Leiter der Reha der TSG Hoffenheim: "Ich bin lieber Lenker statt Antreiber"
Als Leiter der Reha der TSG Hoffenheim macht Bernd Steinhoff Profi-Sportler wieder fit. Auf ihn hört selbst Handball-Nationalkeeper Andreas Wolff.

Spitzensportler vertrauen ihm: Als Leiter der Reha der TSG Hoffenheim ist Bernd Steinhoff mit seinem Team in Zuzenhausen als Fitmacher gefragt. Für die gerade beendete Handball-EM hat er Nationaltorhüter Andreas Wolff fit gemacht. Im Interview verrät der 43-Jährige, warum es ein leichter Job war, er trotzdem manchmal aber besser zwei Armlängen Abstand gehalten hat.
Herr Steinhoff, angesichts der grandiosen Leistungen von Andreas Wolff bei der Handball-EM in den letzten drei Wochen: Haben Sie sich dafür schon auf die Schulter geklopft?
Bernd Steinhoff: Nicht wirklich. Es ist immer ein Zusammenspiel im Team, in diesem Fall mit Physiotherapeuten wie Sascha Pander oder Dominic Herrmann. Andi war von seiner Einstellung her eh so gut unterwegs: Da musste ich gar nicht so viel machen. Ein leichter Job.
Dann bestellen wir Ihnen beste Grüße von Andreas Wolff. Er sagte: Sie haben sehr viel zu seiner Genesung beigetragen, mit ihrer sehr positiven Art, mit viel Fachkompetenz ...
Steinhoff: Sehr schön, das freut mich.
Er sprach in dem Zusammenhang auch von Provozieren im Training: Lieben Sie die Gefahr?
Steinhoff: (lacht) Ich habe nur so weit gereizt, wie ich mich getraut habe - und immer auf zwei Armlängen Abstand. Andi ist ein Typ, vor dem hat man Respekt, wenn der vor einem steht. Eine Spielerin, die zu der Zeit bei uns Reha gemacht hat, meinte zu mir - und ich bin mit meinen 1,91 Metern nicht gerade klein: "Bernd, neben dem siehst du echt aus wie ein Lappen".
Mussten Sie ihm nicht in den Hintern treten?
Steinhoff: Nee, eher bremsen. Andi ist im positiven Sinne gestört. Er hat ohne Ende Gas gegeben, Gewichte aufgelegt, viel gemacht und auch ausprobiert. Wann immer wir was Neues ausprobiert haben und es funktioniert hat, dachte ich: Cool, und jetzt warten wir die Reaktion des Körpers morgen ab. Von ihm kam dann aber immer: War super, komm, wir machen gleich mehr. Da war es nur mein Job, ein bisschen zu lenken und zu sagen: Hey, jetzt ist echt gut. Da hat er seinen Körper sehr gut gekannt und gut eingeschätzt.
Als Reha-Trainer sind Sie mittelbar an Erfolgen beteiligt. Wie definieren Sie Ihren Erfolg, wann haben Sie für sich einen guten Job gemacht?
Steinhoff: Gute Frage. Wir haben relativ vielfältige Patienten, nicht alle sind mit den Zielen und der Einstellung unterwegs wie Andi Wolff. Wenn Patienten wie er nach einer Verletzung regelmäßig spielen, es keinen Rückfall gibt, dann ist das die Kirsche auf der Sahnetorte. Bei anderen ist es die Rückkehr in den Alltag oder Hobbysport, wenn sie Schritte vorwärts machen und ich das Gefühl habe: Das liegt an einem Anstoß, den ich gegeben habe.
Jetzt arbeiten Sie überwiegend mit Profis aus vielen verschiedenen Sportarten zusammen: Macht es Ihren Job leichter, wenn die Patienten eine hohe Eigenmotivation mitbringen?
Steinhoff: Ich weiß gar nicht, ob ich Profis und Nicht-Profis unterscheiden würde von ihrer Eigenmotivation. Bei jemandem, der einen Arbeitsunfall hatte und zurück in den Job möchte, weil er ein Eigenheim abbezahlen muss und Kinder hat, ist die Motivation nicht viel geringer als bei einem Leistungssportler, der als Ziel hat, bei der EM zu spielen und fit zu sein.
Sie gehen das also gleich an?
Steinhoff: Wir wollen Patienten - egal ob Profisportler oder nicht - dahin bringen, dass sie ihre Probleme selber managen können. Das funktioniert sehr gut mit einer gewissen Aktivität. Nur jemanden ausmassieren, das wollen wir nicht. Wenn die Leute von sich aus Gas geben, und ich mehr Bremser und Lenker anstatt Antreiber bin, dann macht das am meisten Spaß.
Wie geht man mit Sportprofis am besten um?
Steinhoff: Authentisch. Ehrlich.
Eher Nähe oder Distanz?
