Die Zukunftsfragen im Neckarbogen drehen sich um Wohnraum und Verkehr
Zum Abschluss des Wochenthemas wagen wir einen Ausblick auf den zweiten Bauabschnitt im Neckarbogen. 2021 wird dort weitergebaut. Die Heilbronner Sozialverbände drängen auf eine höhere Sozialquote.

Wenn im kommenden Jahr der Neckarbogen weitergebaut wird, gibt es neben der Architektur und der technischen Innovation bei den Gebäuden vor allem zwei Themen, die die Gemüter bewegen: Wie teuer wird der Wohnraum? Welche Lösungen gibt es für den Verkehr?
Im Sommer hat der Gemeinderat die Weichen für die weitere Bebauung des Neckarbogens gestellt: mit der Vergabe der Grundstücke nach Konzept durch eine Baukommission, der Festlegung auf die Preise, mit dem Bau von Quartiersgaragen und der 20-Prozent-Quote für geförderten Wohnraum.
Soziale Komponente mehr berücksichtigen
Für die Sozialverbände ist das Thema Quote aber nicht vom Tisch. Sie drängen darauf, die beschlossene Quote noch einmal zu überdenken. Die soziale Komponente ist ihnen im wohnungspolitischen Konzept unzureichend berücksichtigt.
Im Ratssaal war das Votum zur Quote denkbar knapp. Grüne, SPD und Linke wollten eine Förderquote von 30 Prozent durchsetzen und hatten einen entsprechenden Antrag gestellt: 18 Ja-Stimmen standen 20 Nein-Stimmen entgegen.
Die Verwaltung hatte sogar nur 15 Prozent Anteil geförderter Wohnungen vorgeschlagen. Doch das war auch CDU, Freien Wählern und FDP zu wenig, die den Antrag auf 20 Prozent Förderquote durchbringen konnten.
80 geförderte Wohnungen
28 Gebäude mit zirka 400 Wohnungen werden im zweiten Bauabschnitt gebaut - bei der beschlossenen Quote kämen 80 neue Mietwohnungen mit Sozialbindung auf den Markt. Für Hannes Finkbeiner ist das bei Weitem nicht ausreichend, die beschlossene Quote eine Enttäuschung. "Die Situation im bereits angespannten Wohnungsmarkt für bezahlbare Wohnungen wird dadurch weiter angeheizt", gibt der Geschäftsführer der Aufbaugilde zu bedenken.
Der geförderte Wohnungsbau befinde sich in der Stadt wie im Landkreis "im Sinkflug", der Anteil preisgünstiger Mietwohnungen sinke - bei gleichzeitig steigenden Baukosten, Grundstückpreisen und Mieten. Auch die Mittelschicht gehöre längst zu den Verlierern auf dem Wohnungsmarkt. Besonders für alleinstehende Rentner mit kleinem Einkommen, Alleinerziehende, Geringverdiener, Hartz-IV-Empfänger und Wohnungslose gebe es so gut wie kein Angebot.
Die Aufforderung an Betroffene, "doch einfach in den Landkreis umzuziehen, ist illusorisch", betont Finkbeiner. Denn auch dort seien die Mieten inzwischen nicht nur für Hartz-IV-Empfänger zu hoch. Dazu kämen die schlechten Nahverkehrsverbindungen, zum Beispiel ins Zabergäu.
Hohes Preisniveau
Finkbeiner befürchtet, dass sich Bauträger im Neckarbogen "wie bisher auf hochpreisige Eigentumswohnungen konzentrieren". Die größte Last, günstige Wohnungen zu bauen, trage die Stadtsiedlung. Doch selbst die kommunale Wohnbautochter komme bei den Grundstückspreisen - 780 bis 960 Euro pro Quadratmeter - und vor allem ohne zusätzliches kommunales Wohnungsbauprogramm an Grenzen.
Ohne eine Korrektur des Stadtratsbeschlusses erwartet der Aufbaugilde-Chef Mietpreise im Neckarbogen um die 14 bis 15 Euro pro Quadratmeter, das bedeute für geförderte Wohnungen 8,50 bis 9,50 Euro. Damit müssten sogar die Nutzer geförderter Wohnungen im oberen Bereich der Einkommensgrenzen liegen, um solche Mieten überhaupt aufbringen zu können. Die Mietobergrenze sei überschritten. "Leistungsempfänger bleiben also in jedem Fall im Neckarbogen außen vor."
Durchmischung des Quartiers
Auch Hartmut Seitz-Bay von den Offenen Hilfen fordert eine Korrektur der Beschlüsse für das neue Stadtquartier. Die 20-Prozent-Quote widerspreche "den häufig getätigten Aussagen von Politik und Verwaltung, Wohnraum für alle schaffen zu wollen und den Neckarbogen bewohnermäßig zu durchmischen". Die aufgerufenen Quadratmeterpreise verhinderten "für jeden noch so gewillten Investor auf dem Areal Wohnraum für Geringverdiener oder Empfänger von Transferleitungen zu realisieren".
Leider habe die Landeswohnraumförderung des Landes Baden-Württemberg nicht die erwünschte Wirkung bei Investoren. Für diese sei es nach wie vor wirtschaftlicher, "mithilfe extremer Niedrigzinsen ohne Förderung zu bauen und dafür hochpreisig zu vermieten".
Inklusion braucht bezahlbaren Wohnraum
Seitz-Bay verweist auf die Praxis in vielen anderen Städten, die Investoren Grundstücke günstiger verkaufen, wenn sie geförderten Wohnraum bauen. Mit der derzeitigen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt könne Inklusion kaum gelingen, Menschen mit Behinderung seien immer mehr gezwungen, in sozialen Randbezirken zu leben.
Dekan fordert 30-Prozent-Quote
Auch das Evangelische Dekanat fordert Rahmenbedingungen, damit auch im Neckarbogen gezielt preiswerter Wohnraum geschaffen werden kann - etwa durch einen Nachlass auf Grundstückspreise. Angesichts der Situation auf dem Wohnungsmarkt erscheint aus kirchlicher Sicht die Quote von 20 Prozent als zu niedrig. "Sie sollte deutlich angehoben werden, am besten auf 30 Prozent", unterstreicht Dekan Christoph Baisch sein Plädoyer für einen sozialen wohnungspolitischen Akzent bei der Stadtentwicklung.
Nicht nur im Kontakt der Pfarrämter mit Menschen in Not, sondern auch bei Mitarbeitern in Kirche und Diakonie "erleben wir es deutlich, wie schwer es ist, im Stadtgebiet von Heilbronn bezahlbaren Wohnraum zu finden", sagt Baisch. "Solche Wohnraumnot tut dem Zusammenleben in unserer Stadt nicht gut."
Verkehr contra Lebensqualität
Nicht nur die weitere Bebauung steht im Fokus. Vor allem auch der Verkehr bewegt die Gemüter. Für manche Bewohner bringt das Konzept des autoarmen Quartiers vor allem mehr Lebensqualität - in den sozialen Netzwerken entsteht mitunter der Eindruck, als ob es nur um die Frage ginge, wo man am besten kostenlos seinen Zweitwagen abstellen kann.
Michael Schwager vom Verkehrsclub Deutschland vermisst beim Neckarbogen ein Konzept für den ÖPNV und einen Anschluss an das städtische Busnetz.