Rollstuhltennis-Spielerin Vanessa Pelzer sagt: "Ich möchte durch den Sport andere erreichen"
Seit 2017 sitzt Vanessa Pelzer im Rollstuhl. Nun hat sie entdeckt, wie wichtig Sport für Inklusion sein kann. Vor einiger Zeit hat sie bei der TSG Öhringen mit dem Rollstuhltennis begonnen. Ihre Erfahrungen schildert die 31-Jährige im Interview.

Die Anstrengung ist ihr deutlich anzusehen. Schließlich ist es gar nicht so einfach, den Rollstuhl schnell über den Teppichbelag in der Öhringer Tennishalle zu bewegen. Noch dazu kommen die ungewohnten Abläufe. Denn die Neuensteinerin Vanessa Pelzer, die seit einem Motorradunfall im Jahr 2017 querschnittsgelähmt ist, hat erst wenige Trainingseinheiten im Rollstuhltennis hinter sich. Aber der ehemaligen Landesliga-Fußballerin und Kämpfernatur hilft der Sport dabei, sich besser an ihr neues Leben zu gewöhnen, und noch dazu will sie Menschen mit und ohne Handicap motivieren, gemeinsam Sport zu treiben.
Frau Pelzer, wie fühlen Sie sich jetzt nach der Trainingseinheit?
Vanessa Pelzer: Ich bin happy! Auch wenn die Arme brennen, die Schultern zwicken, ist es gleichzeitig mega schön, den Körper durch die Anstrengung wieder positiv zu spüren. Ich bin stolz darauf, wieder so aktiv einen Sport betreiben zu können.
Sie haben in Satteldorf Fußball gespielt. Wie sind Sie zum Rollstuhltennis gekommen?
Pelzer: Ich habe im Internet nach paralympischen Sportarten recherchiert und überlegt, was zu mir passen könnte. Rollstuhltennis hat mich von Anfang an fasziniert.
Was hat sie am Tennis fasziniert?
Pelzer: Ich war im Fußball schon immer eine Teamplayerin. Jetzt, nach dem Unfall und im Rollstuhl sitzend, will ich für mich wieder erfolgreich sein. Ich möchte mir und auch meinem Umfeld etwas beweisen und wieder aktiv im Vereinssport sein. Das motiviert, und der Sport hilft auch ungemein bei der Inklusion und der sozialen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Haben Sie auch andere Sportarten ausprobiert?
Pelzer: In der Rehaphase habe ich einiges ausprobiert, ja. Bogenschießen zum Beispiel hat mir sehr viel Spaß gemacht, aber für mich ist es eher entspannend. Ich bin allerdings jemand, der sich bewegen muss und auspowern will. Mit viel Bewegung und Intensiv-Rehamaßnahmen habe ich 40 Kilo abgenommen, und Tennis hilft, mich weiter gesund und fit zu halten.
Was ist 2017 passiert?
Pelzer: Am Morgen des 31. März 2017 bin ich mit dem Motorrad in die Meisterschule nach Heilbronn gefahren. Da hat ein Auto bei Untergruppenbach über mehrere Spuren gewendet und mich übersehen, ich hatte keine Chance auszuweichen. Danach war ich dann das restliche Jahr 2017 im Krankenhaus und Anfang 2018 nochmal für einen Aufenthalt, da ich mir in der Intensiv-Reha eine Fraktur am Sprunggelenk zugezogen hatte. Dennoch wurde mein Wille nicht gebrochen weiterzumachen.
Wie ging es Ihnen in dieser Zeit?
Pelzer: Ein Auf und Ab der Gefühle, würde ich sagen. Das Leben ist von heute auf morgen ein anderes, und das zu realisieren, dauert schon seine Zeit. Dennoch habe ich mir von Anfang an immer gesagt, dass ich niemals aufgeben werde, das Laufen wieder zu lernen, und gleichzeitig habe ich mir vorgenommen, mir wieder ein unabhängiges Leben trotz Rollstuhl aufzubauen, was ich auch geschafft habe und worauf ich stolz bin. Schlimm war es allerdings, mein Zuhause und meine Eltern verlassen zu müssen auf Grund der neuen körperlichen Umstände.
Aber Sie haben dann aus dem Krankenhaus Ihr neues Zuhause gefunden ...
Pelzer: Ja, ich habe vorher bei meinen Eltern und meinem Bruder in Ellrichshausen gelebt. Ein Einfamilienhaus, ich habe unterm Dach gewohnt, meine Eltern im Erdgeschoss und mein Bruder im Keller. Da wäre ich mit dem Rollstuhl nicht mehr ohne Hilfe zurechtgekommen. Da fand ich dann die schöne barrierefreie Wohnung in Neuenstein und war froh, aus dem Krankenhaus zu kommen und dort neu anzufangen.
