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Falken-Mannschaftsarzt: "Ohne Vertrauen geht gar nichts"

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Mannschaftsarzt Oliver Eckardt von der ACOS-Praxisklinik in Heilbronn betreut die Heilbronner Falken zusammen mit seinen Kollegen seit rund 20 Jahren. Im Interview spricht der Sportmediziner über Medikamente im Spitzensport, regungslose Spieler auf dem Eis und die Bedeutung von Teamwork.

Der Mann für alle (Un-)Fälle: Oliver Eckardt betreut seit fast 20 Jahren die Falken. Foto: Lisa Könnecke
Der Mann für alle (Un-)Fälle: Oliver Eckardt betreut seit fast 20 Jahren die Falken. Foto: Lisa Könnecke  Foto: Lisa Könnecke

Oliver Eckardt von der ACOS-Praxisklinik in Heilbronn betreut mit seinen Kollegen seit rund 20 Jahren die Heilbronner Falken. Bis vor wenigen Jahren war der Sportmediziner noch bei mindestens jedem zweiten Spiel mit auf dem Eis. Eine lange Zeit, in der der 53-Jährige viel erlebt hat - ein Gespräch über Durchsetzungsvermögen beim Management, die Rolle von Medikamenten im Spitzensport und Vertrauen.

 

Herr Eckardt, können Sie Eishockey spielen?

Oliver Eckardt: Nein, nicht wirklich (lacht). Wenn überhaupt sehr hobbymäßig. Wir haben zu Hause einen Schwimmteich, und wenn der zugefroren ist, habe ich dort tatsächlich schon das eine oder andere Mal mit meinem Sohn Eishockey gespielt. Aber ich bin sehr wackelig auf den Schlittschuhen unterwegs.

 

Und was tun Sie, wenn Sie bei einem Falken-Spiel aufs Eis müssen, weil es einen Unfall gab?

Eckardt: Das Eis dort ist tatsächlich gar nicht so glatt wie man denkt. Das stellt man sich viel schlimmer vor. Natürlich sollte man das richtige Schuhwerk anhaben und nicht unbedingt auf dem Eis rennen. Man muss eher beim Hochheben des Spielers darauf achten, nicht wegzurutschen.

 

Wie kann man sich einen typischen Einsatz als Mannschaftsarzt während eines Spiels vorstellen?

Eckardt: Meistens steht man am Spielfeldrand und nimmt von dort am aktuellen Spielgeschehen teil. Knallt der Sportler beispielsweise mit dem Kopf gegen die Bande, muss man schnell abwägen können, wie gefährlich das tatsächlich war. Was im Eishockey natürlich nicht selten vorkommt: Wenn der Spieler nach einem Foul zusammenbricht und regungslos auf dem Eis liegt, dann rennen wir alle hin und denken: um Gottes Willen. Und dann steckt der Spieler einem zu, dass alles okay ist, weiter regungslos daliegend, um eine Strafe beim Gegner rauszuholen (lacht).

 

Im Eishockey geht es ja öfters rau zu. Ab wann sollten Spieler ihre Verletzungen ernst- und nicht auf die leichte Schulter nehmen?

Eckardt: Zweite Bundesliga heißt, im Profisport zu spielen. Da erwarte ich vom Profi, dass er sich selbst beim kleinsten Zipperlein an die medizinische Abteilung wendet. Meldet sich der Spieler nicht, können weitere Verletzungen auftreten oder sich die Heilung verzögern. Damit ist der Mannschaft nicht geholfen.

 

Hören die Sportler auf Ihre Empfehlungen, oder müssen Sie manchmal auch ein Machtwort sprechen und beispielsweise zur Pause zwingen?

Eckardt: Im Normalfall hört der Spieler sehr genau auf die Anweisungen der medizinischen Abteilung. Er will ja schnell wieder fit werden. Meistens kommen sie selbst schon mit einer Verdachtsdiagnose in unsere Praxis, der wir dann nachgehen. Der Spieler kennt seinen Körper sehr gut. In den meisten Fällen weiß er, ob er spielen kann oder nicht. Die Frage ist nur, ob der Druck von Trainer, Management oder auch der eigene Ehrgeiz ihn wirklich auf seinen Körper hören lassen.

