Sloweniens blinder Schuss ins Glück
Der zumeist gar nicht torgefährliche Slowene Erik Janza verhindert beim Stuttgarter 1:1 das unbefleckte dänische Eriksen-Märchen und erzählt selber, wie viel Glück bei seinem Ausgleichtreffer dabei war.

Eigentlich hat es Erik Janza nicht wirklich gut gemacht. "Ich habe die Augen zugemacht." Da könnte ein Torschuss auch weit vorbei gehen. So war es aber nicht. Der Ball, "mit voller Wucht geschossen", landete zum 1:1-Ausgleich im Kasten der Dänen. "Glück für mich", freute sich der Verteidiger, bei dem das Toreschießen nicht zu den allergrößten Talenten zählt, wie seine Statistiken zeigen. Man könnte es sogar deutlich zugespitzt formulieren: Treffer sind in Janzas Karriere eine echte Seltenheit.
Aber nun stand der 30-jährige Slowene im Stuttgarter Stadion da und durfte vom offensiven Erfolgserlebnis in der 77. Minute erzählen, das den Favoriten Dänemark zwei wertvolle EM-Punkte kostete. Janzas Blindschuss wurde von Morten Hjulmand noch abgefälscht. Mist.
Dänemark gab das Spiel aus der Hand
Aber für den neutralen Beobachter war das schon okay, denn eine Minute zuvor hatte Bundesliga-Torjäger Benjamin Sesko von RB Leipzig mit einem Knaller an den Pfosten Pech gehabt. Die Slowenen wurden zum Schluss hin besser. Dänemark gab das Spiel aus der Hand, das sich nach dem 1:0 durch Mittelfeld-Routinier Christian Eriksen (17.) Richtung Sieg zu entwickeln schien.
Man habe in der zweiten Halbzeit "die Nervosität aus der Kleidung geschüttelt", sagte Sloweniens Trainer Matjaz Kek. "Als den Jungs klar geworden ist, dass sie sich Chancen erspielen können, hat sich das Spiel verändert." Es ist ja nicht so, dass bei den Slowenen ganz viele Spieler mit großer internationaler Erfahrung im Team stehen. Das Land ist klein, die Einwohnerzahl gering, nur etwas mehr als zwei Millionen Menschen leben dort.
Trainer Hjulmand beklagt die nachlassende Intensität seines Teams
Das 1:1 in Stuttgart war also ein Achtungserfolg. Und ein Ärgernis für die Dänen, deren Fans im Stadion und in der Stadt klar in Überzahl waren. Auch die Fans hatten mit ihrer Stimmungsmache dafür gesorgt, dass die Slowenen in der ersten Halbzeit die schlechtere Mannschaft waren. Das änderte sich, als die dänische Nationalmannschaft nachließ. Matjaz Kek zog nach dem ersten Gruppenspiel bei dieser EM eine zufriedene Bilanz: "Slowenien hat in Europa Eindruck hinterlassen."
Sein Trainerkollege Kasper Hjulmand beklagte hingegen, dass in seinem Team am Sonntag "die Energie nachgelassen" habe. "Wir haben die Intensität verloren."
Nichts wurde es mit der Helden-Geschichte
Und so gingen zwei Punkte noch verloren, die im Kräftemessen mit den anderen Gruppenrivalen England und Serbien fehlen könnten, wenn die Schlussabrechnung fürs Weiterkommen gemacht wird. Es wurde dann doch nicht die völlig unbefleckte, total märchenhafte Christian-Eriksen-Heldengeschichte, nach der es in Stuttgart lange Zeit ausgesehen hatte.
"Es wäre eine andere Geschichte, wenn wir die drei Punkte geholt hätten", sagte der 32-Jährige selbst. 1100 Tage zuvor war er im EM-Spiel gegen Finnland wegen eines Herzstillstands zusammengebrochen. Eriksen überlebte. Eriksen spielt wieder Fußball. Eriksen war mit seinem Spielverständnis und seinem Gespür für brenzlige Situationen der herausragende Mann auf dem Rasen. Aber er war nicht der Matchwinner.
Der Trainer hatte nie Zweifel an seinem Zehner
Dem dänischen Team will der bei Manchester United nicht mehr sonderlich gefragte Star "so gut wie möglich helfen". Mit Toren, mit Vorlagen, mit genialen Impulsen. Doch nun in Stuttgart reichte es nicht zum Sieg. Eriksen sprach von einem "kleinen Rückschlag". Oder war es schon ein entscheidender? Das wird sich bei dieser EM bald zeigen. Der dänische Zehner sagte kompromisslos: "Wir müssen durch die Gruppe durch." Ins Achtelfinale will die Mannschaft unbedingt einziehen. Bei der EM 2021, als es das Drama um Eriksens Herz gab, stand Dänemark sogar im Halbfinale.
Der Beste seiner Mannschaft hätte zum strahlenden Helden und großen Triumphator über die Kritiker werden können, die ihn zuletzt auf dem absteigenden Ast gesehen hatten. Trainer Hjulmand ist das Motzen der Experten sowieso egal. "Ich kenne die Kritik, aber ich hatte nie Zweifel an ihm als Fußballer", sagte er über Christian Eriksen. Alles strahlend, alles golden - wäre da bloß nicht der slowenische Schuss ins Glück von Erik Janza gewesen.