Nachruf auf Laura Dahlmeier: Die Berge waren ihre Heimat und ihr Schicksal
Die ehemalige Biathletin und Olympiasiegerin Laura Dahlmeier stirbt beim Bergsteigen in Pakistan. Die Berge gaben ihr Kraft, Freiheit und Lebenssinn. Jetzt haben sie der 31-Jährigen das Leben genommen.
Das Risiko. Es ist Laura Dahlmeier stets bewusst gewesen. Das Wissen, wie fatal ein falscher Tritt oder andere Gefahren sein können. In ihren Bergen. In ihrer Welt. „Das macht es speziell“, hat sie einmal gesagt.
„Zu wissen, du hast keinen doppelten Boden, da bist du nochmal konzentrierter. Du denkst an nichts anderes mehr, du bist wirklich im Hier und Jetzt.“ Dieses Gefühl hat Laura Dahlmeier geschätzt. Geliebt. Genossen. Und immer wieder gesucht.

Laura Dahlmeier: Vom Biathlon zur Leidenschaft für extreme Bergtouren
Am Montagmittag ist die ehemalige Biathletin verunglückt. Mit nur 31 Jahren. Abgestürzt nach einem Steinschlag auf etwa 5700 Metern Höhe auf ihrer Route zum extrem steilen und 6069 Meter hohen Laila Peak im pakistanischen Karakorum-Gebirge. Die Bergungsarbeiten in dem extrem abgeschiedenen Gebiet – eingeleitet nach einem Notruf ihrer Seilpartnerin – sind auch aufgrund schlechter Witterungsbedingungen zusätzlich kompliziert gewesen, der Rettungseinsatz am Dienstag wegen der Dunkelheit unterbrochen worden. Am frühen Mittwochnachmittag hat Laura Dahlmeiers Management den Tod der staatlich geprüfte Berg- und Skiführerin bestätigt.
Der Schock ist nicht nur in der Welt des Sports riesig. Ehemalige Teamkameraden, Weggefährten, Kletterfreunde, Prominente, Politiker – alle sind in der Trauer um die Ausnahmeathletin vereint. Laura Dahlmeier ist zweimalige Olympiasiegerin und siebenmalige Weltmeisterin geworden, weil sie körperlich wie mental außergewöhnliche Fähigkeiten besessen hat. Das sympathische daran: All die Medaillen, Ehrungen und Werbeverträge haben weder ihre bodenständige Lebensart verändert, noch ihr die Bescheidenheit und Zielstrebigkeit genommen. Laura Dahlmeier ist immer der Naturmensch geblieben, das Mädel aus Garmisch-Partenkirchen, für die ihre Heimat stets auch „ein Lebensgefühl“ gewesen ist.
Laura Dahlmeier: Ein Leben zwischen Gipfelerfolgen, Risiko und Rückzug in die Natur
„Dieses einfachere Leben gibt mir total viel. Ich finde es furchtbar, wenn es in der Hütte eine Dusche gibt, WLAN und jeder sein Telefon einstecken kann. Das ist doch ein Schmarrn“, hat Laura Dahlmeier nach ihrem Rücktritt 2019 gesagt. „Wenn ich auf den Berg gehe, ist es mir wichtig, mich dort zu reduzieren.“ Die Welt dort oben ist für sie eine andere, schönere gewesen, aber auch Rückzugsort und Fluchtareal, wenn ihr einst der Druck, die Zwänge oder der Alltagsstress zu viel geworden sind. In die Berge aufzubrechen, um aus der Hektik im Weltcup und dem Trubel um ihre Person auszubrechen, diesen Luxus hat sie sich mehrfach ganz bewusst gegönnt – und keiner ihrer Trainer hat sie, mitunter schweren Herzens, zurückgehalten.
„Freiheit ist für mich etwas extrem Wichtiges. Da bin ich gut drauf, da habe ich positive Gedanken. Das verbinde ich immer mit dem Bergsteigen. Da genieße ich voll den Moment“, hat Laura Dahlmeier einst gesagt. Ein Glücks-Gefühl, das sie schon als Mädchen auf den zahlreichen Touren mit ihrem Papa Andreas, einem aktiven Mitglied der Bergwacht, in sich trägt. Sie nimmt sich auch die Freiheit, nach dem Triumph im Gesamtweltcup und 33 Weltcupsiegen mit 25 Jahren – für viele überraschend – ihr Karriereende als Biathletin zu verkünden und sieht es „als riesengroßes Geschenk“. Auch, weil ihr die sportlichen Ziele gefehlt haben.
Bergsteigen als Berufung: Laura Dahlmeiers Weg nach dem Biathlon-Rücktritt
Die gewonnene Zeit hat die TV-Expertin im ZDF genutzt, um Sport zu studieren. Vor allem aber für Touren. Routen. Expeditionen. Ihre Vorbereitung ist professionell und akribisch wie zuvor. „Zwischen Bergsteigen und Biathlon gibt es schon einige Parallelen“, hat Laura Dahlmeier gesagt: „Die Größte ist die mentale Anspannung. Beim Schießen entscheidet sich oft, schaffe ich es aufs Podium oder nicht. Da ist mein Ziel die hundertprozentige Trefferleistung. Beim Klettern muss ich mir zu hundert Prozent sicher sein, was ich da mache – und eben auch die Risiken und Konsequenzen kennen.“ Dann hat sie noch angefügt: „Der feine Unterschied: Beim Biathlon verlierst du den Wettkampf, beim Klettern vielleicht viel mehr.“
Sie hat das Größte verloren: ihr Leben. Trotz viel Erfahrung. Erst im November 2024 hat Laura Dahlmeier den Ama Dablam in Nepal bestiegen – und dabei einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. Seit Ende Juni ist sie mit Freunden in Pakistan gewesen, hat am 8. Juli den Great Trango Tower mit seinen 6287 Metern bestiegen. Am zweiten geplanten Gipfel, dem sehr steilen und schwierig zu kletternden Laila Peak hat die Natur eine ausgezeichnete Alpinistin bezwungen. Es gebe eben „immer ein Restrisiko, wenn wir uns in diese Dimensionen des Alpinismus wagen“, sagt der Südtiroler Reinhold Messner.
Risiko am Berg: Selbst erfahrene Bergführer sind nicht gefeit
„Du darfst nicht Angst haben oder irgendwie unsicher sein, weil schon ein Risiko dabei ist“, ist sich auch das aktive Bergwacht-Mitglied Laura Dahlmeier stets der Gefahren am Berg bewusst gewesen. „Ich bin kein Adrenalinjunkie, aber so ein bisschen Challenge brauche ich schon.“ Ihre Leidenschaft aufzugeben, ist nie eine Option für die Oberbayerin gewesen. Trotz eigener Verletzungen. Trotz Schicksalsschlägen. „Die Berge können dir viel geben, aber auch alles nehmen.“ Ein Satz ihres Ex-Freundes Robert Grasegger. Er ist am 6. Januar 2022 bei einem Lawinenunglück in Patagonien verstorben, Mit 29 Jahren.
Laura Dahlmeier, die mit Zwei erstmals auf Ski unterwegs gewesen ist, hat die Berge gebraucht. Weil sie zu dem Boden gehört haben, auf dem sie gestanden hat. Im Interview mit der Heilbronner Stimme hat sie einst gesagt: „Sie sind eine Kraftquelle. Das gibt mir viel Energie. Ich habe das Gefühl, als ob das in den Bergen abgespeichert ist.“


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