Schiedsrichterin ist Karoline Wacker der Mama zuliebe geworden
Karoline Wacker ist Schiedsrichterin geworden, um zu helfen. Seit 2017 pfeift die Lehrensteinsfelderin auch international erfolgreich. Inzwischen wird sie auch auf der Straße erkannt.

Dieser Samstag im Mai hat etwas verändert. Interviews. Auftritte. Auch auf der Straße wird Karoline Wacker vielfach angesprochen. Dabei hat die 31-Jährige gedacht, im Ort eher eine Unbekannte zu sein. "Auf einmal kommen Leute zu mir und sagen: Oh, ich habe dich gesehen." Im Fernsehen, als sie souverän das Pokalfinale zwischen den Fußballfrauen des VfL Wolfsburg und Potsdam leitet.
Karoline Wacker ist Schiedsrichterin. Mit 21 pfeift sie schon 2. Bundesliga, seit der Saison 2014/15 ist sie in der Frauen-Bundesliga aktiv, seit 2017 steht die Murrhardterin zudem auf der Liste des Fußball-Weltverbandes Fifa. Das Pokalfinale zu leiten, ist der vorläufige Höhepunkt des Mitglieds der Sportfreunde Großerlach, eine Auszeichnung für ihre Arbeit. Bescheiden sagt die Sympathische: "Es geht nicht um mich, sondern um das Fußballspiel. Dafür braucht man Schiedsrichter. Andererseits wird der Mensch hinter der Tätigkeit Schiedsrichter leider oft vergessen."
Im Keller hat sie sich ihr Fitnessstudio eingerichtet
Ihr Alltag ist prall gefüllt. Der Liebe wegen zieht Karoline Wacker vor drei Jahren nach Lehrensteinsfeld. Ihr Mann, Tobias Grauf, kommt aus Willsbach, ist ebenfalls Schiedsrichter. In ihrem Haus wählt sie das kleine Büro, dafür richtet sie sich im Keller ein Fitnessstudio ein. Dort macht sie ihr Krafttraining. Der Trainingsplan kommt von den Fitnesscoaches des DFB - auch für die Grundlagenausdauer oder das intensive Intervalltraining mit den schnellen Läufen und vielen Wiederholungen. "Wir sind ja auch Sportler, nicht nur die Schwarzkittel, die Entscheidungen treffen", sagt Karoline Wacker und lacht. Wer möchte, trifft sie auf den Sportplätzen in Lehrensteinsfeld oder Willsbach.
"Es ist schon viel Zeitmanagement", sagt die fröhliche Frau mit den stechend blauen Augen. Wie zum Beweis kommt sie zum Interview die letzten Meter mit dem Roller angedüst. "Aber ich bin über die Jahre in die Aufgabe hineingewachsen, ich wurde ja nicht von heute auf morgen Fifa-Schiedsrichterin." Manchmal fragt sich die Betriebsprüferin beim Finanzamt Ludwigsburg aber doch, wie sie alles schafft. In diesen Momenten spürt sie den enormen Rückhalt von Familie und Freunden, die akzeptieren, dass sie nicht jeden Tag freie Termine hat.
Aus der Schiedsrichterei lässt sich viel in den Job transportieren

In beiden Jobs hat Karoline Wacker ein klares Regelwerk, das sie auslegt und beurteilt: "Ich kann viel aus der Schiedsrichterei in den Job transportieren. Kommunikation, Umgang mit Menschen, aber auch Kritikfähigkeit. Wenn ich einen Elfmeter pfeife, ist berechenbar, dass es 50 Prozent nicht gut finden." Warum tut sich eine junge Frau das an? Schuld hat Mama. Sie ist vor Jahren Jugendleiterin in Großerlach, braucht dringend Schiedsrichter, überredet ihre Tochter zum Neulingskurs. "Ich meinte damals nur, dass ich keinen Bock darauf habe. Ich kannte das ja von meinen Spielen, man hat nur Ärger und macht es eh nie recht." Trotzdem geht sie hin - Mama zuliebe. Mit jedem Fortschritt und positivem Feedback steigt der Spaßfaktor, aus der rechten Verteidigerin Karo wird die Schiedsrichterin Wacker.
Aktuell zählt die Unterländerin neben ihren Einsätzen bei den Frauen noch zum Perspektivkader für die 3. Liga der Männer. Einen Karriereplan verfolgt Karoline Wacker nicht, auch zu ligendefinierten Zielen lässt sie sich nicht hinreißen. Zu groß ist ihre Sorge vor möglichen Störfaktoren. Am Herzblut, mit dem sie ihrem Job nachgeht, ändert dies aber nichts. Ganz wichtig ist es ihr, authentisch zu sein. "Wenn ich nicht ich bin, nimmt mir das auch niemand ab", sagt die 31-Jährige. Ein Alter, in dem sie längst eine eigene Persönlichkeit entwickelt hat, sich nicht mehr an Vorbildern orientiert.
In den vergangenen Monaten saß Wacker mehrfach im Kökner Keller
Und doch lernt Karoline Wacker immer wieder neue Seiten ihrer Leidenschaft kennen. In den vergangenen Monaten hat sie mehrfach im Kölner Keller gesessen, steckt sie doch inmitten der Ausbildung zum Video-Schiedsrichter: "Es ist ein total spannendes, tolles Werkzeug, aber etwas ganz Anderes als auf dem Platz zu stehen." Die Reizdichte ist extrem hoch, entsprechend anstrengend ist die Tätigkeit. "aber sau geil", sagt Karoline Wacker und lacht herzlich. "Beim ersten Einsatz sind wir nur nebendran gesessen, haben zugehört, da war ich schon voll geflasht." Wenn die Saison startet, wird sie wieder hinfahren.
Wandern nach Venedig
Neben der Schiedsrichterei hat Karoline Wacker eine weitere Leidenschaft: reisen. Ob ins mazedonische Skopje oder wandern. "Ich bin schon ein Bewegungstier", sagt Karoline Wacker und erzählt, dass sie in der fußballfreien Zeit mit ihrer Mama plant, in Etappen von München nach Venedig zu laufen. Gerne kocht die 31-Jährige auch, probiert Gerichte aus, lädt Freunde ein. swa

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