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Nordische Ski-WM
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Alles dicht beisammen: Freud und Leid, Silber und Schmerz

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Skispringerin Selina Freitag gewinnt in Trondheim die erste WM-Medaille für Deutschland, das Team verliert aber erneut die schwer verletzte Luisa Görlich.

Selina Freitag freut sich über WM-Silber.
Selina Freitag freut sich über WM-Silber.  Foto: Hendrik Schmidt

Sport besteht aus Sieg und Niederlage. Beim ersten WM-Wettkampf der Skispringerinnen in Trondheim lagen Freud und Leid, Jubel und Schmerz besonders dicht beisammen. Während Selina Freitag am Freitagnachmittag die erste Medaille für die deutsche Mannschaft bejubelte, wartete Luisa Görlich auf einen Heimflug und einen Arzt-Termin: In der Qualifikation hatte sie sich am Vorabend eine schwere Verletzung im rechten Knie zugezogen. Sie ist nicht die einzige Skispringerin, die bei der WM mit Schmerzen zuschauen muss: Görlichs norwegische Kollegin Thea Mangan Bjørseth erwischte es vor zwei Wochen beim Weltcup in Ljubno (doppelter Kreuzbandriss im linken Knie sowie Ellenbogen), den norwegischen Hoffnungsträger Halvor Egner Granerud vor zehn Tagen im Training in Lillehammer (Innenband).

Selina Freitag stand noch nie ganz oben auf dem Podest 

„Am schwierigsten war es, cool zu bleiben. Die beiden Wettkampfsprünge waren befreiend“, sagte die selige Silbermedaillengewinnerin, die noch nie ein Weltcup-Springen gewonnen hat, aber schon acht Mal Zweite war. Selten war Platz zwei so süß. Die 23-Jährige war von ihren Teamkolleginnen Agnes Reisch und Katharina Schmid empfangen worden, sie zogen Selina Freitag mit Freude das letzte Stückchen des steilen Schanzenauslaufs hinauf. Dort, wo wenige Stunden zuvor Luisa Görlich mit Schmerzen gelegen hatte. „Das war keine schöne Geschichte“, schaute Agnes Reisch zurück. „Ich habe versucht, bei mir zu bleiben.“

Das besonders Bittere an der (Kranken-)Geschichte: Luisa Görlich war vor zwei Wochen nach einem im März erlittenen Kreuzbandriss (rechts) in den Weltcup zurückgekommen. Bundestrainer Heinz Kuttin nahm sie nach einer „Bauchentscheidung“ als fünfte Frau zur WM mit und sagte nun: „Die Verletzung ist brutal für Luisa, die wieder top drauf war. Sport ist beinhart.“ Bereits 2018 hatte sich die 26-Jährige im linken Knie das Kreuzband gerissen. Diesmal knickte sie nach der Landung mit dem rechten Knie ein. „Ich gehe von einer schweren Knieverletzung aus, eine genaue Diagnose wird aber erst eine MRT-Aufnahme ermöglichen“, die für Montag in Deutschland geplant ist, sagte Mannschaftsarzt Florian Porzig, der die Thüringerin im Schanzenareal untersucht hatte.

Für die verletzte Luisa Göhrlich wurde Emely Torazza nachnominiert 

Luisa Görlich war Teil des Gold-Quartetts, das vor zwei Jahren in Planica im Teamwettbewerb glänzte. Eine Titelverteidigung an diesem Samstag (17 Uhr/ZDF und Eurosport) ist für sie unmöglich, das Team stellt sich mit Katharina Schmid (Platz 19 am Freitag), Selina Freitag, Agnes Reisch (10) und Juliane Seyfarth (27) von alleine auf. Als Ersatz wurde Emely Torazza nachnominiert, sie traf am Freitagabend in Trondheim aus Oberhof kommend ein. So ist Sport: Der einen Leid ist einer anderen Freud.

Besonders intensiv sind die Gefühle bei Halvor Egner Granerud (28), der sie mit diesen Worten auszudrücken versuchte: „Sport gibt, und Sport nimmt. Es ist sehr schmerzhaft, die Möglichkeit zu verpassen, an dieser Heim-WM teilzunehmen. Darauf habe ich mich gefreut, seit Trondheim 2020 den Zuschlag erhalten hat, und ich habe mehrere Jahre lang jeden Tag daran gedacht.“ Thea Minyan Bjørseth (21), sie hatte vor zwei Jahren mit Granerud zum Silber-Mixed-Team von Planica gehört, teilte per Social Media mit: „Ich bin ein bisschen sprachlos und habe viele Fragen und Gedanken. Es ist wirklich eine sehr schwierige Situation und eine Menge zu verarbeiten.“

Auch das deutsche Team hat viel zu verarbeiten: Leid und Freud – am Abend wurde noch kurz angestoßen. „Das tut dem ganzen Team gut, sehr gut sogar“, sagte Heinz Kuttin nach dem Medaillen-Coup (Gold ging an die überragende Slowenin Nika Prevc, Bronze an die Norwegerin Anna Odine Strøm). Das deutsche Team hat am Samstag eine sehr große Medaillenchance. „Aber es sind acht Sprünge. Kleine Brötchen backen und dafür mehr genießen“, gab der Trainer als Motto aus. Er weiß: Freud und Leid liegen gerade im Skispringen dicht beisammen.

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