Der Plan des Neckar-Cup-Siegers 2024: Erst der Dschungel, dann der Siegerpokal
Der Inder Sumit Nagal ringt im Finale des 10. Heilbronner Neckar-Cups Alexander Ritschard in drei Sätzen nieder. Der Turniersieg hat Folgen für seine Flugplanung.

Sascha Nensel war der stille Genießer im Hintergrund. Der 54-jährige ehemalige Tennisprofi aus Peine strahlte und schwärmte. Von seinem Schützling und dem Heilbronner Neckar-Cup: "Das gibt es bei keinem anderen Turnier auf der Welt, dass man einfach vom Tennisplatz durch die Weinberge hinauf in den Wald gehen kann."
Mit Sumit Nagal war er am verregneten Sonntag vor einer Woche eine genussvolle Stunde Durchschnaufen im "Jungle", wie der 26-jährige Inder mit einem Lächeln erzählte. Ja, Heilbronn gefalle ihm. Was natürlich auch damit zu tun hat, dass er eine Woche nach dem Dschungel-Trip auf dem Center Court triumphierte, das epische Finale der 10. Auflage des Neckar-Cups gegen den Schweizer Alexander Ritschard gewann und in der am Montag erscheinenden Weltrangliste so gut dasteht wie noch nie, ziemlich sicher auf Platz 77.
Der Oberbürgermeister sieht viel Drama
"Jetzt ist eh schon alles egal, ich verpasse ohnehin mein Flugzeug in Frankfurt", sagte der seit zehn Jahren im niedersächsischen Peine lebende und trainierende Inder und nahm sich Zeit fürs Sieger-Interview. Zwei Stunden und 41 Minuten benötigte er zuvor für den 6:1, 6:7 (5:7), 6:3-Kraftakt gegen den wehrhaften Eidgenossen. "Das war heute echt hart", seufzte der beste Einzelspieler Indiens. Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel hatte ein "dramatisches, hochklassiges und abwechslungsreiches Endspiel" gesehen. Mit einem Traumstart für Sumit Nagal.

6:1 - so eindeutig war der erste Satz in einem Neckar-Cup-Finale nur 2015 beim Sieg von Alexander Zverev. "Da hat Sumit mir in den Hintern getreten", sagte Alexander Ritschard, der seinen größten Titelgewinn am Ende knapp verpasste - der 30-Jährige wäre der älteste Neckar-Cup-Sieger gewesen, Nagal ist mit seinen 26 der zweitälteste (nur der Serbe Filip Krajinovic war bei seinem zweiten Triumph am Trappensee mit 27 noch etwas reifer).
Nagal wurde im Finale von seinem Coach unterstützt, Ritschard von seiner Freundin. Nagal war emotional, Ritschard cool wie ein Schweizer Gletscher. Obwohl er am Samstag mit seinem Sieg im Halbfinale gehadert hatte. 6:3, 5:1 hatte der gebürtige Zürcher geführt - und dann Muffensausen bekommen. Am Ende war es ein zittriger 6:3, 6:7 (7:9), 6:4-Sieg gegen den Briten Jan Choinski geworden. Ähnlich war es am Sonntag bei Sumit Nagal. "Er hatte Angst, das Match zuzumachen", urteilte Sascha Nensel, der seit fünf Jahren mit dem Mann aus Jhajjar zusammenarbeitet.
Auch das Glück ist auf seiner Seite
Nagal hatte am Samstag vor ebenfalls mit 1000 Zuschauern ausverkauftem Haus ein begeisterndes Match gegen den Franzosen Luca Van Assche mit 6:2, 7:6 (7:5) gewonnen. "Der Schlüssel war ehrlicherweise das Glück, das ich am Ende hatte", sagte der Inder auf Englisch. Ein Selfiejäger fragte nach dem Match, ob Nagal Deutsch spreche. "Leider nein", sagte Nagal auf Deutsch und strahlte mit dem Zuschauer ins Smartphone. Sascha Nensel sagte mit einem Grinsen: "Sumit ist sehr ausgeglichen - wenn er nicht auf dem Platz steht."
Der Inder hatte im September mit einem Interview für weltweites Aufsehen gesorgt. Der indischen Nachrichtenagentur PTI sagte er: "Wenn ich auf mein Bankkonto schaue, sind da nur 900 Euro. Genauso viel, wie zu Beginn des Jahres." Schließlich gelte es, seinen Trainer, die Reisen zu bezahlen. "Es war gut, dass Sumit für das Thema sensibilisiert hat", sagte Sascha Nensel nun in Heilbronn.
Nach Nagals Hüft-Operation geht es bergauf, wie zwei Premieren belegen: Erst der Challenger-Sieg in Chennai, seiner Heimat, jetzt der Coup von Heilbronn. "Deutschland ist meine zweite Heimat", sagte Sumit Nagal mehrmals in der Turnierwoche. Dass sich seine erste und seine zweite Heimat von Freitag bis Sonntag getroffen hatten, das bekam er nicht mit: Auf der Theresienwiese fand das "Indien in Heilbronn Festival" statt: "Echt? Davon habe ich nichts mitbekommen." Zeit fürs Feiern war auch nicht ("Vielleicht kurz bei McDonalds"). Es geht weiter nach Italien, zu den Challengern in Perugia und Sassuolo. Weinberge direkt hinter den Tennisplätzen und einen Dschungel gibt es dort nicht.