Der neue Golf-Weltmeister der Gehörlosen kommt aus Zweiflingen
Der Zweiflinger Nico Guldan ist Gehörlosen-Weltmeister auf Hawaii geworden. Bis zur B-Jugend hat der Hohenloher in Michelbach/Wald Fußball gespielt.

Golden prangt der Schriftzug an der anthrazitfarbenen Tür. Weltmeisterschmiede steht über dem Bullauge. Es ist ein Aufkleber, bestellt an einem Glückstag im Oktober. Und doch mehr. Ein Ausdruck von Stolz - ohne Anflug von Überheblichkeit. Ein Symbol für effiziente Einheiten - kein Prahlen nach einer Erfolgsgeschichte. Ein Lohn für harte Arbeit zweier Männer.
"Ich finde es lustig", sagt Nico Guldan und meint den Schriftzug über dem Eingang in das Reich seines Trainers Sebastian Kübler. Auf der hawaiianischen Insel Kauai ist der 23-Jährige vom Golf-Club Heilbronn-Hohenlohe mit 285 Schlägen, drei unter Par, Weltmeister geworden.

Eine Goldmedaille baumelt Nico Guldan im Oktober nicht um den Hals. Er erhält den Wanderpokal und eine geschnitzte Holzplatte mit dem Umriss der Insel. "Eine besondere Idee des Veranstalters", sagt der Zweiflinger, "trotzdem hat es sich gut angefühlt". Weltmeister!
Viele gratulieren dem Eigengewächs, nicht nur Vereinsmitglieder, die sein Foto im Foyer des Clubhauses in Friedrichsruhe registrieren. Auch Sebastian Kübler erhält Glückwünsche, doch bescheiden rückt er den Athleten ins Licht, nicht ihre wochenlange akribische Vorarbeit. Wie schlage ich bei starkem, drehendem Wind? Wie reagiere ich auf die andere Grassorte im Wailua Golf Course?
Schnelle Verbesserung nach dem Schnupperkurs
Nico Guldan erzählt witzig, ist charmant, antwortet ausführlich. Unwissende überrascht: Der Hohenloher, der bis zur B-Jugend Fußball in Michelbach/Wald spielt, dann mit 13 einen Schnupperkurs macht, mit 14 die Platzreife und sein Handicap binnen einer Saison von 33 auf 7,7 verbessert, ist gehörlos. Neben seinem Einzel-Titel wird er mit der deutschen Gehörlosen-Nationalmannschaft bei der WM hinter den USA und Kanada zudem Dritter.
"Meine Familie und ich mussten nie Gebärden lernen", sagt Nico Guldan, "mein erstes Implantat habe ich mit 18 Monaten bekommen. Zwar habe ich etwas später gesprochen als andere Kinder, aber das habe ich nachgeholt." Die Hörprothese, das Cochlea Implantat (CI), übernimmt die komplette Hörleistung. Das Besondere: Startet Nico Guldan bei den Gehörlosen, muss er der Gleichberechtigung wegen ohne sein CI spielen.
Die Unterschiede sind herausfordernd

Für den technischen Produktdesigner, der auch bei vielen Turnieren des Deutschen Golf-Verbandes gegen Hörende antritt, ist das herausfordernd. Denn: Windgeräusche wahrnehmen oder hören, ob ein Schlag weit geht, funktioniert so nicht mehr. "Wenn man die ganze Zeit hörend spielt und dann gehörlos, muss man mental fitter sein", sagt Nico Guldan, "weil es schwieriger ist sich zu konzentrieren. Man nimmt die Umgebung anders wahr, reagiert stets, wenn man im Augenwinkel etwas sieht und kämpft stets mit den Gedanken."
Emotionen, die einen Gewöhnungsprozess erfordern. Daher trainieren Nico Guldan und Sebastian Kübler vor der WM länger ohne CI - eine Lehre aus der Vorbereitung auf die Deaflympics, den vom IOC anerkannten Olympischen Spielen der Gehörlosen. Im brasilianischen Caxias do Sul wird der Hohenloher, der seit fast zwei Jahren mit einem Freund in einer WG in Öhringen wohnt, Vierter, nachdem er im Matchplay-Modus sein Halbfinale wie das Spiel um Platz drei verliert. "Das war bitter und fühlt sich ein bisschen blöd an", sagt Nico Guldan. Umso genussreicher ist knapp ein halbes Jahr später der WM-Titel.
Sein sportlicher Traum? "Gut Golf spielen", sagt der Mann mit Handicap -4 und grinst. Was banal klingt, ist doch so knifflig. Nico Guldan ist voll berufstätig, sitzt während der Saison häufig schon morgens um Sechs am Schreibtisch in Ingelfingen oder arbeitet im Winter, wenn andere Urlaub haben. Glücklicherweise hat er einen Chef mit Verständnis für seine Passion, darf nach zwei Arbeitstagen den Rest der Woche zu Turnieren reisen.
Beim Putten lässt sich noch was rausholen
In den Wintermonaten stehen Fitnessstudio, Laufen gehen und das Feilen an der Technik im Fokus. Im Sommer überwiegt die Arbeit auf dem Platz. "Wenn mir etwas nicht gefällt, sind es sieben mal in der Woche", sagt Nico Guldan. Er ist kritisch mit sich. Seine Schwäche? "Beim Putten wollen wir Gas geben, da können wir noch am meisten rausholen", meint Sebastian Kübler. Ihr Verhältnis ist über die Jahre gewachsen, fast freundschaftlich. "Nico ist ein ganz feiner Kerl, er hat ein Riesenherz."
In Heddesheim hat das Balltalent 2. Bundesliga gespielt, diese Saison ist Nico Guldan mit den Friedrichsruher Herren in die Oberliga aufgestiegen. Hier fühlt er sich wohl. Überhaupt hat es nie ernsthafte Überlegungen gegeben ins Profilager zu wechseln. Dazu hat Nico Guldan zu spät angefangen, nicht die obligaten Kader durchlaufen. Dann ist da noch eine Sache. "Ich bin nicht das Typ fürs ständige Reisen", sagt der dreimalige deutsche Gehörlosenmeister, der ein paar Turniere auf der untersten Profi-Tour gespielt hat.
Nico Guldan konzentriert sich auch 2023 lieber auf (internationale) Amateurturniere, das Gehörlosen-Nationalteam und sein Ziel, über die vier Runden noch konstanter zu werden. Dazu lockt ein Podestplatz, gerne darf es auch die oberste Stufe sein. Wie auf Hawaii.