 

Inwiefern?

Eckardt: Jeder im Team hat unterschiedliche Interessen. Das heißt, als Sportmediziner muss man sich eher gegenüber dem Trainer oder Management behaupten. Der Trainer zum Beispiel will seinen Spieler so schnell wie möglich wieder einsatzbereit sehen. Da ist es wichtig, als Mannschaftsarzt zu definieren, wie lange die Verletzung braucht und wann der Spieler frühestens fit sein wird. Erfreulicherweise ist die Kommunikation mit Trainer und Management hervorragend.

 

Vertrauen spielt in Ihrem Job sicher eine große Rolle...

Eckardt: Ohne Vertrauen geht gar nichts. Die Spieler öffnen sich hier natürlich auch. Würde man das missbrauchen, kann man nicht mehr als Sportmediziner arbeiten. Das spricht sich schnell rum. Außerdem braucht man eine gewisse Empathie, aber auch Erfahrung und muss sich viel innerhalb des Teams absprechen. Also Physiotherapeuten, Management, Trainer und natürlich den Spieler selbst mit einbinden.

 

Sind zwischen Ihnen und Spielern auch Freundschaften entstanden?

Eckardt: Ein guter Freund von mir ist Thomas Gödtel, der lange Zeit bei den Falken gespielt hat. Er betreibt die Tenno Lounge in der Innenstadt und macht für mich das weltbeste Sushi (lacht). Auch den Hansi Bader kenne ich ganz gut. Er hat vor langer Zeit mal für Heilbronn gespielt und ist jetzt Physiotherapeut geworden.

 

Eine ARD-Doku legt dar, dass Schmerzmittel im Fußball "wie Smarties" gegessen werden. Ist das im Eishockey auch so?

Eckardt: Nein, mehr im Breitensport. Das ist tatsächlich eine immense Problematik und darf nicht passieren. Im Profisport hat sich das mittlerweile herumgesprochen, dass das brandgefährlich ist. Das, was da so gerne wie Smarties gefuttert wird, sind Medikamente wie Diclofenac oder Ibuprofen. Es gibt Fälle, in denen kerngesunde Spieler ein akutes Nierenversagen erleiden. Es ist zwar toll, dass wir diese Medikamente haben, aber die sollten wir nur für kurze Zeit in der Akutphase nach einer Verletzung einsetzen.

 

Wie gehen Sie in Sachen Medikamente bei den Falken um?

Eckardt: Die Spieler haben die ganz klare Ansage, dass sie ihre Medikamenteneinnahme mit dem medizinischen Team abzusprechen haben. Das ist nicht nur wegen ihrer Gesundheit wichtig, sondern auch, weil es die Nationale Anti-Doping Agentur gibt, die regelmäßig Kontrollen macht. Wir als Ärzte sind dafür verantwortlich und werden - zu Recht - zur Rechenschaft gezogen.

 

Spieler-Betreuung bedeutet Teamwork

Oliver Eckardt ist 53 Jahre alt, verheiratet und hat einen Sohn. Er studierte Medizin in Budapest und München. Seine Ausbildung absolvierte er in Bern, Pittsburgh, Heidelberg, Lorsch, Mechernich und Straubing. Es folgte die frühe Spezialisierung auf das Kniegelenk und Sportverletzungen. Oliver Eckardt ist Gründer der ACOS Praxisklinik mit mittlerweile sechs Spezialisten für Knie, Schulter, Wirbelsäule, Fuß, Sprunggelenk und Sportverletzungen. Als Oliver Eckardt Ende 2002 nach Heilbronn kam, hat er mit Dr. Herbert Kübel, und seit 2011 mit seinem Nachfolger Dr. Michael Acker, die Falken betreut. So hat sich die Gruppe der betreuenden Ärzte mit Olaf Zetzsche, Dr. Sven Lührs, Dr. Jan Meester und Dr. Eloy Cardenas erweitert. Internistische Fragen werden von Dr. Üllner abgedeckt. In den letzten Jahren ist Olaf Zetzsche vornehmlich bei den Spielen vor Ort.

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