"Multifunktionär" Michael Knobloch: "Eigentlich geht es darum, ein guter Mensch zu sein – oder zu werden"
Michael Knobloch ist Lehrer und Ehrenamtler aus Leidenschaft. Im Montagsinterview erzählt er unter anderem, warum es Wichtigeres als Noten und Wettkämpfe gibt und wie er dem Mitgliederschwund in Vereinen vorbeugen würde.

Wer dieser Tage einen Termin mit Michael Knobloch finden möchte, der benötigt schon ein gewisses Maß an Flexibilität. Denn der Terminplan des Karate-Abteilungsleiters des SV Heilbronn am Leinbach ist voll; der Lehrer für Mathematik und Chemie steckt darüber hinaus zurzeit in den Abiturvorbereitungen. Für ein Gespräch mit der Heilbronner Stimme hat er sich dennoch Zeit genommen. Im Interview spricht der 36-Jährige über ehrenamtliches Engagement, seine Freude an der Arbeit mit Kindern sowie Jugendlichen und über die Zukunft des Vereinslebens.
Verbandsvorsitzender, Abteilungsleiter, Trainer, Kampfrichter, Prüfer, (Verbindungs-)Lehrer, Personalratsvorsitzender, Ehemann, Vater - Sind Sie ein Tausendsassa, Herr Knobloch?
Michael Knobloch: (Überlegt) Das wäre schon denkbar, ja. Ein Kampfrichterkollege von mir aus Niedersachsen nennt sich Multifunktionär, vielleicht geht es in diese Richtung. Aber klar, sinngemäß kommt "Tausendsassa" schon hin.
Aber auch Ihr Tag hat nur 24 Stunden. Wie finden Sie für alle diese Engagements, den Beruf und das Privatleben jeweils genug Zeit?
Knobloch: Das ist eine sehr gute Frage, ich weiß es auch nicht so richtig. (Lacht) Man muss ehrlich sagen: Ich mache zu viel. Mir liegen aber viele Dinge so sehr am Herzen, dass ich mich von ihnen nicht oder noch nicht trennen kann. Das Privatleben leidet schon darunter; meine Frau ist sehr geduldig mit mir. Man muss priorisieren, versuchen, Aufgaben an andere weiterzugeben, und sich effektiv zu organisieren. Das sind aber alles Handlungsbereiche, in denen ich noch großen Verbesserungsbedarf bei mir sehe. (Lacht)
Sie waren von 2002 bis 2004 im Heilbronner Jugendgemeinderat aktiv, zeitweise auch dessen Vorsitzender. Woher kommt seit jeher dieser Wille zum Engagement?
Knobloch: Ich habe mich schon als Kind und Jugendlicher im Verein immer richtig gut aufgehoben gefühlt, habe sehr viele Trainer, Helfer und Funktionäre kennengelernt, die sich uneigennützig und mit viel Engagement für den Verein und damit letzten Endes auch für mich eingesetzt haben. Das ist bei mir hängengeblieben.
Welchen Stellenwert hat das Ehrenamt in Ihrem Leben?
Knobloch: Ich halte es nicht nur für meine, sondern für eine gesellschaftliche Aufgabe, dass jeder seinen Anteil beiträgt. Die sportpolitischen Ämter sind letzten Endes das notwendige Übel. Denn wenn Sport funktionieren soll, dann benötigt man eine Halle, dann muss etwas organisiert werden, dann müssen die Gelder stimmen. Diese Notwendigkeit habe ich ebenso erkannt wie die Tatsache, dass nicht jeder darauf Lust hat. Eigentlich stehe ich trotzdem immer noch lieber in der Halle, als dass ich an einer Sitzung teilnehme. Aber ohne das eine, funktioniert das andere nun mal nicht mehr.
Würden Sie sich angesichts all dieser Engagements als besonders selbstlos bezeichnen?
Knobloch: Nein, das würde ich nicht sagen.
Aber das Ehrenamt ist doch - auch wenn man sicherlich viel zurückbekommt - in gewisser Weise immer auch Verzicht, oder nicht?
Knobloch: Der Begriff "selbstlos" ist aber etwas unpassend, denn ich leide in keinster Weise unter den Engagements. Ich mache das gerne, mir gibt das ein gutes Gefühl, und vielleicht brauche ich diese besondere Rolle, dieses sich Einsetzen sogar ein bisschen.
Wandelt jemand wie Sie also eher auf einer Grenze zwischen Selbstlosigkeit und Geltungsbedürfnis?
Knobloch: Ich glaube, das muss man so sagen, ja. (Lacht)
Was kann ein Einzelner dabei überhaupt bewirken? Denn gerade im Verein ist ja auch neben dem Platz häufig Teamarbeit gefragt.
