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Wie andere Städte ihre Zukunft gestalten

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Heilbronn hat es mit dem Neckarbogen erlebt: Neue Stadtviertel zu planen, ist für alle Städte eine Herausforderung. Wir stellen Beispiele vor, die von sich reden gemacht haben: Vauban in Freiburg, die Bahnstadt in Heidelberg und Aspern in Wien.

von Bärbel Kistner
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Ehemalige Kasernen in Wohngebiete zu verwandeln, dafür gibt es in Deutschland viele Beispiele. In den 1990er Jahren wurden vielerorts amerikanische und französische Militärstützpunkte aufgelöst. Nach Abzug der Soldaten blieben Kasernengelände zurück. In Heilbronn entstanden der Badener Hof und die Hoover Siedlung.

Im Freiburger Vorzeige-Stadtteil Vauban wohnen 5500 Menschen. Foto: dpa
Im Freiburger Vorzeige-Stadtteil Vauban wohnen 5500 Menschen. Foto: dpa  Foto: Rolf Haid (dpa)

In Freiburg war es das 38 Hektar große innenstadtnahe Vauban-Areal, das größtenteils die Stadt Freiburg vom das Bundesvermögensamt kaufte, 4 Hektar übernahmen das Studentenwerk und eine „Selbstorganisierte Unabhängige Siedlungsinitiative“. 1994 lobte die Stadt Freiburg einen städtebaulichen Ideenwettbewerb aus, mit für die damalige Zeit sehr fortschrittlichen Vorgaben:

  • Mischung von Arbeit und Wohnen

  • Vorrang für Fußgänger, Radfahrer und öffentliche Verkehrsmittel

  • Erhalt des Baumbestands und eines Biotops

  • Soziale Mischung

  • Niedrigenergiebauweise

  • Grünflächen zwischen den Häusern

 

Ein Stadtteil für 5500 Einwohner ist entstanden, „in dem Bürgerengagement, Bauen in der Gemeinschaft und umweltbewusstes Leben großgeschrieben werden“, heißt es auf der Homepage der Stadt Freiburg. Parallel mit der privaten Erschließung sei die Infrastruktur mit einer Schule, Kindergärten, Jugendeinrichtungen, einer bürgerlichen Begegnungsstätte, Marktplatz sowie Freizeit- und Spielflächen entstanden. Auch beim Regenwassermanagement war man zukunftsweisend: Flachdächer speichern einen Teil des Niederschlags.

Autofreies Viertel

Beim Thema Autoverkehr machte das Vauban-Viertel bundesweit von sich reden. Es gibt keine Garagen an oder unter den Wohngebäuden. Viele Haushalte sind autofrei, für private Fahrzeuge gibt es zwei Quartiersgaragen mit 470 Stellplätzen. Seit 2006 ist Vauban durch die Stadtbahn erschlossen.

Die Vorgaben für Autobesitzer sind restriktiv. Auf den Baufeldern entlang der Vauban-Allee dürfen keine privaten Stellplätze errichtet werden. Wer ein Auto besitzt, muss einen Stellplatz für rund 18.000 Euro in einer der Quartiersgaragen kaufen. Die Wohnstraßen sind nur zum Be- und Entladen befahrbar. Für Besucher gibt es im Quartier rund 200 öffentliche Parkplätze entlang der Straßen.

Seit durch den Vollzugsdienst kontrolliert wird, soll das Angebot ausreichend sein. Ein Autofreiverein wacht über die Einhaltung der Regeln. Geschätzt wird, dass bis zu 15 Prozent der Bewohner versuchen, die Autofrei-Regelungen zu umgehen und beispielsweise Autos auf Verwandte anmelden.  

Dichte und Qualität

Nutzungsmischung, städtebauliche Dichte, architektonische Qualität und Baugruppen sollen Urbanität garantieren und einem hohen Identifikationsgrad der Bewohner mit ihrem Viertel befördern. Von der Größe entspricht Vauban etwa dem gesamten Heilbronner Buga-Gelände. Sechs der rund 40 Hektar sind öffentliche Grünflächen.

Bahnstadt Heidelberg

Blick in die Heidelberger Bahnstadt. Foto: dpa
Blick in die Heidelberger Bahnstadt. Foto: dpa  Foto: Uwe Anspach (dpa)

Während der Neckarbogen nur als Stadtquartier gilt und zur Heilbronner Kernstadt gehört, ist die Bahnstadt in Heidelberg ein neuer Stadtteil, der 15. der Universitätsstadt am Neckar. 2011 wurde mit dem Bau begonnen, 2012 zogen die ersten Bewohner ein. Derzeit entsteht der dritte Bauabschnitt auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs.

Das Areal der Bahnstadt hat mit 108,6 Hektar eine beachtliche Größe: Der Neckarbogen hat weniger als ein Viertel der Heidelberger Fläche und ist nur 24 Hektar groß. Während das Heilbronner Quartier 3500 Bewohner vorsieht, sind es in Heidelberg bis zu 6000 Einwohner, dazu etwa 7000 Arbeitsplätze durch Ansiedlung von Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben.  

