sieht meine Kinder fast als ihre Kinder an", sagt Tatjana Maria über die Tunesierin Ons Jabeur, ihre Halbfinalgegnerin. Die 27-jährige Weltranglistenzweite nimmt die Belastungsprobe ihrer Freundschaft mit Humor: "Ich habe schon mit Charlotte gescherzt: Wirst du mich unterstützen oder deine Mama? Ich versuche, die Kids auf meine Seite zu ziehen."
Und über ihre "Barbecue-Freundin" Tatjana sagt die Heldin der arabischen Welt: "Es ist nicht einfach zurückzukommen, nachdem man zwei Babys bekommen hat. Es wird ein großartiges Match, mit viel Respekt."
Die Marias sind als reisendes Familienunternehmen unterwegs. Ehemann Charles-Edouard trainiert Tatjana Maria und entwirft ihre Matchpläne. In Wimbledon gehören die ersten Tennisstunden zunächst ihrer älteren Tochter Charlotte - die Achtjährige übt meist um 8.30 Uhr. Maria verbindet einiges mit Wimbledon. Als sie mit Charlotte schwanger war, spielte sie in der ersten Runde an der Church Road. Im ersten Jahr nach der Geburt erreichte sie Runde drei - bis 2022 ihr bestes Resultat. Nun kam Cecilia vor 15 Monaten zur Welt. Und Maria ist so gut wie nie zuvor.
Kinderbetreuung gibt es nicht überall
Während der Matches sind Marias Töchter in der Kinderbetreuung des Turniers. "Es ist super für die Kinder, die kennen sich alle", sagt Tatjana Maria, die dezent um bessere Bedingungen für Mütter auf der Tour bemüht ist - aufgrund einer Schwangerschaft pausierende Frauen werden wie verletzte Spielerinnen behandelt. Es sei schade, dass es eine Kinderbetreuung "bei den anderen größeren Turnieren wie in Indian Wells oder Miami nicht gibt".
Natürlich, in der 138-jährigen Geschichte des Frauen-Tennis in Wimbledon haben auch schon Mütter den Titel geholt, insgesamt vier. In den vergangenen 100 Jahren gelang dies allerdings lediglich der Australierin Evonne Goolagong-Cawley, 1980. Nach Angaben der Spielerinnen-Organisation WTA gewannen in der sogenannten Open Era des Profitennis seit 1968 nur zwei Mütter bei den anderen drei Grand-Slam-Turnieren: die Australierin Margaret Court (1973/Australian Open, French Open, US Open) und die Belgierin Kim Clijsters (2009/2010/US Open, 2011/Australian Open).
Maria ist für die schwangere Fußballerin Leupolz ein Vorbild
Die schwangere Fußball-Nationalspielerin Melanie Leupolz sagte am Mittwoch "t-online" in einem Interview, dass sie hoffe, nach der Geburt ihres Kindes wieder professionell spielen zu können, sich nicht zwischen Familie und Karriere entscheiden zu müssen. Die zweifache Mutter Maria zeige "auf beeindruckende Art und Weise, dass es geht", so die 28-Jährige vom FC Chelsea. "Als ich von meiner Schwangerschaft erfuhr", so Leupolz weiter, "habe ich erst einmal gegoogelt, welche Rechte Leistungssportlerinnen in solchen Fällen haben - aber man findet fast gar nichts." Das Wichtigste im Leben von Tatjana Maria sei übrigens, "Mutter von zwei Kindern zu sein. Nichts wird das ändern."
Mit ihrer Familie wohnt die in Bad Saulgau geborene Maria in Palm Beach Gardens in Florida (USA). In der Nachbarschaft leben die Williams-Schwestern, mit Serena Williams tauscht sich die derzeit 103. der Weltrangliste auch über das Muttersein aus. Wenn Familie Maria unterwegs ist, bekommt Tochter Charlotte digitalen Unterricht an der Florida Virtual School.
Sieg gegen den Clubwirt des SC Mengen - mit neun
"Tadde", wie sie ihre Freunde nennen, ist im Sportclub Mengen, mitten in Oberschwaben, groß geworden. Mehr als 40 Menschen sind am Dienstag ins Club-Restaurant Matchpoint gekommen, sehen den Sieg im Viertelfinal-Match gegen Jule Niemeier. Auch ihre Mutter Margit ("Tatjana hat sich das wirklich erkämpft und verdient") sowie ihre Brüder Matthias und Daniel ("Es ist ein Traum, der wahr geworden ist").
Wirtin Leni Gallauer hat dem "Südkurier" gesagt: "Sie besucht uns immer, wenn sie hier ist." Erst vor wenigen Wochen habe Maria auf einem der drei Hartplätze trainiert. Jürgen Gallauer, Sportwart und Wirt beim SC Mengen, habe einst bei den Clubmeisterschaften gegen Tadde verloren: Leni Gallauer, sagt, ihr Gatte sei damals 36 gewesen, Tatjana neun. Während des Halbfinal-Matches werden nicht nur im Mengener Matchpoint viele Daumen für Tatjana Maria gedrückt.
Ihre Verbindungen ins Unterland
Tatjana Maria war schon in der Region - und die Region bei ihr. Einst schlug das Talent bei den Beilsteiner Spielen auf, wo sich über Jahrzehnte die Auswahlmannschaften der Bezirke im Württembergischen Tennis-Bund im Alter bis zu elf Jahren trafen. Als 19-Jährige war Tatjana Maria, die damals noch ihren Mädchen-Namen Malek trug, im Oktober 2006 dank einer Wildcard beim WTA-Turnier in Stuttgart dabei - und wurde dabei vom TC Oedheim unterstützt, der ihr zugelost worden war. Trotz der hartnäckigen Anfeuerung schied sie in der ersten Runde aus, freute sich aber sehr über ihren Fanclub und sagte der Stimme: "Das ist schon etwas Besonderes."