Jaroslawa Mahutschichs besonderes Heimspiel in Heilbronn
Die ukrainische Europameisterin und Olympia-Dritte startet bei Hochsprung Heilbronn, hat einen Zweitwohnsitz in Eberstadt und eine klare Meinung zum Krieg in ihrer Heimat.

Über Heimat und die Gefühle, die dieses Wort in ihr auslösen, spricht Jaroslawa Mahutschich immer wieder. Direkt. Indirekt. Unter Tränen. Lachend. Mal stolz, mal mit Wucht und Wut in der Stimme. Die 21-Jährige ist Hochspringerin vom Format absolute Weltklasse. Doch seit dem Einmarsch der Russen in ihre Heimat, die Ukraine, ist die junge Frau aus Dnipro im Zentrum des Landes noch mehr: Eine Athletin, in deren Seele der Krieg Spuren hinterlässt, weil sie nicht mehr zu Hause leben und trainieren kann. Und eine hochspringende Botschafterin, die ihre Höhen und Medaillen als Zeichen an die Welt nutzt, "dass das ukrainische Volk niemals aufgibt".
Bei Hochsprung Heilbronn am 5. August wird Jaroslawa Mahutschich springen. Sie zählt neben der Australierin Eleanor Patterson zu den Favoritinnen. Weil sie allein in dieser Freiluftsaison bereits drei Mal über die zwei Meter gesprungen ist und die Weltrangliste anführt. Die Hallenweltmeisterin hat auf dem Marktplatz in Heilbronn sogar ein Heimspiel. Weil sie in diesen wirren und irren Kriegszeiten einen Ort gefunden hat, wo sie stets willkommen ist: in Eberstadt. Dort, wo Jaroslawa Mahutschich schon als 16-Jährige beim weltbekannten Hochsprung-Meeting dabei gewesen ist, haben sie, ihre Trainerin Tatjana Stepanowa, deren Mann und Sohn seit einigen Monaten einen Zweitwohnsitz.
Nadia Kästle aus Vermittlerin
Weil der Kontakt zwischen der Vizeweltmeisterin und Nadia Kästle nie abgerissen ist. Kennengelernt haben sie sich einst rund um das Meeting am Fuße des Eberfürsts, wo die Belarussin aus Hölzern für die russischen und ukrainischen Athleten viele Jahre übersetzt hat. Nadia Kästle vermittelt auch für Jaroslawa Mahutschich, kümmert sich darum, dass mit den Behörden alles klappt. Und sie hier zwischendurch einen Ruhepol findet. Oft ist die ukrainische Sportlerin des Jahres jedoch nicht in der Region.
Es ist Saison. Hochsaison. Was bedeutet, der Tross tingelt umher. Zuletzt bei der Team-EM in Polen oder den Diamond-League-Meetings in Lausanne und Monte Carlo. Davor mal ein Aufenthalt in Belgien oder dazwischen bei ihrem Sportausrüster in Herzogenaurach. Auch beim 80. Geburtstag von Peter Schramm, dem Gründer des Eberstädter Meetings, ist Jaroslawa Mahutschich Ende März nicht unter den Gästen, sendet allerdings von unterwegs via Videobotschaft ihre Glückwünsche.
Viele Freunde in Heilbronn, schnelle Zusage
"Jaroslawa hat sehr viele Freunde in Eberstadt und Heilbronn", sagt Günter Eisinger, über Jahrzehnte hinweg Athletenmanager in Eberstadt und nun auch der Mann, der beim Premierenspringen von Hochsprung Heilbronn die Aktiven verpflichtet. "Sie hat schnell zugesagt", meint der Hesse lächelnd.
Gut möglich, dass Jaroslawa Mahutschich auch auf dem Heilbronner Marktplatz ihre Augen auf besondere Weise betont: Mit Eyelinern in den Nationalfarben Gelb und Blau. Ihre Art den Nationalstolz öffentlich zu demonstrieren. "Wir sind ein starkes Volk", sagt Tatjana Stepanowa zu "DW", "wir wollen zeigen, dass wir gewinnen können - nicht nur im Sport, auch im Krieg." Das gilt auch für ihre Athletin.
Mahutschich: Unmöglich, dass Russen teilnehmen
Immer wieder artikuliert Jaroslawa Mahutschich ihre Haltung. "Ich möchte nach Hause gehen und dort ein gutes Leben ohne Russen führen", sagt sie. Noch klarer wird sie, wenn es um die Debatte geht, ob das IOC russische Athleten auf internationaler Ebene wieder zulässt. "Wie viele russischen Sportler haben sich über den Krieg und die Tötung von Menschen in der Ukraine geäußert? In der Leichtathletik niemand", sagt Mahutschich. "Sie sollten verstehen, dass Menschen getötet werden. Einige haben nicht die Möglichkeit an Olympischen Spielen teilzunehmen, weil sie im Krieg gestorben sind. Es ist unmöglich, dass Russen teilnehmen, ehe der Krieg beendet ist und die Ukraine ihr gesamtes Gebiet zurückerhält."
In Heilbronn sind - gemäß den Vorgaben des Weltverbandes - keine russischen Athleten eingeladen.