Und wie sieht es beruflich aus?
Pelzer: Als Metallerin oder Vertreterin kann ich nicht mehr arbeiten aktuell, deshalb habe ich mich umorientiert und studiere die traditionelle europäische Medizin. Vielleicht werde ich ja auch mal Profitennisspielerin (lacht).
Warum finden Sie Sport für Menschen mit und ohne Handicap so wichtig?
Pelzer: Weil Sport Menschen schon immer verbindet und fit hält. Es ist egal, ob man mit zwei gesunden Beinen über den Platz rennt oder mit vier Rollen unterm Po sportlich unterwegs ist, wenn man mit Herz, Leidenschaft und Spaß dabei ist, spürt man kein Handicap. Da kommt es dann auf den Sport an, und so kann man die Menschen wieder mehr zusammenbringen. Deshalb sollten viel mehr Menschen mit Handicap sich trauen und einen Sport ausüben.
Und wo kann der (Tennis-)Sport da ansetzen?
Pelzer: Auch wenn Tennis ein Individualsport ist, kann man so viel inklusiv machen. Das Vereinsleben gibt einem viele Möglichkeiten, sich auszutauschen und Lehrer sowie Gelehrter zugleich zu sein. Das Schönste, was passieren kann, ist, wenn ich im Sommer draußen Tennis spiele, ein paar Leute zuschauen und ich so andere zum Sport animieren und begeistern kann. Perfekt ist es dann, wenn ich vom Gegner noch was gelernt habe, egal ob Handicap oder nicht.
Um etwaige Berührungsängste überwinden zu helfen: Wie kamen Sie zur TSG Öhringen?
Pelzer: Ich habe über die Homepage des Vereins bei meinem Trainer Heiko Ortwein angefragt, ob er sich vorstellen könnte, mit mir gemeinsam das Projekt Rollstuhltennis zu starten. Er zögerte nicht, und durch seine Schulungsvorkenntnisse zum Thema haben wir gleich dieselbe Sprache gesprochen und haben losgelegt.
So einfach ging es also?
Pelzer: Ja, man darf einfach keine Scheu haben. Heiko und ich haben uns dann zusammengesetzt und alles erstmal besprochen. Er muss auch eingreifen können, wenn etwas passiert, wenn ich zum Beispiel umkippe mit meinem normalen Aktivrolli. Sportrollis sind da viel sicherer. Man muss nur lange auf einen warten.
Sie sind also momentan die einzige Rollstuhltennisspielerin bei der TSG. Da gibt es doch sicher noch Potenzial ...
Pelzer: Ich denke, auch die Sportvereine sollten sich überlegen, Inklusionstage anzubieten, wo Menschen mit Handicap einfach hinkommen können und man ganz ohne Berührungsängste gemeinsam einen schönen sportlichen Tag erlebt. Gerade bei Kindern mit und ohne Handicap kann Sport viel bewirken, das ist genau das, was man durch den Tennis-Sport inklusiv erreichen kann und sollte. Die Menschen müssen Umdenken und aus veraltetem Denken raus.
Aber es kostet auch Geld. Wie gehen Sie damit um?
Pelzer: Sport für Menschen mit Handicap müsste allgemein noch mehr gefördert werden. Ein super Beispiel hierfür ist die Gold-Krämer-Stiftung mit dem Motto "Tennis für alle". In Kooperation mit dem DTB machen die da schon sehr viel. Ich habe mit vielen Rollifahrern gesprochen, viele können sich die Unkosten nicht leisten, welche eben bei jedem Sport anfallen. Ich hatte viel Glück, es war ein Wegeunfall bei mir, und somit habe ich die Berufsgenossenschaft im Rücken. Sonst wäre das alles nicht möglich. Ich denke, es gibt genügend Menschen im Rollstuhl, die gerne mehr machen würden, es aber nicht können. Vor allem aus finanziellen Gründen und unbegründeten Berührungsängsten.
Im Moment beschränkt sich Ihre Erfahrung im Rollstuhltennis auf Trainerstunden. Wie könnte es weiter gehen?
Pelzer: Ich würde am liebsten im nächsten Jahr schon beginnen, an Turnieren teilzunehmen. An kleinen, die es neben internationalen Meisterschaften wie Welt-, Europameisterschaften oder Paralympics auch gibt. Mir geht es darum, meine eigene Leistung abzurufen. Nur dann kann ich besser werden. Das macht den Wettkampf aus. Vielleicht darf ich mich in ein paar Jahren mit den großen Rolli-Sportlern messen.