Handball-EM 2024: Schweizer Sportdirektor aus Heilbronn im Interview
Für den Schweizer Sportdirektor Ingo Meckes ist die Handball-EM 2024 das letzte große Turnier. Der gebürtige Heilbronner über die Ziele der Eidgenossen und seinen Heimatverein TSB Horkheim.

Als Sportdirektor und EM-Delegationsleiter ist Ingo Meckes praktisch das Schweizer Pendant zu DHB-Sportvorstand Axel Kromer. "Bei mir laufen alle Fäden zusammen", sagt der 47-Jährige. Vor dem EM-Eröffnungsspiel gegen Gastgeber Deutschland am Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF) spricht der Unterländer im Interview mit der Heilbronner Stimme über die Ziele der Eidgenossen, warum Bundesliga-Top-Torschütze Manuel Zehnder für die Schweiz spielt und seine persönliche Zukunft.
Ist das Eröffnungsspiel vor der Handball-Rekordkulisse ein Höhepunkt Ihrer Karriere?
Ingo Meckes: Ein einziges Spiel ist für mich kein Höhepunkt. Ich betrachte eher die gesamte Entwicklung, die wir genommen haben. Vor zwölf Jahren waren wir auf den Rängen 26 bis 28 unterwegs, seitdem haben wir uns unter die Top 20 nach vorne gearbeitet.
Was erwarten Sie für ein Spiel in Düsseldorf in dieser ungewöhnlichen Atmosphäre eines Fußballstadions?
Meckes: Das wird ein Spiel, in dem alles passieren kann. Vor 53 000 Zuschauern ist noch keiner der Spieler jemals aufgelaufen. Natürlich ist Deutschland der absolute Favorit. Ich hoffe, dass wir da selbstbewusst reingehen und ohne Respekt einfach das maximal Mögliche herausholen.
Die DHB-Verantwortlichen haben immer wieder ihren Respekt vor dem Auftaktgegner betont.
Meckes: Wir sind sicher die stärkste Mannschaft in Topf vier gewesen und kein Team war scharf darauf, uns in die Gruppe zu bekommen. Unsere letzten Ergebnisse gegen Deutschland waren allesamt knapp. Insofern ist es schon nachvollziehbar, dass die DHB-Verantwortlichen vor uns warnen.
Welchen Stellenwert hat die Europameisterschaft in der Schweiz?
Meckes: Das Medieninteresse ist trotz der laufenden Wintersportsaison groß. Es herrscht schon eine gewisse Euphorie. Das liegt sicher auch daran, dass diese Euro das vielleicht größte Handball-Event werden wird, das es je gegeben hat. Bei uns werden aber generell alle Länder- und Qualifikationsspiele bei Frauen und Männern live im Schweizer Fernsehen übertragen. Das ist in Deutschland ja nicht unbedingt der Fall.
Was ist für die "Nati" möglich?
Meckes: Wir wollen natürlich alle Gegner ärgern. Konkretes Ziel ist ein Sieg gegen Nordmazedonien. Mit Platz 17 im Endklassement wären wir für die nächsten WM-Playoffs gesetzt und bekämen dort voraussichtlich einen etwas leichteren Gegner. Dann hätten wir gute Aussichten, uns für die nächste WM zu qualifizieren.
Für das Aushängeschild des Schweizer Handballs, Andy Schmid, wird es der "letzte große Tanz", wie Axel Kromer kürzlich sagte. Was ist von dem 40-Jährigen zu erwarten?
Meckes: Andy ist fit, hat sich nach seiner Verletzung im Sommer extra mit einem Privattrainer wieder in Form gebracht und will sich noch einmal positiv in Erinnerung rufen. Wie gut er sein kann, hat er Ende November im European-Cup-Spiel gegen Hannover gezeigt, als er beim 30:30-Remis 14 Tore erzielte. Ich würde mich freuen, wenn er bei der Euro nochmal einen tollen Abschluss für seine Karriere hätte.
Einen anderen Schweizer Nationalspieler hätte Alfred Gíslason gerne in seiner Auswahl gehabt. Der aktuell beste Bundesliga-Torschütze Manuel Zehnder vom ThSV Eisenach hat sich aber für die Schweiz entschieden.
Meckes: Manu ist ein spezieller Spieler, unheimlich nervenstark, torhungrig. In der Jugend war er immer ein Stückchen hintendran, ein Spätentwickler. In Eisenach hat er das volle Vertrauen, da kommt es auf ihn an, da kann er Zeichen setzen.
Haben Sie ihn dem DHB weggeschnappt?
Meckes: Es war eine Gemeinschaftsarbeit. Wir haben im Sommer 2022 lange mit ihm gesprochen. Da war er noch unschlüssig, für welche Nation er spielen will. Da er eine deutsche Mutter hat, wäre beides möglich gewesen. Wir haben ihn aber nicht überredet, sondern er hat die Entscheidung getroffen, die für uns natürlich ein Glücksfall ist. Seine Entwicklung ist längst noch nicht abgeschlossen.
Nach der EM werden Sie Ihre Arbeit beim Schweizer Verband beenden. Warum, wo es doch so gut läuft?
Meckes: Zunächst einmal ist es ja schön, wenn man das Ende selbst bestimmen kann und nicht aufgehört wird. Ursprünglich wollte ich nach der Frauen-EM 2024 aufhören, bei der wir Co-Gastgeber sind. Dann hat uns Frauen-Bundestrainer Martin Albertsen im Sommer verlassen. Dann bin ich in mich gegangen und habe beschlossen, dass nach der Männer-EM Schluss für mich ist.
Was werden Sie künftig machen?
Meckes: Ich weiß es noch nicht. Ich habe einige Gespräche geführt, es ist aber noch nichts in trockenen Tüchern. Ich gehe da auch bewusst ein wenig ins Risiko. Meine Aufgaben beim Europäischen Handballverband werde ich bis 2025 in jedem Fall weiterführen.
Ihr Heimatverein TSB Horkheim fährt ja einen Professionalisierungskurs und will über kurz oder lang einen hauptamtlichen Sportlichen Leiter installieren. Wäre das was?
Meckes: Ein Wechsel nach Horkheim ist augenblicklich nicht auf meinem Radar. Der Weg des TSB ist aber der einzig richtige. In der 3. Liga muss mindestens halbprofessionell gearbeitet werden.
Mit Nationalspieler Sebastian Heymann werden Sie am Mittwoch auf einen anderen Horkheimer treffen. Hat es Sie überrascht, dass er so schnell wieder in den Kreis der Nationalmannschaft zurückgekehrt ist?
Meckes: Das hat mich nicht überrascht. Er gehört leistungsmäßig auf jeden Fall dazu. Als Spieler, der Abwehr wie Angriff spielen kann, ist er für jeden Trainer sehr wertvoll. Ich bin sicher, er wird bei der EM Zeichen setzen.
Es muss ja nicht gerade gegen die Schweiz sein, oder?
Meckes: Er kann sich ja gegen uns ein bisschen aufwärmen und dann ab dem zweiten Spiel durchstarten. Das wäre jedenfalls mein Plan. Keine Ahnung, ob er einen anderen hat (lacht).
Zur Person

Der gebürtige Heilbronner Ingo Meckes hat das Handballspielen beim TSB Horkheim gelernt. Von 2000 bis 2009 spielte der Kreisläufer für Oßweil und Dormagen in der Bundesliga. Seit 2011 ist der Diplom-Betriebswirt Schweizer Leistungssport-Chef und lebt in Baden bei Zürich.