So steht es um den Kampf der Nordischen Kombination um ihre Zukunft
Die Nordische Kombination, eine der Kernsportarten des Wintersports, steht unter besonderer Beobachtung des IOC. Sie hat existenzielle Wochen vor sich.

Während den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften wird auf den Schanzen und Loipen vor TV-Kameras um Medaillen gekämpft – auf der sportpolitischen Bühne im Hintergrund findet seit Monaten ein Kampf um das Überleben der Nordischen Kombination statt. Das geht die ganze nordische Familie an, betrifft ihre Zukunft. In Trondheim haben US-Kombiniererin Annika Malacinski, die Schwarzwälderin Sandra Spitz (Sportdirektorin beim Skiweltverband Fis) und der Norweger Lasse Ottesen (Fis-Renndirektor) über den Stand der Dinge informiert.
„Es ist nicht fair, dass unser Sport der einzige bei Olympischen Spielen ist, den Frauen nicht betreiben dürfen.“
Annika Malacinski
Darum geht es: „Mein Bruder Niklas hat die Möglichkeit, sich nächsten Winter für die Olympischen Spiele in Mailand und Cortina zu qualifizieren. Ich nicht“, sagt die 23-jährige Annika Malacinski, die es in ihrem Sport und Social Media zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hat. „Es ist nicht fair, dass unser Sport der einzige bei Olympischen Spielen ist, den Frauen nicht betreiben dürfen.“ Bei den Spielen kommenden Februar in Italien sind nur die Männer im Programm, mit reduzierten Teilnehmerfeldern.
Die Nordische Kombination gehört 2030 in Frankreich zu den Wackelkandidaten
2030 in den französischen Alpen Frankreich sind selbst die Männer Wackelkandidaten – obwohl die Kombination seit der Premiere 1924 in Chamonix zum olympischen Programm gehört. Der 2022 formulierte Vorwurf des Internationalen Olympischen Komitees (IOC): Die Nordische Kombination werde von zu wenigen Nationen betrieben, zudem gewinnen immer dieselben. Beim Vergleich mit den anderen Sportarten seien die globalen Einschaltquoten sowie die Klicks und Zahlen bei Social Media schlecht.

Der Faktor Bach: Die Nordische Kombination betreibt gerade intensiv Lobbyarbeit. IOC-Präsident Thomas Bach ist dabei keine Hilfe mehr. Er sei nicht in Trondheim vor Ort, sagt Sandra Spitz, zudem stelle sich Fis-Präsident Johan Eliasch am 20. März in als Nachfolger des Tauberbischofsheimers zu Wahl – da ist Fingerspitzengefühl gefragt. Ob Bachs Nachfolger oder Nachfolgerin Einfluss auf den laufenden Prozess nehmen wird?
Bis 31. März müssen alle Daten ans IOC geliefert sein
Der Zeitplan: „Das IOC muss entscheiden“, sagt Sandra Spitz, die seit einem Jahr mit dem IOC im Austausch steht und bis 31. März Daten für die Urteilsbildung liefern muss. „Dann werden uns Nachfragen gestellt, die wir beantworten müssen. Im zweiten Halbjahr entscheidet die Programmkommission des IOC, ob wir 2030 dabei sind.“ Wenn, dann mit Männern und Frauen? „Das Ziel ist es, dass beide mit denselben Wettkämpfen dabei sind. Welche, das werden wir sehen“, sagt der 50-jährige Ottesen. Die Frauen haben seit 2020/21 den Weltcup und waren 2021 in Oberstdorf erstmals bei einer WM dabei (ein Wettkampf). 2023 in Planica waren es zwei Wettkämpfe, nun in Trondheim drei. Einer davon war der Massenstart, bei dem erst gelaufen und dann gesprungen wurde. Die Männer hatten diesmal erstmals das Compact-Rennen im Programm, das den stärkeren Läufern entgegenkommt.
Der Stand der Dinge: „Es ist ein komplexer Prozess, aber es ist ein guter Prozess“, sagt Sandra Spitz zum Hin und Her mit dem IOC. Lasse Ottesen zählt wichtige Entwicklungsschritte auf, sieht mehr Nationen auf den Podien (vor allem bei den Junioren), ein Wachstum an Teilnehmerinnen (in Trondheim waren es 38 aus zwölf Nationen, zuvor in Planica 31 aus elf) und „spannende neue Formate“. Weitere Änderungen wie der Spint und ein Mixed-Teamsprint sollen zumindest im Weltcup kommen. „Ich bin mir sicher: Das IOC kann nur die einzige mögliche Entscheidung fällen“, sagt Lasse Ottesen. Auf die Frage, ob es einen Plan B gebe, sagt er : „Nein – sie werden die Kombination nicht streichen.“
Hüttel: Ohne die Kombination bricht ein großer Teil des Skisprungs weg
Die Folgen im Fall der Fälle: Das Aus der Kombination als olympische Sportart hätte gravierende Folgen. Für die Förderung der Athleten, für die Finanzen der Verbände. „Ich möchte die Kombination noch eine Weile als Beruf ausüben. Wir junge Athleten machen uns große Sorgen“, sagt die im Gesamtweltcup führende Schwarzwälderin Nathalie Armbruster.
„Ich möchte die Kombination noch eine Weile als Beruf ausüben. Wir junge Athleten machen uns große Sorgen.“
Nathalie Armbruster
Horst Hüttel, Sportdirektor beim Deutschen Skiverband, erklärt: „Uns würde ein großer Teil des Skisprungs wegbrechen. Wir bauen neue Sprungschanzen wie in Klingenthal und Berchtesgaden immer für beide Disziplinen. Ohne die Kombination ginge das nicht.“ Der ehemalige Kombinierer verdeutlicht: „Die Sprunganlage in Oberstdorf kostet 200 000 Euro Unterhalt im Jahr. Der Skisprung übernimmt 100 000, die anderen 100 000 die Kombination.“
Oder anders formuliert: Ein großes Plus der Nordischen Kombination ist, dass sie nichts Besonderes benötigt. Schanzen und Loipen sind ja da. Die spannende Frage ist und bleibt, ob das IOC das auch so sieht.

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