Das Herz schlägt weiter: Christian Erkisen ist der Fixpunkt der Dänen
Christian Eriksen ist auch drei Jahre nach seinem lebensbedrohlichen Zusammenbruch unverzichtbar für die Dänen. In Stuttgart geht es am Sonntag gegen Slowenien.

In Freudenstadt nehmen sie noch mehr Anteil an dieser EM, seit das dänische Nationalteam den Entschluss fasste, sich im Nordschwarzwald einzuquartieren. Im Juni und Juli präsentieren die Geschäfte des 23 500-Einwohner-Städtchen in ihren Schaufenstern eine Sammlung handgemachter Fußbälle - gefertigt von Straßenkindern, die für einen Hungerlohn zu Nadel und Faden greifen. Der globalisierte Kick hat auch seine Schattenseiten. In anderer Form hat auch der dänische Spielmacher Christian Eriksen ein dunkles Kapitel hinter sich.
Wenn der Star der Dänen im Auftaktspiel gegen Slowenien in Stuttgart (Sonntag 18 Uhr/ZDF und Magenta) in Stuttgart das Feld betritt, spielen unweigerlich die Erinnerungen an den 12. Juni 2021 mit. Alle Beteiligten im Parken- Stadion in Kopenhagen und Millionen TV-Zuschauer hielten den Atem an, als Eriksen an jenem Samstagabend mit Herzstillstand zusammensackte. Die Mitspieler bildeten einen Schutzwall um Eriksen. Viele drehten ihm den Rücken zu, einige weinten. Dramatische Bilder gingen um die Welt. Es ist nicht selbstverständlich, dass der 32-Jährige nun sein drittes EM-Turnier bestreitet.
Abgeschiedenheit half den Dänen, das Drama um Christian Eriksen zu verarbeiten
Als Kasper Hjulmand dieser Tage charakterisieren wollte, dass Eriksen weiterhin "das Herz" seines Teams sei, holte der Nationaltrainer kurz Luft. Hätte das Ärzteteam damals nicht so gedankenschnell gehandelt und einen Defibrillator benutzt, wäre die Wiederbelebung kaum gelungen. Den Dänen half nach dem Eriksen-Drama, dass sie wegen der Pandemie stets in ihr Quartier in Helsingør an der schmalsten Stelle des Öresunds zurückreisten. In der Abgeschiedenheit gelang es, die bewegenden Geschehnisse aufzuarbeiten. Erst rückblickend wird klar, welch mentale Kraft alle Protagonisten aufbrachten, als der Europameister von 1992 sich trotz der Auftaktniederlage gegen Finnland noch bis ins Halbfinale kämpfte. Erst in der Verlängerung gegen England zündete Danish Dynamite nicht mehr.
Hjulmand hatte die Causa damals meisterhaft moderiert und später auch das Comeback seines besten Technikers einfühlsam orchestriert. Bis heute stellt sich der 52-Jährige schützend vor seinen Regisseur, dessen Spielintelligenz sein Coach nicht missen mag: "Er ist unser Rhythmus, er ist unser Mann auf dem Feld, der das Spiel diktieren kann. Wenn er gut spielt, spielen wir auch gut." Neben dem Fußballer will er auch den Menschen nicht missen: "Abseits des Feldes ist er so ein netter Kerl, er redet mit jedem und ist ein guter Junge. Er ist positiv und offen." Genauso wollen die Skandinavier im Schwarzwald rüberkommen, wobei Hjulmand bei der Quartierwahl auf den Tipp eines Kollegen hörte: "Jürgen Klopp hat mir gesagt, dass das der beste Ort ist."
Er spielt nun mit Herzschrittmacher
Auch Eriksen verbreitete viel gute Laune. Er spielt nun mit einem Herzschrittmacher. Nach seinem Comeback beim FC Brentford trumpfte er gleich so stark auf, dass ihn ManU noch im Sommer 2022 für drei Jahre unter Vertrag nahm. Doch die abgelaufene Saison lief für ihn nicht mehr gut. Nur 28 Pflichtspiele absolvierte der Routinier, die meisten nicht über die volle Distanz.
Irgendwie hat der Mann mit der Fast-Glatze das Gefühl, dass speziell er für seine Nationalmannschaft in der Bringschuld steht. "Ich denke ständig, dass da noch etwas fehlt: dem Team bei einem Turnier meinem Stempel aufzudrücken. Ich habe das Gefühl, dass das der einzige Traum ist, der noch nicht verwirklicht ist", sagte der 130-malige Nationalspieler.
Sportliche Achterbahnfahrt mit viel Kritik
Auf seine Wiedereingliederung beim Nationalteam im März 2022 folgte eine sportliche Achterbahnfahrt. Bei der WM 2022 in Katar standen das Team und der Stratege neben sich, verabschiedeten sich ähnlich emotionslos wie Deutschland. Es gab Kritik, die Christian Eriksen nun mit Taten statt Worten beantworten will.