Knobloch: Man muss das Engagement über längere Zeiträume und letzten Endes global betrachten: So wie ich durch viele Menschen geprägt wurde und gute Erfahrungen gemacht habe, versuche ich nun einen Teil dessen wieder weiterzugeben. Außerdem kann jeder immer einen kleinen Beitrag leisten. Wenn jeder einen kleinen Stein mit auf den Berg legt, dann wächst der irgendwann auch.
Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Einsatz auf fruchtbaren Boden fällt?
Knobloch: Tatsächlich habe ich den Eindruck, dass ich den einen oder anderen inspiriere, sich einzubringen. Ich glaube, ich habe mich viel eingesetzt, habe aber auch viel zurückbekommen - von Kindern, die man trainiert hat, genauso wie von ehemaligen Schülern.
Sie arbeiten viel mit jungen Menschen - im Verein und im Beruf. Was möchten Sie ihnen über das Sport- und Fachliche hinaus vermitteln?
Knobloch: Eigentlich geht es darum, ein guter Mensch zu sein - oder zu werden. Das ist der große Gedanke dahinter. Seine Fähigkeiten nicht nur für sich, sondern für die Gesellschaft einzubringen, etwas zurückzugeben und respektvoll miteinander umzugehen. Mir tat schon immer gut, wenn man diesen Reifeprozess begleiten kann. Das macht mir Freunde.
Was macht Ihnen daran besonders Spaß?
Knobloch: Um in der Schule zu bleiben: Ich werde - nach aktueller Erfahrung - bei den wenigsten Schülern herausragende mathematische Begeisterung wecken können. Aber darum geht es nur in einem gewissen Maße. Wichtig ist die Offenheit, sich auf neue Dinge, auf andere Denkstrukturen einzulassen. Es ist auch eine Art geistige Schule.
Hat sich in all den Jahren im Ehrenamt etwas verändert?
Knobloch: Verändert hat sich sicherlich etwas, hauptsächlich ich mich selbst. Ich bin älter geworden, bei mir haben sich Lebenssituationen und Prioritäten komplett verändert. Ich habe früher an Heiligabend Training angeboten, weil es mir so wichtig war, und die Leute kamen zum Training, weil es ihnen auch wichtig war ... Würde ich heute nicht mehr machen; meine Frau würde mir auch - zu Recht - aufs Dach steigen.
Und über das Persönliche hinaus?
Knobloch: Was viele sehen, das sehe ich schon auch. Ich habe bei uns im Hauptverein und in der Abteilung auch wahrgenommen, dass sich vieles verändert hat. Es fällt teilweise schwer, Engagement und Freiwilligkeit zu finden. Es ist mitunter auch die Angst vor Verantwortung, wenn man Dinge wie die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung, Anm. d. Red.) betrachtet und bedenkt, was man alles nicht machen darf, nicht machen soll und dokumentieren muss. Diese Dinge haben alle ihre Berechtigung, machen aber demjenigen, der einfach nur im Training eine Gruppe anleiten möchte, das Leben schwer.
Vereine beklagen zunehmend, dass sich Kinder und Jugendliche aufgrund von Ganztagsunterricht und veränderter Freizeitgestaltung vom Vereinsleben abwenden. Als Lehrer und Vereinsfunktionär: Können Sie diesen Gordischen Knoten lösen?
Knobloch: Ich hätte natürlich sehr gerne die Lösung, aber ich habe sie nicht. (Lacht) Es gibt so viele Vereine mit kompetenten Leuten und guten Strukturen - die darf man in meinen Augen nicht zerstören, sondern muss sie eigentlich schützen und unterstützen. Was den Jugend- und Mitgliederschwund angeht, habe ich eine Vision. Aber ob die erfolgversprechend ist, weiß ich nicht.
Erzählen Sie!
Knobloch: Die Kinder müssen sich wohl und wertgeschätzt fühlen. Und natürlich müssen sie an dem, was sie dort machen, Vergnügen haben und für sich Perspektiven sehen. Ich denke, dann kommen sie gerne und kommen später vielleicht auch gerne zurück. Bei uns im Verein gibt es Leute, die nach dem Studium wieder herkommen, weil sie selbst früher gute Erfahrungen in der Gemeinschaft gemacht haben. Ich glaube, dieser menschliche Aspekt hält die Menschen nah am Verein.
Michael Knobloch (36) ist in Frankenbach aufgewachsen und zog nach Abitur und Zivildienst nach Eppingen, um in Karlsruhe Mathematik und Chemie zu studieren. 2010 wurde er deutscher Karate-Hochschulmeister, blieb dem Sport als Abteilungsleiter sowie Trainer beim SV Heilbronn treu und ist Vorsitzender des Goju-Ryu Karateverbandes Baden-Württemberg. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und fünf Kindern im Rems-Murr-Kreis.