Deutsche Handballer verpassen WM-Finale
Die deutschen Handballer haben einen packenden Halbfinal-Krimi gegen Norwegen verloren und den Einzug in ihr erstes WM-Endspiel seit zwölf Jahren verpasst. Am Sonntag spielt Prokops Team gegen Frankreich um Bronze.

Der deutsche Weg bei der Heim-WM führt wie erträumt nach Herning, aber nicht ins Finale gegen Co-Gastgeber Dänemark, sondern nur ins Spiel um Platz 3 gegen Frankreich. Der 31:25 (14:12)-Sieg Norwegens am Freitagabend im Halbfinale war verdient. Bundestrainer Christian Prokop sprach im Turnierverlauf gerne von bestandenen Prüfungen.
Die gegen Norwegen war zu schwer für seine tapferen Mannen. Mitte der ersten Hälfte hatten die Skandinavier die Führung übernommen – und nicht mehr aus der Hand gegeben. „Wir haben nicht unsere beste Leistung gebracht, häufig in Unterzahl gespielt und keine guten Lösungen gefunden“, sagte Prokop, der noch vor der Bus-Abfahrt gen Dänemark schon auf den Sonntag blickte: „Die Chance auf eine WM-Medaille lassen wir uns nicht nehmen.“
Die Verlierer gratulierten fair
Auch die Spieler sind tief enttäuscht gewesen. „Uns geht es beschissen, weil wir niedergeschlagen sind und es im Moment sehr weh tut“, meinte Kapitän Uwe Gensheimer. Dennoch gratulierten alle fair. Norwegens Spieler des Abends, Bjarne Myrhol sagte: „In so einer Atmosphäre gegen Deutschland zu gewinnen, ist großartig.“ Die Überlegenheit seines Teams erkannte auch Paul Drux an: „Die Norweger waren einen Tick besser, sie haben das clever runtergespielt.“
Wer nach dem 3:1 von Hendrik Pekeler (4.) gehofft hatte, Deutschland würde ähnlich locker ins Finale marschieren wie zuvor Dänemark, der sah sich getäuscht. Die Norweger hatten mit Hüne Magnus Rod im rechten Rückraum eine Waffe, gegen die das deutsche Abwehrsystem nicht griff. Mit wenigen Schritten Anlauf und schnellem Abzug entging der Flensburger dem bisher so starken deutschen Innenblock. Die zweikampfstarken Norweger gewannen aber auch auf den anderen Rückraumpositionen viele Eins-gegen-Eins-Duelle, zogen damit Zeitstrafen gegen Deutschland und Siebenmeter für sich. Ab Mitte der ersten Hälfte übernahmen die Skandinavier das Kommando.
Das deutsche Angriffsspiel erlahmte
Nach dem furiosen Start erlahmte das deutsche Angriffsspiel. Norges Taktikfuchs Christian Berge hatte die klassischen Spielzüge seines Namensvetters Christian Prokop entschlüsselt – und Gegenmaßnahmen entwickelt. Wenn im deutschen Kreuzungsspiel der Abschluss anstand, war schon ein Norweger parat, um den Werfer festzumachen. Das spürte vor allem Steffen Fäth, der auf halblinks nicht ins Spiel fand und bei vier Versuchen kein einziges Mal traf. Nach dem 3:1 blieb Deutschland zehn Minuten ohne Tor. Erst Uwe Gensheimer brach den Bann mit dem 4:4 (12.) per Siebenmeter.
Als die Norweger auf 11:9 (23.) davongezogen waren, nahm Prokop die erste Auszeit und brachte Fabian Böhm für den indisponierten Fäth. Zudem schickte er Silvio Heinevetter für Andreas Wolff ins Tor. Neue Aufgaben für die Norweger. Beide Maßnahmen griffen, Böhm traf schnörkellos zum 10:11 (24.) und Heinevetter parierte gegen Magnus Jondal. Doch es war nur ein Strohfeuer, keine Wende. In der Schlussphase der ersten Hälfte hagelte es Strafen auf beiden Seiten, wodurch die Partie zerfahren wurde. Die Norweger hielten ihre Zwei-Tore-Führung aber bis zum 14:12-Halbzeitstand. Diese war auch verdient.
Aufholen war auch in den letzten Minuten noch möglich
Keine Besserung In der zweiten Hälfte wurde es nicht besser. Eine Zeitstrafe gegen Jannik Kohlbacher nutzte Kreisläufer Bjarte Myrhol mit zwei Treffern zum 16:13. Die Führung wuchs. Nach 40 Minuten standen die Norweger bei 21 Treffern. Die DHB-Auswahl hielt dagegen, glaubte an sich. Mit der offensiven 3:2:1-Abwehr erhöhten sie den Druck auf Norwegens Rückraumspieler, jagten sie. Allein die Mittel waren nicht immer die besten. Als man beim 19:21 (43.) am Ausgleich schnupperte, kassierte Hendrik Pekeler seine dritte Zeitstrafe. Damit war das Kieler Innenblock-Duo mit Patrick Wiencek gesprengt. Finn Lemke sprang für Pekeler ein, ersetzte ihn allerdings nicht adäquat.
In die letzten zehn Minuten ging es mit einem 22:25-Rückstand. Nicht unmöglich aufzuholen. Prokop stimmte sein Team achteinhalb Minuten vor dem Ende ein letztes Mal ein, doch trotz zweier Paraden von Heinevetter gelang kein weiteres Tor. Besonders der X-Faktor im deutschen Spiel, Überraschungsspieler Fabian Wiede, kam nicht zur Geltung. Auch ihn hatten die Norweger entschlüsselt, erahnten oft seine Pass- und Laufwege. So war es einmal mehr Riese Rod, der ganz cool auf 26:22 (53.) stellte.
Es sprach nicht mehr viel für die Gastgeber – außer die Moral. 180 Sekunden vor Abpfiff waren sie, angeführt von Böhm, wieder auf 25:27 dran. Dann verletzte sich Rod bei einem Wurfversuch am Knie, musste raus. Nun war der sonst eher unauffällige norwegische Star Sander Sagosen zur Stelle, erzielte das entscheidende 28:25.
Lob von Grindel: Reinhard Grindel ist am Freitagabend neben Polit-Prominenz auf der Tribüne gesessen und hat das Halbfinale mitverfolgt. Zuvor sagte der DFB-Präsident , er sehe in der deutschen Handball-Auswahl ein Vorbild für die Fußball-Nationalelf. „Ich stelle sehr stark fest, dass es die Zuschauer gut finden, dass nicht bei jeder Gelegenheit sofort protestiert wird und dass die Mannschaft einfach sympathisch rüberkommt. All das streben wir mit unserer Nationalmannschaft 2019 auch an.“ dpa