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Simon Halter, ein Mathematiker mit viel Körpergefühl

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Der Binswanger Simon Halter ist Junioren-Weltrekordlerund Favorit auf den Titel im Einer bei den deutschen Meisterschaften im Kunstradfahren.

Hat vor den deutschen Meisterschaften nochmals viel Zeit in seine Kür investiert: Junioren-Weltrekordhalter Simon Halter vom RSV Erlenbach.
Hat vor den deutschen Meisterschaften nochmals viel Zeit in seine Kür investiert: Junioren-Weltrekordhalter Simon Halter vom RSV Erlenbach.  Foto: privat

Aus einer Box in der Ecke der Sulmtalhalle kommt die Musik. Etwas gedämpft und doch laut genug, um schon nach wenigen Sekunden zu spüren, wie harmonisch die Filmmusik „Drachenzähmen leicht gemacht“ zu den 30 Übungen passt, die Simon Halter in seine fünfminütige Kür gepackt hat. „Mama sagt, sie passt zu mir, meiner Art.“

Bei einer der letzten Trainingseinheiten vor den deutschen Junioren-Meisterschaften an diesem Samstag (12.15 Uhr) in Amorbach sehen selbst die schwierigen Elemente wie der Maute-Sprung oder die kraftvollen wie der Handstand spielerisch aus. Selbstbewusst sitzt Simon Halter auf seinem exakt auf ihn angepassten Kunstrad.

Simon Halter will erneut deutscher Meister werden

Er hat das klare Ziel, seinen Titel zu verteidigen. Mehr Punkte zu sammeln als Dustin Lindner, sein Kumpel aus Mörfelden und der vermeintlich größte Kontrahent im Duell um die nationale Nummer eins. „Ich wirke immer ruhig“, sagt der 17-Jährige vom RSV Erlenbach, „viele fragen mich, ob ich denn überhaupt mal nervös bin. Aber ich bin schon angespannt. Bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr war es sogar richtig krass gewesen.“

Simon Halter weiß um die Erwartungen an ihn. Favorit zu sein, bedeutet zugleich mehr Druck. Damit umzugehen, ist ein Lernprozess. Ganz besonders seit der Gymnasiast aus Binswangen den Weltrekord hält, Anfang Mai beim Finale der Junior Masters in Niedersachsen die Bestmarke seines Freundes Linus Weber von 197,26 auf satte 202,59 Punkte verbessert. Die magische Marke von 200 knackt er als erster Junior. Überhaupt: Weltweit zählen nur elf Athleten zu diesem elitären Kunstrad-Kreis, Simon Halter liegt auf Position acht. Das macht stolz und selig. Nicht nur, weil er damit einen Deal mit Mama gewonnen hat und nun mehr Taschengeld erhält.

Kunstradfahren liegt bei Halters in der Familie

Auch außerhalb des Kunstrad-Kosmos‘ haben einige von dem Coup erfahren. Doch manch einer schmälert die Leistung mit Aussagen wie „das sei doch nicht schwer, weil es nicht so viele Athleten in dem Sport gibt“, sagt Simon Halter. Daran hat der Elftklässler ein wenig zu nagen. Daher ist es ihm eine gewisse Genugtuung, als er mit 199,87 Punkten zuletzt beweist, dass der Rekord kein Zufallstreffer gewesen ist.

Seit er Sechs ist und ihn sein Opa Rolf Halter das erste Mal mit in die Halle genommen hat, liebt Simon Halter jenen Sport, den auch schon seine Eltern und der Großvater betrieben haben, auch Schwester Sophia trainiert mit ihm in der Sulmtalhalle. Die Tradition führt der Teenager, der auch liebend gerne mit dem Mountainbike unterwegs ist, keineswegs aus familiärem Pflichtgefühl fort.

Simon Halter hat gute Erinnerungen an Amorbach

An Amorbach hat Simon Halter gute Erinnerungen. Im Odenwald ist der Einer-Fahrer vor einem Jahr EM-Zweiter geworden. In zwei Wochen würde er bei seinem letzten Meisterschaftsauftritt als Junior zu gerne auf kontinentaler Ebene gewinnen und sich danach das weiß-blaue Trikot mit den goldenen Sternen überziehen.Die Gedankenspirale vor einer Kür unterbricht Simon Halter ganz bewusst mit Musik. Rituale helfen und ablenken tut gut. Auf der Wettkampffläche vertraut er ganz konzentriert auf das erarbeitete Körpergefühl. Jede Sekunde ist wertvoll, denn die Zeit, um idealerweise auf seine aufgestellten 204,8 Punkte zu kommen, ist knapp bemessen. Jeder Wackler bringt Abzüge.

Sein 3000 Euro teures Kunstrad mit dem Sattel aus Naturleder ist für Simon Halter mehr Arbeitsgerät als Freund. „Ich bin ein logischer Typ“, sagt der Schüler mit Leistungskursen Mathematik, Physik und Sport. Nach jedem Transport werden alle Details am Rad durchgeschaut, jede Veränderung wirkt sich aus. Für Anpassungen bleibt kaum Zeit. Alles muss stimmig sein – für den Moment, wenn die ersten Klänge der Filmmusik aus seiner Box kommen.

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