VfR Heilbronn: Das denkt Thomas Gentner von seinem berühmten Bruder Christian
Von den Hoeneß-Brüdern bis zu den Bender-Zwillingen – kickende Geschwisterpaare sind keine Seltenheit. Thomas Gentner, Bruder von Ex-Bundesligaprofi Christian, hat es nun zum VfR Heilbronn verschlagen.

Häufig finden Nachwuchsfußballer das Vorbild im eigenen Garten – den Vater, den großen Bruder, die ältere Schwester. Zu den vielen prominenten Beispielen gehört auch die Familie Gentner. Thomas Gentner ist der jüngste von drei Brüdern, die bis heute beruflich mit dem Thema Fußball verbunden sind.
Obwohl der 35-Jährige seine Stollenschuhe eigentlich bereits an den Nagel gehängt hatte, verstärkt er seit Januar den Kader des Landesligisten VfR Heilbronn. Eine steile Karriere im Profigeschäft wie Bruder Christian (430 Bundesliga-Partien, zwei Mal Deutscher Meister und fünfmaliger Nationalspieler)? Die hätte auch Thomas Gentner gerne hingelegt. Bis in die 3. Liga schaffte es der Defensivspieler, doch Verletzungen bremsten den heutigen Spielerberater immer wieder aus. Neidisch auf seinen Bruder sei er nie gewesen, sagt er. Im Gegenteil.
Herr Gentner, es gibt im Profi-Fußball viele erfolgreiche Geschwisterpaare: Sven und Lars Bender, Karlheinz und Bernd Förster, Sami und Rani Khedira, Mario und Felix Götze, Sebastian und Tobias Schweinsteiger, Karl und Ralf Allgöwer, und, und, und. Haben Sie unter all diesen so etwas wie ein "Lieblingsbrüderpaar"?
Thomas Gentner: Nein, eigentlich nicht. Wir haben uns auch nie viel mit anderen verglichen oder auf andere geachtet. Es ist ja nicht weiter ungewöhnlich, dass man auf Brüderpaare im Fußball trifft. Man ist dabei, wenn der andere ein Spiel hat, man verbringt gemeinsam Zeit im Garten oder auf dem Sportplatz und hat so auch irgendwann dieselben Themen. Es gibt da einfach sehr viele Parallelen.
Im Alter von 22 Jahren sagten Sie, es habe bis dato kein Interview gegeben, in dem Sie nicht nach Ihrem Bruder Christian gefragt worden sind. Seither sind 13 Jahre vergangen. Hat sich daran in der Zwischenzeit etwas geändert?
Gentner (lacht): Es gibt natürlich immer wieder Überschneidungen, weil wir beide im Fußball tätig sind. Aber Christian steht nicht mehr aktiv auf dem Feld – so wie ich jetzt wieder in Heilbronn. Es hat sich auch deshalb etwas geändert, weil wir auch auf anderen Ebenen im Sportgeschäft tätig sind. In der Agentur, in der ich Geschäftsführer bin, geht es bei Presseanfragen meist um meine Spieler oder das Thema Beratung. Da spielt Christian keine Rolle.
Was bedeutet ein bekannter Bruder? Belastung, Ansporn, Konkurrenz?
Gentner: Eine Belastung oder Konkurrenz war es nie. Das hängt auch damit zusammen, dass wir uns immer extrem gegenseitig unterstützt und uns den Erfolg gegönnt haben. Beide Brüder waren für mich wichtige Tippgeber, hatten immer ein offenes Ohr. Wir haben uns untereinander ergänzt. Die Unterstützung gilt bis heute – wenn wir beispielsweise auf die Kontakte oder das Netzwerk des anderen zurückgreifen.
Vergleiche zwischen Geschwistern sind naheliegend. Gerade, wenn sie dieselbe Sportart betreiben – und doch nerven sie die Beteiligten oft. Gab es denn keine Phasen, in denen Sie die Popularität Ihres Bruders als Bürde empfunden haben?
Gentner: Nein, überhaupt nicht. Für uns stand immer im Vordergrund, dass uns dieselbe Leidenschaft verbindet, dass wir untereinander ein intaktes familiäres Verhältnis haben und man sich auf den anderen verlassen kann.
Den ältesten Bruder, Michael, hat es 2022 zum VfL Wolfsburg verschlagen, wo er als Direktor der Fußball-Akademie arbeitet. Davor war er fast 18 Jahre lang in unterschiedlichen Positionen im Nachwuchsleistungszentrum des VfB Stuttgart tätig. Ihr Bruder Christian ist mittlerweile beim VfB als Leiter Lizenzspieler angestellt. Das Thema Fußball hat offenbar alle drei nicht losgelassen…
Gentner: Das war bei uns absehbar. Im Hause Gentner war der Fußball 24/7 präsent. Meine Eltern waren für unseren Heimatverein, den TSV Beuren, in unterschiedlichen Funktionen aktiv - mein Papa als Abteilungs- und Jugendleiter. Wir sind auf dem Sportplatz groß geworden. Christian und ich kamen früh als Spieler zum VfB Stuttgart, Michael wurde zunächst in Beuren, später in Stuttgart Trainer. Aber alle hatten wir immer das Ziel, unser Hobby einmal zum Beruf zu machen. Es war also kein Zufall.
