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"Wie Achterbahn fahren, nur schneller - und blind"

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Katharina Mähring aus Hohenlohe ist Mitglied des Junioren-Nationalkaders im Bob- und Schlittenverband für Deutschland. Im Interview spricht die ehemalige Leichtathletin vom Wechsel in den Bob, ihrem Gewichtsproblem und dem Europacup-Start in Sigulda.

Jetzt geht's los: Katharina Mähring (Mitte) ist bei ihrem ersten Europacup-Einsatz kurz vor Weihnachten am Königssee Anschieberin von Lisa Buckwitz (rechts) gewesen.

Foto: Ivonne Hebenstreit
Jetzt geht's los: Katharina Mähring (Mitte) ist bei ihrem ersten Europacup-Einsatz kurz vor Weihnachten am Königssee Anschieberin von Lisa Buckwitz (rechts) gewesen. Foto: Ivonne Hebenstreit  Foto: Ivonne Hebenstreit

Nach dem Stoßen der Kugel und dem Werfen von Diskus sowie Hammer jetzt also das Schieben eines Bobs: Die ehemalige Leichtathletin Katharina Mähring ist Mitglied des Junioren-Nationalkaders im Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD). Die 24-jährige Studentin aus Pfahlbach in der Nähe von Öhringen hatte am Sonntag vor Weihnachten als Anschieberin von Lisa Buckwitz beim Europacup in Königssee Platz zehn belegt. An diesem Sonntag (14 Uhr) startet Katharina Mähring in Sigulda (Lettland) mit Maria Constantin.

Waren Sie als Kind Schlittenfahren, Frau Mähring?

Katharina Mähring: Ja − dort, wo alle Kinder anfangen: hinter dem Haus der Eltern. Ich hatte so einen richtig massiven Plastikbob.
 

Und wann saßen Sie das erste Mal in einem richtigen Bob?

Mähring: Das muss vor etwa sieben Jahren gewesen sein, als der BSD an einem Wochenende talentierte Leichtathleten in Königssee gesichtet hat. Ich habe mich damals allerdings entschieden, nicht in den Bob zu wechseln.
 

Warum sitzen Sie seit etwa einem Jahr nun doch immer wieder darin?

Mähring: Weil ich gebeten wurde, es doch noch einmal zu probieren.
 

Und warum haben Sie die Leichtathletik aufgegeben?

Mähring: Ich hatte Meinungsverschiedenheiten mit meinem Trainer in Berlin und mich deswegen dazu entschieden, wegzugehen. Da ich meinen Bachelor-Studiengang schon abgeschlossen hatte, bot es sich an, etwas komplett Neues zu beginnen: einen Master-Studiengang in Salzburg und eine neue Sportart.
 

 

Wie ist es, in einem Bob zu sitzen? Laut? Wacklig? Gefährlich?

Mähring: Gefährlich ist es nicht − nur wenn man loslässt und aus dem Bob herausfallen sollte. Grundsätzlich ist es wie Achterbahn fahren, nur schneller − und blind: Meine Beine sind während der Fahrt rechts und links vom Sitz der Pilotin. Ich halte mich ungefähr auf der Höhe meiner Knöchel an Stangen fest. Mein Kopf ist dabei in der Mitte, zwischen meinen Beinen.
 

Sie sind Brillenträgerin − auch im Bob?

Mähring: Tatsächlich fahre ich völlig blind (lacht) − ich sehe schon alles, kann nur die Tafel im Ziel nicht genau sehen. Ich habe Kontaktlinsen probiert, das liegt mir aber nicht. Und im Bob muss ich ja nichts sehen. Wenn meine Pilotin mir sagt, was wir für eine Zeit gefahren sind, bin ich auch glücklich.
 

Wie lautet Ihr Aufgabenprofil als Anschieberin?

Mähring: Ich starte so schnell wie möglich, springe in den Bob und halte still. Ich muss wissen, wann wir unten sind, also die Kurvenreihenfolge kennen. Im Ziel schaue ich dann nach oben und bremse. Das funktioniert ungefähr so wie in einem Plastikbob für Kinder.
 