Steinhoff: Tatsächlich dünnes Eis. Innerhalb einer Reha-Maßnahme kommt immer eine gewisse Nähe auf, gerade wenn sie länger dauert. Da geht es den wenigsten richtig gut. Und wenn es einem nicht gut geht, dann braucht man andere Leute, die zuhören, die positiv bestärken. Die Situation haben eher unsere Physios, die Patienten separat in einem eigenen Raum betreuen, als ich auf der Trainingsfläche, wo fünf andere Patienten trainieren. Deswegen habe ich nicht so die große Nähe.
Sie sind früher aber schon mal mit TSG-Profi Steven Zuber, der bei Ihnen in der Reha war, gemeinsam von Heidelberg nach Zuzenhausen gefahren…
Steinhoff: Schon. Der konnte nicht selbst Auto fahren, das passte auf dem Weg zur Schule meiner Kinder, da habe ich ihn halt mitgenommen.
Ein Fußball-Profi, der in einen ganz normalen Wagen eingestiegen ist?
Steinhoff: (lacht) Das war ganz entspannt. Wobei Steven Zuber auch jemand ist, der sehr geerdet ist. Für meine Kinder war es natürlich großartig, die saßen hinten im Auto mit Riesenaugen.
Zurück zum Reha-Training: Warum sind Sie lieber Lenker oder Bremser anstatt Antreiber?
Steinhoff: Weil ich dann weiß, dass die Person von sich aus Vollgas gibt. Aber manchmal stehe ich auch daneben und zähle die Sekunden runter, versuche, Patienten in die anstrengende Position reinzubringen. Es werden dann auch fünf oder zehn Sekunden mehr als angekündigt. Da kommt es vor, dass jemand mal flucht.
Sie genießen es, den Schleifer zu geben?
Steinhoff: Genießen ist nicht das richtige Wort. Ich darf bei einem Rekonvaleszenten nicht beliebig übertreiben. Wir haben hier ein grandioses Team, ich hole mir regelmäßig die Einschätzung unserer Physiotherapeuten ab, frage, wie die Belastbarkeit ist. Da kriege ich immer wieder einen kleinen Rüffel. Aber lieber so, als wenn ich nur im Sicherheitsbereich bleibe. Training heißt Grenzen zu verschieben. Ich muss besser werden - da muss ich raus aus meiner Komfortzone.
Machen Sie die Übungen selber auch, oder quälen Sie damit nur andere?
Steinhoff: Ich kann nur authentisch sein, wenn ich weiß, wie die Übung auszuführen ist und wo es zieht und wehtut. Das geht nicht aus Büchern oder mit Videos. Außerdem ist es eine gute Motivation, wenn ich einem Sportler die Übung vormache und auch in der Endphase der Reha nicht so weit weg bin von seiner Leistung.
Sie arbeiten in einem Bereich, der viel Geduld erfordert. Wann ist Ihre Geduld am Ende?
Steinhoff: Schwierig wird es, wenn ein Patient wirklich mit gar keiner Motivation dabei ist und den Eindruck hinterlässt: Ich mache jetzt sechs Wochen Larifari und dann bin ich geheilt. Eine gute Reha ist die einzig gute Prävention vor einer Re-Verletzung. Sprich: Wenn die Reha nicht gut war, dann sehen wir uns ziemlich schnell wieder.
Reha ist also keine Kaffeefahrt!
Steinhoff: Reha ist harte Arbeit und nichts anderes als die Fortsetzung des eigentlichen Trainings unter anderen Voraussetzungen. Und ja, ich muss bei einer Reha auch mal Rauskriechen aus dem Laden und sagen: Boah, das war heute wahnsinnig anstrengend.
Eishockey- und Handballspieler gelten vergleichsweise als harte Kerle. Auch in der Reha?
Steinhoff: Ich weiß nicht, ob sie härter zu sich sind. Aber in diesen Sportarten ist zum Beispiel das Thema Krafttraining schon länger präsenter. Entsprechend legen die ganz andere Gewichte auf. Als ich Andi Wolff zum Bankdrücken nach seiner Pause 60 Kilo aufgelegt hatte, hat er mich fragend angesehen. Er hat dann mit knapp über 100 Kilo wieder losgelegt.
Zur Person
Geboren in Beckum in Nordrhein-Westfalen, hat es Bernd Steinhoff (43) zum Studium nach Göttingen gezogen, wo er Sportwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre und Physiologie studierte. Über Freiburg kam der Vater zweier Kinder im Jahr 2014 schließlich nach Zuzenhausen, wo er seit vergangenem Sommer auch offiziell die Reha der TSG Hoffenheim leitet. Zudem ist Steinhoff als Referent für das Orthopädie- und Sport-Institut in München tätig und nicht nur bei Spitzensportlern ein gefragter Reha-Trainer. map
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