Jörg Dahlmann: "Ich wurde sofort zum Schafott geführt"
Der ehemalige Fußball-Reporter Jörg Dahlmann spricht im Stimme-Interview über seine Autobiografie, den Sky-Rauswurf und eine Herzensangelegenheit.

Fast vier Jahrzehnte war Jörg Dahlmann eine vertraute Stimme bei Fußballübertragungen. Vor einem Jahr kündigte der Sender Sky dem 63-Jährigen fristlos, nachdem er beim Zweitligaspiel zwischen Hannover und Aue Japan als das "Land der Sushis" bezeichnet hatte.
In seiner an diesem Freitag erschienen Autobiografie erklärt der Fußballreporter wie es zu dem Rausschmiss kam, was er beruflich plant und wieso er sich für die Krebsvorsorge engagiert.
Herr Dahlmann, wie sehr schmerzt es nach 40 Jahren im Geschäft, nun nicht mehr jedes Wochenende Fußball zu kommentieren?
Jörg Dahlmann: Wenn ich vor dem Fernseher sitze, blutet mein Herz schon ein wenig. Gerade die Live-Konferenz vermisse ich, die hat am meisten Spaß gemacht. Andererseits bin ich Realist und akzeptiere, dass dieses Kapitel meines Lebens nun ein wenig früher beendet ist, als ich das geplant hatte.
Müssen Ihre Kollegen jetzt den Kritiker Dahlmann fürchten?
Dahlmann: Nein, aber ich schicke schon ab und zu per WhatsApp mal einen Hinweis. Mein Verhältnis zu den Kollegen ist absolut intakt. Sie haben sich nach meinem Rauswurf bei Sky sehr für mich eingesetzt.
Sie sind jetzt vom Kommentator erst einmal ins Lager der Autoren gewechselt. Resultiert die Idee einer Autobiografie aus der Freizeit?
Dahlmann: Ursprünglich hatte ich mich gegen die Idee gesträubt. Habe ich überhaupt ausreichend zu erzählen? Und wen soll das interessieren? Bereits vor meinem Rauswurf hatte ich mal eine Gliederung geschrieben, danach hatte ich tatsächlich Zeit, einige Kapitel zu schreiben und habe Spaß daran gefunden. Den Hauptteil habe ich während der Fußball-EM auf Fuerteventura geschrieben.
Sie erzählen viele Anekdoten aus Ihrem Berufsleben. Hatten Sie dazu noch Aufzeichnungen, führen Sie Tagebuch oder haben Sie alles im Kopf?
Dahlmann: Als ich angefangen habe über einzelne Episoden nachzudenken, war ich selbst erstaunt, was mir alles eingefallen ist, wovon ich dachte, das sei schon längst von der eigenen Festplatte gelöscht worden. Als ich fertig war und mein Word-Dokument an den Lektor geschickt habe, hat der die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, weil es viel zu lang war. Dann musste ich 180 Seiten kürzen (lacht).
Welche schöne Episode hat es nicht ins Buch geschafft?
Dahlmann: Ich bin mal während des Studiums durch eine Klausur zur Fußball-Theorie geflogen, weil ich eine identische Arbeit abgegeben hatte wie mein Sitznachbar. Dabei hatte der bei mir abgeschrieben.
Eingangs Ihres Buches schildern Sie ausführlich, wie es zu Ihrem Rausschmiss bei Sky gekommen ist. War das Schreiben nicht doch in erster Linie eine Abrechnung?
Dahlmann: Nein, es war vielmehr ein journalistischer Ansatz, das Aktuelle an den Anfang zu stellen. Am Ende widme ich mich den Themen Sexismus- und Rassismuswahnsinn ja ein weiteres Mal. Das Thema bildet die Klammer des Buchs.
Ihr Ärger über den Rauswurf kommt aber noch deutlich zum Ausdruck.
Dahlmann: Meine Chefs bei Sky haben sofort einen Strick um meinen Hals gelegt und mich zum Schafott geführt. Ich bekam nie die Chance, mich zu erklären. Das finde ich unmöglich. Als Beschuldigter hätte ich wenigstens mal gehört werden müssen. Insofern war es mir sehr wichtig, mal ausführlich darzustellen, wie es zu diesem Rauswurf kam.
Im Buch kommen viele Ihrer Kollegen und Weggefährten mit eigenen Texten zu Wort. Sollten die Jörg Dahlmann wieder in ein besseres Licht rücken?
Dahlmann: Nein, es war nicht meine Intention, mir die Absolution erteilen zu lassen. Ich habe allen freie Hand gelassen, worüber und was sie schreiben wollen. Nur wenige sind ja etwa auf die Sushi-Geschichte eingegangen, die zu meinem Rauswurf geführt hat.

Einige Kollegen und Chefs kommen in Ihrem Buch gelinde gesagt nicht so gut weg. Haben Sie Sorge vor deren Reaktion, oder ist das eine bewusste Provokation?
Dahlmann: Das soll jetzt nicht abwertend klingen, aber das ist mir herzlich egal. Es ist ihr gutes Recht, sich zu wehren. Mir war es wichtig, ein ehrliches Buch zu schreiben.
Sehr persönlich schildern Sie Ihre drei Krebserkrankungen. Neben den vielen vorwiegend heiteren Kapiteln stellt das einen Bruch dar.
Dahlmann: Mag sein. Mir ist es aber enorm wichtig, offen über Krebs zu sprechen. Nur so ist ein natürlicher Umgang mit dem Thema möglich, lässt sich die Angst bekämpfen. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass sich viele Krebsarten in einem frühen Stadium gut behandeln lassen.
Sie engagieren sich seit Jahren für die Felix-Burda-Stiftung, die sich für die Darmkrebsvorsorge einsetzt.
Dahlmann: Mir ist ganz wichtig, dass bei einer Krebsdiagnose immer ein Gentest gemacht wird, um herauszufinden, ob Geschwister oder Kinder ebenfalls gefährdet sind. Ich habe den Genfehler von meinem Vater geerbt und ihn auch an eines meiner Kinder weitergegeben. Mit einer einzigen Blutentnahme lassen sich ganz einfach Leben retten.
Sie sind jetzt 63 Jahre und fit. Wird es eine TV-Rückkehr geben, oder führen Sie jetzt ein Rentnerdasein auf Mallorca?
Dahlmann: Ich würde super gerne, weiter in meinem Job arbeiten. Dazu gehören wie in einer Partnerschaft aber eben zwei Seiten. Der Rauswurf bei Sky hat mir schon sehr geschadet. Wenn aber einer kommt und sagt, den Vogel wollen wir haben, dann wäre das traumhaft schön. Wenn nicht, dann arbeite ich vielleicht wie während meines Studiums als DJ und veranstalte Oldie-Partys. Aber nur in kleinen Bars, nicht am Ballermann.
Immer geradeheraus
Das Buch von Jörg Dahlmann ist im Hamburger Edel Verlag erschienen, hat 320 Seiten und kostet 18,95 Euro. ISBN 978-3-98588-004-1.

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