Wie Inhaftierte der JVA Heilbronn die Weihnachtszeit verbringen
Das Fest der Liebe hinter Gittern und hohen Mauern, ganz ohne die Familie oder Freunde zu feiern, ist für viele Häftlinge eine Herausforderung. Für Ablenkung soll ein erweitertes Freizeitangebot sorgen.

Familie. Plätzchenduft, Lichterglanz: Während Weihnachten für viele Menschen die schönste Zeit des Jahres ist, ist sie für Inhaftierte oft die herausforderndste. Darin sind sich Jochen Stiefel, evangelischer Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Heilbronn, und der katholische Seelsorger Hubertus Mayer einig. „Die Sehnsucht nach Familie und Freunden ist groß, manch einem wird dann erst so richtig bewusst, was er getan hat“, beschreibt Hubertus Mayer die Gefühle, die in vielen Häftlingen an den Tagen zwischen den Jahren aufkommen. Seit mehr als 22 Jahren arbeitet der 59-Jährige in der Gefängnis-Seelsorge.
Gefängnis-Seelsorger sind zwischen den Jahren gefragt wie nie

Über Weihnachten bis Neujahr sind die Werkbetriebe geschlossen. Viele Insassen würden die freien Tage zunächst zwar genießen, aber dann eine harte und intensive Phase durchmachen, „weil sie viel Zeit zum Nachdenken haben und sich nicht mehr durch die Arbeit ablenken können“. Eine Zeit, in der die Gefängnis-Seelsorger mehr gefragt sind denn je. „Wir beide staunen immer wieder, nicht nur an Weihnachten, sondern das ganze Jahr über, wie viele Insassen bereit sind, sich zu öffnen und von sich und ihrer Lebensgeschichte zu erzählen. Das ist sehr berührend", sagt Hubertus Mayer. Nicht jeder Inhaftierte habe außerhalb der JVA einen Menschen in seinem Leben gehabt, der nach ihm fragt, sich seine Wünsche oder Ängste anhört.
Manche Häftlinge saugen alles auf, andere weisen alles von sich
Mit der intensiven Zeit an Weihnachten gehen die Inhaftierten unterschiedlich um, erklärt Jochen Stiefel. Manche hätten eine Krippe aus Papier gestaltet und sie bunt bemalt oder Sterne gebastelt, um ihre Zelle zu schmücken. „Auf der anderen Seite gibt es die absoluten Verweigerer, die versuchen, alles auszublenden, was mit Weihnachten zu tun hat“, ergänzt Mayer. Die Bandbreite zwischen Häftlingen, die „alles begierig aufsaugen“, und jenen, die „alles von sich weisen“, sei groß. Natürlich gebe es auch Insassen, die aus einer anderen Kultur kommen und Weihnachten nicht feiern.

Dennoch werde es für alle 312 Inhaftierte ein besonderes Weihnachtsessen geben, ebenso wie ein Überraschungspäckchen, erklären die Gefängnis-Seelsorger. Mithilfe von zwei, drei anderen Sträflingen befüllen sie in den Tagen vor Heiligabend um die 350 Geschenktüten, in die unter anderem ein Taschenkalender, ein Weihnachtsgruß, Stollen und Schokolade, ein Tagebuch, ein Feuerzeug sowie eine kleine Kerze kommen. „Ein Highlight für viele“, betont Jochen Stiefel. „Kerzen sind ein besonderes Geschenk, weil sie nur an Weihnachten erlaubt sind.“
Traurig stimmt die beiden Seelsorger, dass der Gefangenenchor coronabedingt nicht auftreten kann. Auch die wöchentlichen Adventsstunden mit Plätzchen, Geschichten und gemeinsamem Singen mussten entfallen. Dafür sind an Heiligabend zwei Gottesdienste geplant, um die Insassen aufzuteilen und so genug Abstand im Kirchensaal halten zu können.
Skypen mit seinen Liebsten, Kochen, Schmücken
Für die Tage zwischen den Jahren seien Spiel- und Sportturniere geplant. Außerdem dürften sich die Häftlinge freier als sonst auf ihren Stockwerken bewegen, sich auch mal gegenseitig auf ihrer Zelle besuchen oder kochen. „So wollen wir wenigstens ein bisschen Weihnachtszauber in die Anstalt bringen“, erklärt Andreas Vesenmaier, Leiter der JVA, und fügt hinzu: „Der Mensch steht im Vordergrund. Wir wollen, dass es den Insassen gut geht.“ Auch Besuch von außerhalb an den Weihnachtsfeiertagen soll unter Corona-Hygieneregeln ermöglicht werden. Insassen, deren Angehörige im Ausland leben, dürften per Videoschaltung über Skype mit ihren Liebsten telefonieren, so Vesenmaier.
Baumschmücken wird stundenlang zelebriert
Für weihnachtliche Atmosphäre sorgen ein festlich geschmückter Kirchensaal, ein Adventskranz sowie ein Weihnachtsbaum vor der Anstalt. Geschmückt wird er jedes Jahr von ein bis zwei Insassen aus dem offenen Vollzug, die das laut Vesenmaier genießen und sich einige Stunden Zeit dafür nehmen. „Wir Bediensteten staunen dann immer, wie akkurat die Lichterkette sitzt, da ist nichts dem Zufall überlassen. Das freut uns natürlich, wenn man der Anstalt nach außen ein Gesicht gib“, sagt der Gefängnis-Leiter.
Weihnachtsamnestie: Zehn Häftlinge früher entlassen
Kurz vor Weihnachten lässt die Justiz traditionell Häftlinge mit guter Führung frei, deren Strafe ohnehin in Kürze auslaufen würde. Der Vorgang nennt sich Weihnachtsamnestie. Laut der Deutschen Presseagentur sind in Baden-Württemberg in diesem Jahr 184 der rund 6500 Häftlinge früher als zunächst geplant entlassen worden. In Heilbronn wurden bisher zehn Gefangene der JVA entlassen, wie Anstaltsleiter Andreas Vesenmaier erklärt. Die Entscheidung, wer gehen darf, unterliege einer strengen Prüfung und werde von der Staatsanwaltschaft getroffen. Eine Entlassung vor den Feiertagen ermöglicht etwa die Erledigung nötiger Behördengänge und anderer Termine, bevor diese in die Weihnachtspause gehen. Erfahrungsgemäß sei es für die ehemaligen Häftlinge dann auch einfacher, sich auf Wohnungs- und Arbeitssuche zu begeben. kön/dpa