Die motivierende Zentimeter-Taktik von Laura Raquel Müller
Weitspringerin Laura Raquel Müller aus Verrenberg vertraut nach einigen Verletzungen wieder ihrem Körper und springt in Mannheim mit 6,31 Metern Saisonbestleistung.

Liebevoll legt Oliver Koletzko den Arm um seine Freundin. Kaum einer weiß in diesen Momenten besser um die Gedankenwelt von Laura Raquel Müller als er. Zwei Weitspringer, eine Seele. Nach dem sehr guten, aber ungültigen fünften Versuch sagt er der 19-Jährigen in der sonntäglichen Mittagshitze einige wenige Worte. Ruhig im Ton, analytisch der Inhalt. Das hilft, die kurzzeitige Enttäuschung über die verpasste Chance schneller zu verarbeiten, beruhigt und motiviert zugleich.
Zwei schwierige Jahre mit vielen Verletzungen
Nur Minuten später strahlt Laura Raquel Müller wieder - als Weitsprung-Dritte der Junioren-Gala von Mannheim. Ihre 6,31 Meter in dem wichtigen Wettkampf für U 20-Athleten bedeuten Saisonbestleistung. Ihre Formkurve zeigt weiter nach oben. Die Taktik: Zentimeterweise dem Optimum näherkommen. "Es ist wichtig für den Kopf, dass ich meinem Körper wieder vertraue", sagt Laura Raquel Müller.
Daran hat es in den vergangenen Monaten immer wieder gemangelt. Nach zwei schwierigen Jahren mit Verletzungen am Mittelfuß, einem Muskelbündelriss und Zwangspausen haben sich Zweifel bei dem Talent aus Verrenberg eingenistet. Auch, weil sich der Körper einer jungen Frau verändert, ist dem Mitglied des Sporthilfe Perspektivteams zwischen Anlauf und Grube die Leichtigkeit abhanden gekommen.
Bei den deutschen U20-Meisterschaften geht es um Alles
Das Momentum, als beste deutsche Athletin vorrangig für die U 20-Europameisterschaft (7. bis 10. August) in Jerusalem nominiert zu werden, erwischt im Mannheimer Michael-Hoffmann-Stadion Samira Attermeyer. Die Dortmunderin verbessert als Siegerin mit 6,55 Meter ihre Bestleistung um satte 26 Zentimeter und katapultiert sich gar an die Spitze der europäischen Rangliste ihrer Altersklasse.
Doch nicht nur Müllers Trainer Tamás Kiss, der sie am Olympiastützpunkt in Stuttgart betreut, registriert mit innerer Zufriedenheit die Steigerungen im wöchentlichen Rhythmus. Für Laura Raquel Müller geht es nun bei den deutschen Meisterschaften U20 in Rostock um Alles. Springt die Hohenloherin dort unter die besten Zwei, wird Elke Bartschat - das ehemalige Weitsprung-Ass aus Leingarten ist Chef-Nachwuchs-Bundestrainerin - sie für die EM in Israel nominieren.
Ziel ist die EM-Teilnahme in Jerusalem
Längst hat Laura Raquel Müller den Konkurrenzkampf, das ein halbes Dutzend Springerinnen mit dem Erreichen der Norm von 6,21 Meter entfacht hat, angenommen. Sie sagt: "Mein Blick geht nun ein bisschen mehr nach Jerusalem." Wissend, dass ihr ungültiger Versuch an ihre Bestweite von 6,50 Meter aus 2021 herangereicht hätte. Aber auch, dass das Verpassen des Saisonhöhepunktes noch immer möglich ist - ohne, dass es ein Versagen bedeuten würde.
Laura Raquel Müller spürt durch die unfreiwilligen Unterbrechungen, dass ihr im Saisonaufbau wertvolle Wochen fehlen. "Wenn du so lange raus bist, ist es schwierig, schnell wieder den Anschluss zu finden. Bei den ersten Wettkämpfen habe ich etwas den Kopf hängen lassen, weil ich sah, was die Anderen springen. Man vergleicht sich und denkt: Das musst du auch schaffen, um dabei zu sein."
Weitsprung-Analysen am Küchentisch
Doch Trainerfuchs Tamás Kiss ist entspannt. Weil er weiß, dass die 19-jährige Bundeskaderathletin technisch wie konditionell noch Reserven besitzt. "Ich habe durchaus ein paar Kleinigkeiten gesehen, woran wir noch arbeiten: an der Anlaufgestaltung mit etwas mehr Geschwindigkeit und der Hüftstellung." Technik-Details mit großer Wirkung im komplexen Weitsprung-Gebilde.
Dann ist da ja auch noch Oliver Koletzko. Der U 20-Europameister ist nach seiner schweren Fußverletzung mit 7,71 Meter bereits für die kontinentalen Titelkämpfe der U 23 in Finnland qualifiziert - und ein perfekter Helfer. Seit einigen Monaten wohnt er mit Laura Raquel Müller in Stuttgart zusammen. Da bleibt Zeit für Weitsprung-Analysen.