Mit voller Hingabe im Jetzt und Hier
Wie ein Carioca und ein in Brasilien lebender Karlsruher die Sommerspiele erlebt haben − Von Montag an wieder Normalität

Diese Spiele sind anders. Weil es nach 1968 in Mexiko-Stadt die zweiten in Lateinamerika sind und die ersten in Südamerika. Weil Rio de Janeiro eine komplizierte Stadt ist und Brasilien ein gespaltenes Land. Deswegen ist es auch schwierig, ein Fazit aus Sicht der Gastgeber zu ziehen - keiner weiß, was die schon am Montag wieder beginnende Normalität mit Korruption, Inflation, Wirtschaftskrise, Gewalt und Perspektivlosigkeit nach der bunten Party in Rio bringen wird.
Das ist Zukunftsmusik. Denn der Brasilianer denke niemals an morgen "und schon gar nicht an übermorgen", sagt Karl Böhler. "Deshalb macht feiern mit Brasilianern auch so viel Spaß. Das ist immer so, als gäb"s kein Morgen mehr. Und so werden die Spiele auch gefeiert und erlebt: heute im Jetzt und Hier, mit voller Hingabe."
Der 49-Jährige aus Karlsruhe hat mit Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft vor zwei Jahren ein Hostel in Fortaleza, 2200 Kilometer nördlich von Rio, eröffnet. Er hat den deutsch-brasilianischen Blick von außen. Und er ist Olympia-Kritiker. Die Sommerspiele brauche kein Mensch in Brasilien, hatte er schon vor der Eröffnungsfeier vor zwei Wochen gesagt.
Fantastisch "Auch wenn Olympische Spiele nicht in ein armes Land gehören, sind sie einfach fantastisch anzusehen." Karl Böhler hatte in den vergangenen Tagen seine olympischen Momente, schaute nebenher nach Rio, wenn er im Büro arbeitete. "Fabian Hambüchen war sensationell, die Beachvolleyballerinnen haben mich regelrecht verzaubert, Gold im Kanu, auf der Radbahn, und, und, und? Einfach toll." Es ist eine erfrischende emotionale Auszeit nach all den schlechten Nachrichten der vergangenen Monate.
Erfrischend für ihn und seine Gäste: "Es tut einfach gut, nur über die unglaublichen Leistungen eines Sportlers oder einer Mannschaft zu diskutieren, für zwei Wochen in eine Traumwelt der Rekorde und olympischen Höchstleistungen entführt zu werden."
Bruno Pereira Cardoso ließ sich gerne entführen, sah zwei Volleyballspiele im Maracanãzinho und in der Schwimmhalle Michael Phelps. "Wir alle sind überrascht, wie professionell das hier alles über die Bühne geht", sagt der 40 Jahre alte Architekt aus Rio. Doch auch er bleibt bei seiner Meinung von vor zwei Wochen, glaubt, dass nach der Schlussfeier am Sonntag die Freude und vor allem der Optimismus wieder weg sein werden.
Absturz "Der tiefe Absturz ist schon in Sicht, die Katerstimmung fast spürbar", sagt Karl Böhler, der wieder zurück nach Deutschland möchte. "Wenn das hier vorbei ist, kommt ein ganz tiefes Loch, in das die Leute wieder fallen werden." Und nennt als Beispiel die Inflation: "Die Preiserhöhung für Milch liegt bei mehr als 20 Prozent innerhalb eines Jahres." Das werde eines der Themen sein, mit denen sich die Brasilianer nächste Woche wieder beschäftigen müssen. Wie es weitergeht?
Immerhin eines ist klar: Von 7. bis 18. September steigt die sportliche After-Show-Party in Rio. Sie trägt den Namen Paralympics.
Ergebnisse und Medaillenspiegel