Bei Handball-EM: "Alles andere als das Halbfinale wäre eine Enttäuschung"
Der ehemalige DHB-Präsident Bernhard Bauer spricht im Stimme-Interview über sein Erbe im Verband, die deutschen Chancen bei der EM und den Gastgeber Kroatien.

Im März 2015 trat Bernhard Bauer nach internen Differenzen als Präsident des Deutschen Handballbundes zurück. Eine klare Meinung hat der gebürtige Neckarsulmer behalten. Im Interview spricht der 67-Jährige über die EM-Aussichten der deutschen Nationalmannschaft, seine Zeit beim DHB und den Stellenwerts des Handballs in der Gesellschaft.
Herr Bauer, was verfolgen Sie am Samstag in einer Woche denn mit größerem Interesse - die Frauen-Bundesliga um die Neckarsulmer Handballerinnen, oder die EM-Hauptrunde in Kroatien?
Bernhard Bauer: (lacht) Natürlich beides sehr interessiert. Ich werde am 20. Januar beim Neckarsulmer Heimspiel wahrscheinlich in der Halle sein. Parallel werde ich mir aber natürlich auch die EM-Spiele der deutschen Mannschaft anschauen, ganz klar. Wenn sie in die Hauptrunde kommen, müssen sie ja glücklicherweise nicht samstags ran.
Und dass die Deutschen in die Hauptrunde kommen, ist in Vorrundengruppe C Pflicht?
Bauer: Alles andere als das Halbfinale wäre eine Enttäuschung. Vom Titel rede ich nicht - den kann man nicht vorhersagen. Aber wer in der deutschen Gruppe einen Durchmarsch erwartet, der hat vom Handball keine Ahnung. Die drei Gegner sind sehr stark, haben als Balkanländer zudem quasi Heimspiele vor sich. Deshalb muss die deutsche Mannschaft in jedem Spiel bis in die Haarspitzen motiviert sein. Die Qualität, um alle zu schlagen, ist da. Je nach Tagesform kann man aber auch gegen alle verlieren.
Von 2013 bis 2015 standen sie als Präsident an der Spitze des deutschen Handballbundes. Wie viel Bernhard Bauer steckt den heute noch im DHB?
Bauer: Wir haben damals gemeinsam die Grundlagen dafür geschaffen, dass die Mannschaften neue Strukturen bekommen. Ich denke, darauf kann man gut aufbauen und hat auch gut aufgebaut.
Wie wichtig sind dabei Funktionäre als Baumeister?
Bauer: Ich habe das damals gemacht, weil ich dem Handball etwas zurückgeben wollte, was er mir als Spieler gegeben hat. Manche Funktionäre sehen sich als zu wichtige Personen. Im Kern geht es aber eigentlich immer um das Spiel.
Wollten Sie nach ihrem Rücktritt Abstand, oder haben Sie die Entwicklung erst recht aufmerksam verfolgt?
Bauer: Wenn man im Handball aktiv war, dann kann man nie ganz Abstand gewinnen. Bei meinem Rücktritt ging es ja nicht um den Handball als solchen. Der Handball hat mich immer wieder fasziniert und fasziniert mich auch heute noch.
Bei der Frauen-WM in Deutschland waren Sie im Organisationskomitee aktiv. Was ist denn wichtig, damit dieses Faszination bei großen Turnieren transportiert wird?
Bauer: Zunächst einmal müssen die ganz normalen Hausaufgaben gemacht sein. Damit eine Organisation dann perfekt ist, braucht es eine große und frühzeitige Vorarbeit. In Deutschland hatten wir damit schon eineinhalb Jahre vor der WM begonnen. Auch bei Kroatien mache ich mir da keine Sorgen. Ich denke, die werden eine perfekte Europameisterschaft abliefern. Handball hat dort eine lange Tradition. Die Kroaten haben große Leidenschaft, aber eben auch große Kenntnis bei solchen Turnieren.
Große Tradition hat Handball auch in Deutschland. Die Leidenschaft im Umfeld scheint aber oftmals etwas zu fehlen, oder?
Bauer: Ein Land wie Deutschland, das wirtschaftlich stark ist und zudem den größten Handballverband der Welt stellt, muss sich natürlich auch international entsprechend aufstellen. Deutschland muss zeigen, dass es bereit ist, internationale Wettbewerbe durchzuführen. Das muss man noch viel stärker machen. Das erwarten andere Länder von uns. Das erwarten aber auch die Zuschauer hier in Deutschland.
Die diesmal im Vergleich zur vergangenen EM auch wirklich am Fernsehen zuschauen können. Wie wichtig ist dieser Fortschritt?
Bauer: Für den Handball, der natürlich immer im Schatten des Fußballs stehen wird, sind Übertragungen im frei empfangbaren Fernsehen überlebenswichtig. Nur über diese Schiene erreicht man einen großen Kreis des Publikums. Den braucht der Handball für Sponsoren, für Nachwuchs und natürlich auch für den Erfolg.
Bei den deutschen Frauen gab es den mit dem WM-Aus im Achtelfinale nicht. Wie hart wäre der Schlag für den Handball, sollten auch die DHB-Männer bei der EM früh scheitern?
Bauer: Das wäre zunächst einmal eine große Enttäuschung. Immerhin haben wir in einem Jahr die Handball- Weltmeisterschaft in Deutschland. Die EM dient deshalb auch dazu, die Augen auf den Handball zu richten. Für die Ziele, die wir schon damals ausgegeben haben, wäre ein frühes Aus ein herber Rückschlag. Immerhin will man im eigenen Land 2019 um den Titel kämpfen und bei Olympia 2020 um Gold mitspielen. Dafür würde das Vertrauen dann fehlen.
Und im DHB-Erfolgsfall darf sich Deutschland auf einen Handball-Boom freuen?
Bauer: Nach der erfolgreichen Weltmeisterschaft 2007 gab es einen deutlichen Mitgliederaufschwung im Handball. Viele Jungs und Mädchen wollten Handball spielen. Ähnlich würde es jetzt sein, wenn man wirklich erfolgreich ist.
Trotzdem hat sich Bundestrainer Christian Prokop mit einer ambitionierten Zielsetzung für die EM auffällig zurückgehalten.
Bauer: Ich glaube, die Mannschaft will schon mindestens das Halbfinale erreichen. Als Europameister, noch dazu mit einer Mannschaft, die ausgeglichener und stärker ist, als vor zwei Jahren, muss man ein klares Ziel haben. Und ich bin sicher, das hat man intern auch.
Zur Person
Bernhard Bauer ist am 14. November 1950 in Neckarsulm geboren und stand dort ab der C-Jugend im Tor. Weitere Stationen seiner Aktiven-Karriere waren Oßweil, Neuhausen/Erms, Kornwestheim und Göppingen. Seine Funktionärslaufbahn begann der Rechtswissenschaftler und einstige politische Beamte 2002 als Präsident des Handballverbandes Württemberg. Von 2013 bis 2015 stand Bauer als DHB-Präsident an der Spitze des deutschen Handballs. Auch im Ruhestand ist der Leonberger als Mitglied im Normenkontrollrat der Landesregierung noch aktiv. Dem Sport bleibt Bauer als Vorsitzender der Freunde und Förderer des Handballs in Württemberg, Ehrenpräsident des HVW und Beiratsmitglied der Bietigheimer Zweitliga-Männer ebenfalls treu.