Vereinsboss zu Bewährungsstrafe verurteilt
Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug beim ehemaligen Regionalligisten Spielvereinigung Neckarelz: Ex-Europaparlamentarier Thomas Ulmer muss eine sechsstellige Summe wiedergutmachen und eine hohe Strafe bezahlen.

Im Juni wird die Spielvereinigung Neckarelz 100 Jahre alt. Von großer Geburtstagsfreude ist wenig zu spüren rund ums Elzstadion im Mosbacher Stadtteil. Das liegt nicht nur an der bleiernen Schwere des sportlichen Lockdowns.
Vor mehr als fünf Jahren, im Dezember 2015, statteten 50 Steuerfahnder des Finanzamts Mannheim-Neckarstadt Geschäfts- und Privaträumen von Funktionären des Fußball-Regionalligisten SpVgg Neckarelz einen Besuch ab. Das daraus resultierende Verfahren dauerte, ist nun nach mehr als fünf Jahren rechtskräftig beendet. Worum es ging? "Um die nicht gesetzeskonforme Behandlung von Entgeltzahlungen an Fußballspieler, Betreuer und Trainer der ersten Fußballmannschaft des Vereins im Zeitraum Januar 2011 bis Dezember 2015", wie die Staatsanwaltschaft Mannheim auf Anfrage dieser Zeitung mitteilte. Übersetzt heißt das: Steuerhinterziehung. Die Fußballer des damaligen Regionalligisten wurden zum Teil schwarz bezahlt, an Finanzamt und Sozialversicherung vorbei.
645 Einzeltaten mündeten nun in einem Strafbefehl
Die Verfahren gegen die Spieler wurden wegen geringer Schuld eingestellt. Anders hingegen ergeht es dem Hauptbeschuldigten, bei dem es sich nach Informationen der Heilbronner Stimme um Dr. Thomas Ulmer handelt, seit 1986 Vereinschef der Spielvereinigung Neckarelz, im 35. Jahr also.
645 Einzeltaten mündeten nun in einem Strafbefehl des Amtsgerichts Mosbach gegen den 64-Jährigen, der zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt wurde. Der Strafbefehl ist seit dem 19. Januar rechtskräftig. Er beinhaltet, dass Ulmer einen mittleren sechsstelligen Betrag an die Sozialversicherungsträger wie beispielsweise die Berufsgenossenschaft bezahlen muss.
Überdies wurde "als Bewährungsauflage die Zahlung eines sechsstelligen Geldbetrages an die Staatskasse auferlegt", teilt die Staatsanwaltschaft Mannheim schriftlich mit. Ulmer ist Lokalpolitiker in Mosbach, bekannt wie ein bunter Hund. Den "Doc" kennt man nicht nur wegen seiner äußerlichen Erscheinung. Von 2004 bis 2014 saß er für die CDU im Europaparlament, er praktiziert noch heute als Allgemeinmediziner in seiner Heimatgemeinde. Am Telefon gibt er sich am Donnerstagnachmittag schmallippig. "Ich möchte nicht darüber sprechen", sagt er: "Die Sache ist für mich und den Verein abgewickelt und abgeschlossen."
Die Verhandlungen mit Spielern führte stets der Vereinsboss
Thomas Ulmer war der große Macher des Neckarelzer Fußballmärchens, von ihm erhielten die Spieler ihr Schwarzgeld einst in Briefumschlägen, wie Ex-Akteure der Heilbronner Stimme bestätigten. Anfangs, so heißt es, wohl noch komplett. Später dann, zu Regionalligazeiten, erfolgten Zahlungen teilweise mit Lohnsteuerkarte, teilweise ohne. Die Verhandlungen mit Spielern führte stets Ulmer als Vereinsboss und Manager, der auch fürs Geld sorgte. Er verpflichtete Ex-Profis, durchaus erfolgreich, aber eben mit unlauteren Mitteln in Sachen Bezahlung.
Unter ihm erlebte der Mosbacher Verein seine größten Momente. Das DFB-Pokalspiel 2009 gegen den FC Bayern München als Sechstligist in der ausverkauften Sinsheimer Arena. 2013 gelang der Sprung von der Oberliga in die Regionalliga. Im kleinen Elzstadion war viel los. Vierstellige Zuschauerkulissen waren zu Hoch-Zeiten keine Seltenheit.
Spieler von einst sind nicht gut auf Ulmer zu sprechen
Nach den Durchsuchungen im Dezember 2015 fiel die Spielvereinigung wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Kurz nachdem Ulmer nicht mehr Mitglied des Europaparlaments war, standen die Finanzfahnder vor der Tür. Zufall? "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das miteinander zu tun hatte", sagt Thomas Ulmer. Spieler von einst sind nicht gut auf ihn zu sprechen. "Er hat uns im Regen stehen lassen. Da war dann jeder Einzelkämpfer gegenüber dem Finanzamt", erinnert sich ein Akteur von damals, der eine vierstellige Steuer-Nachzahlung leisten musste.
Für die SpVgg folgte 2016 der Rückzug aus der Regionalliga, der Absturz in die Landesliga erfolgte noch schneller als der Aufstieg. Mittlerweile kickt der Club wieder in der Verbandsliga Nordbaden. Thomas Ulmer hat seinen Stammplatz auf einem Stuhl am Spielfeldrand. Er sagt, dass er an einen Rückzug aktuell nicht denke.
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