Sind Sie nicht ein bisschen zu groß für einen Bob?

Mähring: Nein, ich passe gerade so rein. Das Einzige, was bei mir ein bisschen problematisch ist: Mit einer gewissen Körpergröße bringt man auch ein gewisses Gewicht mit. Es ist schon happig, mit meinen 1,87 Metern unter den vorgeschriebenen 80 Kilogramm zu bleiben − inklusive Helm, Schuhen und Rennanzug.
 

Was bedeutet das für Sie?

Mähring: Ich habe versucht, auf Low-Carb-Ernährung umzusteigen, aber das funktioniert nicht so recht. Auf Kartoffeln kann und will ich nicht verzichten, genauso wenig auf Haferflocken zum Frühstück. Was geht: Den Zucker komplett weglassen, keine Fertigprodukte, kein Brot oder Brötchen zum Frühstück. Ich versuche so viel zu essen, dass ich satt werde und das zu essen, was mir auch schmeckt.
 

Wo trainieren Sie? Und ist es als Anschieberin mehr oder weniger im Vergleich zu Ihrer Leichtathletik-Zeit?

Mähring: Gleichviel: Alles zusammen sind es etwa 15 Stunden die Woche − dazu kommt noch die Zeit bei Physiotherapeuten, Ärzten und Psychologen. In Salzburg gibt es eine sehr gute Leichtathletik-Halle mit Kraftraum, wo ich trainieren kann. An die Bahn nach Königssee sind es nur ungefähr 20 Minuten, wobei man nicht jeden Tag an der Bahn ist. Ich genieße Salzburg sehr, mag einfach die Berge. Und ich habe eine Trainingsgruppe gefunden, mit der ich jeden Tag trainiere. Das ist das, was mir in Berlin gefehlt hat.
 

Sind Sie von Ihrem Gefühl Sommer- oder Wintersportlerin?

Mähring: Ich bin im Wintersport noch nicht so ganz angekommen, denn mir ist immer noch kalt. (lacht)
 

Sie könnten dennoch die erste Sportlerin aus der Region werden, die es zu Olympischen Winterspielen schafft...

Mähring: Das könnte natürlich sein − ich weiß es nicht. Jeder, der auf diesem Niveau Sport macht, hat Olympia im Blick. Dennoch muss man es realistisch sehen: Wenn ich später eine Familie und einen Beruf haben möchte, ist Olympia relativ unrealistisch. Natürlich wünsche ich es mir, natürlich arbeite ich darauf hin. Deshalb bin ich ständig unterwegs.
 

Seit dem Wochenende sind Sie in Sigulda − was nicht heißt, dass Sie auch am Wochenende starten dürfen.

Mähring: Es fahren immer zwei Anschieber auf eine Pilotin: Die Bessere der beiden darf starten. Ich bin nach Winterberg und Königssee jetzt das dritte Mal im Europacup dabei und darf am Sonntag nach Königssee zum zweiten Mal das Rennen fahren. Außerdem wurde ich diese Woche für den Europacup in Innsbruck und die Junioren-WM in Winterberg nominiert. Und ich werde Vorläufer beim Weltcup in Königssee sein. Danach ist meine Saison zu Ende.
 

Eine neue Welt im Vergleich zur Leichtathletik, wo man mit der erbrachten Qualifikationsleistung auch im Wettkampf dabei ist.

Mähring: Das ist schon sehr hart. Vor allem für den Kopf. Du hast es endlich geschafft, auf so einem Niveau mitmachen zu dürfen, und stellst dann fest: Ich muss mich ein weiteres Mal beweisen, um wirklich Erfolg haben zu können.
 

Immer wieder machen Anschieberinnen später erfolgreich als Pilotin Karriere. Sie womöglich auch?

Mähring: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht, schließlich habe ich als Anschieberin erst angefangen. Ich interessiere mich jedenfalls für alles: Ich will wissen, wie ein Bob aufgebaut ist, welche Kufen man nehmen kann und wo die Druckpunkte in der Kurve sind.

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