Die Bahnstadt ist eines der größten Stadtentwicklungsprojekte in Deutschland mit anderen Dimensionen als das Heilbronner Quartier. Es gibt mehrere Kitas, ein Bildungshaus und ein Bürgerhaus. Die Bahnstadt hat ein eigenes Kino. Am Rande wird eine Großsporthalle bebaut.

Brücke über Bahngleise kommt später

Eine Parallele zu Heilbronn gibt es in Bezug auf Brücken über die Bahngleise als zentrale Fuß- und Radanbindung. Der Bau der Blitzbrücke von der Bahnhofstraße zum Neckarbogen ist beschlossene Sache, Vorarbeiten haben begonnen. Ende 2021 soll der Bau fertig sein. Es sind Kosten von 19 Millionen Euro veranschlagt – deutlich mehr als ursprünglich geplant. Die Brücke sollte zur Bundesgartenschau fertigwerden, doch der Bau wurde zurückgestellt, weil nur ein Angebot vorlag.

In Heidelberg sollte der Bau der Gneisenaubrücke über die Bahngleise als Verbindung von Bahnhof und Bahnstadt demnächst beginnen. Doch das Projekt wird aus Kostengründen verschoben. Es war ebenfalls nur ein Angebot eingegangen, das weit über dem geplanten Kostenrahmen lag. Die Stadt hatte Baukosten in Höhe von 5,5 Millionen Euro kalkuliert. Das einzige Angebot lag bei 16,1 Millionen Euro. Jetzt gibt es eine Neuausschreibung. Der Baubeginn steht noch nicht fest.

Bezahlbarer Wohnraum und Ärger ums Parken

Die Stadt Heidelberg hat ein extra Förderprogramm für sozialen Wohnungsbau aufgelegt. 20 Prozent des gesamten Wohnraums in der Bahnstadt soll bezuschusst werden. Hierfür stehen sechs Millionen Euro bereit. 

Das Thema Parken sorgt ähnlich wie im Neckarbogen auch in der Bahnstadt für Ärger. Parken oberirdisch ist nicht kostenlos. 2016 wurde eine Parkraumbewirtschaftung eingeführt. Anwohner kritisieren, dass der Platz in den Tiefgaragen nicht ausreicht – allerdings sieht man beim Stadtteilverein der Grund für die oberirdische Parkplatznot darin, dass viele Anwohner zu faul seien, in die Tiefgarage zu fahren. Das Konzept der Bahnstadt setzt auf wenige Stellplätze im öffentlichen Raum.

Heidelberg Village

Das Heidelberg Village ist ein Quartier innerhalb der Bahnstadt mit Passivhäusern. Diese haben begrünte Fassaden, gemeinschaftlich genutzten Dachterrassen, Spielplätze, Quartierstreff und einen bunten Bewohnermix in den 162 Wohneinheiten. Allerdings gab es erhebliche Probleme mit der Fertigstellung, Mieter konnten verspätet einziehen.

Seestadt Aspern Wien

In Aspern steht mit dem HoHo eines der höchsten Holzhäuser weltweit: 24 Stockwerke und 84 Meter hoch. Foto: dpa
In Aspern steht mit dem HoHo eines der höchsten Holzhäuser weltweit: 24 Stockwerke und 84 Meter hoch. Foto: dpa  Foto: Michael Baumgartner (Kito)

Noch deutlich größere Dimensionen hat die Seestadt Wien in Aspern als eines der größten Stadtentwicklungsgebiete in Europa. Sieben Kilometer vom Zentrum entfernt, im Nordosten Wiens, wird über den Zeitraum von 20 Jahren ein neuer Stadtteil für 20.000 Menschen gebaut, fast ebenso viele Arbeitsplätze werden geschaffen. Die Fläche umfasst 240 Hektar. 2009 wurde mit dem Bau begonnen. Die U-Bahn-Linie war fertig, bevor die ersten Bewohner einzogen, ebenso Kindergärten und Schulen.

Die Seestadt soll keine Schlafstadt sein, sondern ist auf die Durchmischung von Funktionen ausgerichtet: also keine reine Wohnnutzung oder Gewerbenutzung. Die Mitte bildet ein fünf Hektar großer See, es gibt drei Parks mit zusammen acht Hektar Fläche. Der öffentliche Raum mit Straßen, Plätzen und Parks umfasst 50 Prozent der Gesamtfläche.

Das Mietniveau ist Wien-typisch und verglichen mit deutschen Städten gering: Für reguläre Wohnungen zahlt man 12 bis 14 Euro pro Quadratmeter, inklusive der Betriebskosten, geförderte Genossenschaftswohnungen kosten unter zehn Euro.

In Aspern steht mit dem HoHo eines der höchsten Holzhäuser weltweit: 24 Stockwerke und 84 Meter hoch. Die Gemeinde Aspern ist übrigens der Geburtsort von Fußballspieler David Alaba.

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