Dieser Triathlet leistete Erste Hilfe und wurde Letzter
Als sein Konkurrent vom Rad stürzte, leistete der Ingelfinger Triathlet Manuel Retzbach Erste Hilfe - und fuhr danach als Letzter ins Ziel. Nun steht er beim SWR zur Wahl als Sportheld 2018.

Diesen Tag wird Manuel Retzbach so schnell nicht mehr vergessen. Es war der 18. Juli 2018. Mit seinen Mannschaftskameraden von Tricon Schwäbisch Hall hatte sich der in Westernhausen aufgewachsene Triathlet zum Qualifikations-Wettkampf nach Blankenloch zum Stutensee-Triathlon aufgemacht. Es ging zur Zwischenrunde um den Aufstieg von der Landes- in die Baden-Württemberg-Liga.
Retzbach gibt zu: "Wir hatten eigentlich keine Chance, wollten aber einfach dabei sein. Der Olympische Gedanke zählte." Für ihn standen am Ende ganz andere Gedanken: Fairness und Hilfsbereitschaft.
Bei der Gala des Baden-Württembergischen Triathlon-Verbands wurde er Mitte Oktober mit dem Fair-Play-Preis ausgezeichnet. Beim SWR steht er für sein uneigennütziges Verhalten als "Sportheld 2018" noch bis zum 22. Dezember zur Wahl. Abgestimmt werden kann über die Homepage des SWR.
Was war passiert?
Retzbach war in einer der letzten Gruppen nach dem Schwimmen über 750 Meter aus dem See gestiegen und befand sich gerade auf der 20 Kilometer langen Radstrecke. "Es war eine gerade Strecke. Ich befand mich in einer Gruppe auf den ersten Kilometern", schildert Retzbach.
Da sah er einige hundert Meter entfernt den Sturz eines Konkurrenten. "Ich habe eine Person und ein Rad durch die Luft fliegen sehen. Es war vielleicht noch eine bis eineinhalb Minuten bis zur Unfallstelle. Ich sagte noch vor mich hin 'das hat weh getan'." Je näher Retzbach an die Unfallstelle kam, desto mehr nahm er das Tempo raus und hielt schließlich an. Als einziger Athlet aus der Gruppe. Es war eine intuitive Entscheidung.
Retzbach wusste zuerst auch nicht, was er tun sollte

"Im Nachhinein erfüllt es mich auch mit stolz, so gehandelt zu haben. Ich bin überrascht, wie es jetzt auch honoriert wurde." Ein Motorradfahrer war auch schon vor Ort und hatte angehalten. "Er wusste aber nicht, was er tun sollte", erzählt Retzbach.
Also gab er die Anweisungen, sagte dem anderen Ersthelfer, er solle einen Notruf absetzen und die Strecke absichern. "Die Initiative zu ergreifen, als erster dann auch anzuhalten, ist schon eine besondere Situation. Ich glaube, das ist tatsächlich ein Bauchgefühl. Entweder man macht's oder auch nicht", sagt Unfallopfer Klumpp später.
Matthias Klumpp war verletzt an Rippen, Lunge und Schlüsselbein
Retzbach machte es, setzte sich zu dem schwer verletzten Konkurrenten, versuchte so gut es geht zu helfen. "Ich habe nur erkannt, dass er einige Schürfwunden hat und die Schulter herunterhängt, was auf einen Schlüsselbeinbruch hindeutete." Hinterher stellte sich heraus, dass sich Matthias Klumpp, einer der besten deutschen Triathleten der 1990er Jahre, acht Rippenbrüche, eine gequetschte Lunge sowie einen mehrfachen Schlüsselbeinbruch zugezogen hatte. Eine Nacht musste er gar auf der Intensivstation zubringen.
Das weiß Retzbach zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auch nicht, dass er sich um den ersten deutschen Europameister (1995) und Zehnten beim Ironman auf Hawaii (1996) kümmerte. "Ich habe seinen Kopf auf meinen Oberschenkel gelegt und ihm gut zugeredet", sagt Retzbach. Dabei wartete er auf das Eintreffen des Notarztwagens und der Sanitäter.
Retzbach wurde Letzter
"Ich bin relativ dumpf auf den Asphalt aufgeschlagen und bin wie ein Häufchen Elend dagelegen", sagt Matthias Klumpp in einem Beitrag des SWR. "Es hört sich vielleicht etwas übertrieben an, aber wie ein Engel praktisch, der da gut auf einen einredet."
Nachdem die Sanitäter eingetroffen sind, entscheidet sich Retzbach, den Wettkampf zu Ende zu bringen. Fährt die restlichen Radkilometer und absolviert den abschließenden Fünf-Kilometer-Lauf. Er wird Letzter. Seine Mannschaft auch. Das war aber egal. Denn er konnte mit einem guten Gefühl finishen.
Im Ziel bedankt sich Klumpps Sohn bei Retzbach. Der 50-Jährige selbst sucht über den Verband Kontakt mit seinem Ersthelfer, lädt ihn zu sich nach Hause ein. Dort, in Pfullingen, entstand dann auch der Filmbeitrag des SWR.
Für die Mannschaft von Tricon Schwäbisch Hall verlief der Wettkampf insgesamt chaotisch. Durch Anreise-Probleme schafften es die Athleten gerade so zum Einchecken in den beiden Wechselzonen. Kurz vor dem Start erst waren sie am See. Die Folge waren Zeitstrafen, die teilweise vergessen wurden abzusitzen.