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Mailand (dpa)
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Turnerin Anja Brinker steht auf «Schoko-Doping»

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Ihre Zahnspange ist längst Geschichte, das schüchterne Lächeln ist geblieben: Zwei Jahre nach ihrem Paukenschlag von Amsterdam greift Anja Brinker bei den Europameisterschaften von Mailand nach einer Medaille.

Von Frank Thomas, dpa
Anja Brinker zeigt eine Übung am Stufenbarren.
Anja Brinker zeigt eine Übung am Stufenbarren.

Platz zwei am Stufenbarren hinter Ex-Weltmeisterin Elizabeth Tweddle aus Großbritannien sorgten in der Lombardei für Hochstimmung im deutschen Mini-Team. 2007 hatte der Turn-Floh beim internationalen Debüt die Fachwelt verblüfft und war mit 16 Jahren gleich ins Barren-Finale gestürmt und im EM-Mehrkampf in die Top Ten eingedrungen.

«Sie bleibt einfach unsere Perle. Aber aus der kleinen Turnerin ist eine Dame geworden», meinte Cheftrainerin Ulla Koch, die noch vor zwei Jahren immer nur von «unserem Kind» gesprochen hatte. Wog Anja vor Olympia noch 39 Kilo, bringt sie jetzt 46 Kilo auf die Waage. «Das bringt körperliche Probleme mit sich. Es ist toll, wie Anja diese weggesteckt hat», sagt die «Chefin». Doch zufriedengeben will sich die Trainerin mit dem Überraschungserfolg nicht: «Wenn ihr alles noch einmal auf den Punkt gelingt, ist die Medaille nicht ausgeschlossen.»

Gut sechs Jahre sind vergangen, seit ihr Mann Dieter die damals 12-Jährige bei Lehrgängen entdeckte und aus Melle in Niedersachsen an den Stützpunkt nach Bergisch Gladbach lockte. «Am Anfang war es sehr schwer, aber längst habe ich mich daran gewöhnt. Ich habe hier die optimalen Bedingungen», räumt Anja Brinker ein. An vier Tagen in der Woche sind die Eltern zu Gast im Stützpunkt, beziehen dort ein eigenes Zimmer, sind der Tochter nah und unterstützen deren sportlichen Weg. Zweimal wechselte Anja Brinker im Rheinland den Trainer, wird nun vom Russen Oleg Tschekmarjow betreut.

Auch wenn sie vor Olympia schon etwas übertrieben als weibliches Pendant von Fabian Hambüchen bezeichnet wurde, an der Ausstrahlung des Superstars fehlt es der nur 1,52 Meter großen Barren-Spezialistin noch. «Ein Mauerblümchen war sie nie. Aber sie hat ein wenig Angst, ihre hohen Ziele in der Öffentlichkeit auszubreiten», gesteht Ulla Koch. «Ehrgeizig ist sie aber wie kaum eine andere», lobt die Trainerin das momentan wohl größte Talent im deutschen Frauen-Turnen.

Anja Brinker hat ein süßes Geheimnis, über das sie in der Öffentlichkeit kaum redet. «Im Wettkampf esse ich vor jedem Gerät ein Stück Schokolade, das beruhigt», erzählt sie mit einem Lächeln. Damit eröffnet sich, warum sie als so nervenstark gilt, wie sie es in Mailand wieder bewies. Nach außen wirkt sie eher verschlossen und abgeklärt, steht mit Tunnelblick vor dem Barren, doch im Innern kribbelt es mächtig.

«Ich bin vor jedem Wettkampf total nervös», erzählte sie schon vor der WM in Stuttgart, als sie maßgeblich dazu betrug, dass erstmals seit 1992 eine Frauen-Riege zu Olympia reiste. In Peking stand sie dicht vor dem großen Erfolg, doch griff sie bei der Landung mit der Hand auf und schrammte am Olympia-Finale vorbei.

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