Fußball ja, aber die Favoriten unter den Bundesliga-Vereinen waren offenbar sehr unterschiedlich: Michael stand auf Bayern München, Christian bevorzugte Borussia Dortmund, Ihr Vater war VfB-Anhänger und Sie selbst Eintracht-Frankfurt-Fan. Das klingt, als ob Ihre Mutter gelegentlich als Streitschlichter eingreifen musste …
Gentner (lacht): Stimmt. Jeder von uns hat damals mit unterschiedlichen Vereinen mitgefiebert. Warum Christian zu dieser Zeit auf Dortmund stand, weiß ich nicht mehr. Das war ja zeitlich noch vor deren Erfolg in der Champions League Anfang der 90er-Jahre. Und auch Michaels Sympathien für die Münchner kann ich heute nicht mehr herleiten. Ich weiß aber noch, dass ich damals Jay-Jay Okocha toll fand - und deshalb den Frankfurter Fußball total mochte.
Dieter Hoeneß hat sich einmal beklagt, dass in seiner Kindheit zu Hause immer das gekocht wurde, was sich sein erfolgreicher Bruder Uli gewünscht hat – inklusive größerer Portion für den ein Jahr älteren Kicker. Wurden im Hause Gentner die Kinder auch unterschiedlich behandelt?
Gentner: Bei uns war der Tisch immer reichlich gedeckt. Meine Mutter wusste, dass die vier Männer – inklusive meinem Papa – immer großen Hunger mitbringen. Da kam keiner zu kurz. Trotzdem gab es bei uns auch die eine oder andere Vorliebe. Wenn meine Mutter zwei Erdbeerkuchen backte, wussten wir alle, dass davon eineinhalb Christian gehören. Aber im Großen und Ganzen waren wir uns immer einig.
Sie haben mit vier Jahren zu kicken begonnen. Mit elf kamen Sie zum VfB Stuttgart. Ihre Fußballkarriere ging in der Jugend steil nach oben - bis Ihnen in der A-Jugend innerhalb eines halben Jahres zwei Mal das Kreuzband riss. Hat Sie der Gedanke, was ohne Verletzungen und Krankheiten im Fußballgeschäft alles drin gewesen wäre, oft umgetrieben?
Gentner: Ich werde häufig darauf angesprochen. Meine Antwort ist dann immer: Wenn ausreichend Talent dagewesen wäre, um es ganz nach oben zu schaffen, hätten mich Verletzungen nicht ausgebremst. Es ging ja danach auch noch weiter – bei den Stuttgarter Kickers, Eintracht Frankfurt und TuS Koblenz. Ich bin in meinem zweiten Profi-Jahr in der 3. Liga angekommen. Aber es haben im athletischen Bereich, was die Schnelligkeit betraf, immer ein paar Prozentpunkte gefehlt, um final durchzustarten.
Anfang des Jahres haben Sie sich entschlossen, für den VfR Heilbronn nochmals die Fußballschuhe zu schnüren. War das ein Schritt, den Sie vorab auch mit Ihren Brüdern diskutiert haben?
Gentner: Es war eine sportliche Entscheidung, die ich allein getroffen habe. Meine Brüder waren aber früher als andere eingeweiht. Nochmals mit ein paar bekannten Gesichtern vom VfR zu spielen, das Kabinenleben zu genießen und am Wochenende um drei Punkte auf dem Feld zu kämpfen, all das hat mich einfach gereizt. Und Christian wird es sich bestimmt nicht nehmen lassen, auch mal zu einem Spiel zu kommen.
Die Brüder Mats und Jonas Hummels fachsimpeln in ihrem Podcast äußerst erfolgreich über Fußball – ebenso wie Toni und Felix Kroos. Warum sollten nicht auch die drei Gentner-Brüder mit einem Talk-Format an den Start gehen?
Gentner: Das haben wir tatsächlich schon mal diskutiert, das würde bestimmt auch harmonieren, weil wir eine sehr humorvolle Gemeinschaft sind und sehr viel Spaß haben. Aber wir sind auch nicht die, die unbedingt in die Öffentlichkeit wollen. Wir können auch mit der Mama, den Schwiegereltern, unseren Frauen und Freundinnen eine gute Runde und einen amüsanten Abend verbringen – ohne weitere Zuhörer.


Stimme.de