Kraftakt Bottwartalbahn: Die Wiederbelebung der Strecke erhält Rückenwind
Auf einmal hat die aufgegebene Trasse eine echte Zukunft: Die Bürgeraktion Bottwartalbahn sieht gute Chancen für eine Regionalstadtbahn, die Landkreise sprechen von neuen Perspektiven. Wenn das 150-Millionen-Euro-Projekt auf rund 34 Zugkilometern von Marbach bis Heilbronn klappen soll, müssten aber alle an der Strecke an einem Strang ziehen.

Das neue Prädikat „sehr hohes Nachfragepotenzial“ könnte der Beschleuniger für eine neue Bottwartalbahn sein. Die Einstufung des Landes hat neue Bewegung in ein Projekt gebracht, das viel diskutiert wurde, aber nicht entscheidend in die Gänge gekommen ist.
Viele Beteiligte, die Stadt Heilbronn, die Landkreise Heilbronn und Ludwigsburg sowie weitere Kommunen an der Strecke über Beilstein bis Marbach, müssten an einem Strang ziehen, um ein neues Nahverkehrsangebot auf der einst 34 Kilometer langen Schmalspurbahnstrecke zu schaffen. Aber: Ist das auch realistisch?
Bürgeraktion Bottwartalbahn geht von bis zu 10.000 Fahrgästen pro Werktag aus
Ja, sagt die Bürgeraktion Bottwartalbahn, die sich seit einigen Jahren für die Reaktivierung der Strecke einsetzt. Pressereferent Hans-Joachim Knupfer skizziert konkrete Vorstellungen, wie eine neue Bahn aussehen könnte. Eine Regionalstadtbahn mit schmalem Gleis wäre die sinnvollste Variante, zumal auch der Anschluss ans Heilbronner Stadtbahnnetz, nach Karlsruhe, Öhringen oder Mosbach attraktiv für Nutzer wäre.

Eingleisig könne die Strecke auf dem längsten Teil der Route sein, mit einigen Begegnungsgleisen zum Ausweichen. Beim Fahrgastaufkommen hält Knupfer 8000 bis 10.000 Fahrgäste an Werktagen für realistisch, da das Angebot „attraktiver wird als der Busverkehr“. Man könne ohne Auto bequem und umweltschonend bis Heilbronn kommen.
Ein Takt von 15 Minuten im Berufsverkehr, sonst 30-Minuten- bis Stundentakt hält er für möglich. Geschätzte Fahrzeit Beilstein-Heilbronn: rund 40 Minuten. Jeder Ort solle mit ein, zwei Haltestellen angeschlossen werden. Bei rund 57.000 Anwohnern an der Strecke (ohne Heilbronn und Marbach) ergeben sich für die Bürgeraktion sehr gute Perspektiven.
Knackpunkt ist die Kosten-Nutzen-Rechnung: Hier gibt es neue Vorgaben
Von gut 150 Millionen Euro Baukosten geht Knupfer aus. Geld, das zu 85 bis 90 Prozent von Bund und Land über Fördermittel getragen werden könnte. In etwa acht bis zehn Jahren, so der Pressereferent, könnte so ein Projekt zu stemmen sein, „wenn alle in die gleiche Richtung gehen“. Das große Manko bisher: Bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen, der Standardisierten Bewertung, lagen alle untersuchten Trassenvarianten weit unter dem Faktor 1,0, der Bedingung für Fördermittel ist. Aber: Derzeit überarbeiten Bund und Land die Berechnungsgrundlagen. Knupfer geht von positiveren Resultaten aus, wenn man den Anschluss ans Heilbronner Stadtbahnnetz einbezieht oder einen Streckenverlauf über Flein und die Heilbronner Charlottenstraße zur Allee. Dadurch könnten Buslinien nach Flein eingespart werden.
Für Oliver Kämpf, Bürgeraktion-Mitstreiter und Stadtrat in Beilstein, wäre es nötig, dass Anrainerkommunen und Landkreise eine Kirchturmperspektive überwinden und das Projekt als Ganzes sehen. Er hofft auf gemeinsame Lösungen, sieht erste positive Zeichen.
Planung ruht

Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel hat schon signalisiert, dass eine neue Schienentrasse nach Süden das Heilbronner Stadtbahnnetz „vervollständigen könnte“. Für einen konkreten Trassenvorschlag durch Heilbronn ist es nach Ansicht der Verwaltung noch zu früh. Man könne konkreter werden, wenn der Verlauf der Trasse durch den Landkreis Heilbronn feststehe. Dann werde die Stadt „weitere vertiefte Planungen veranlassen“.
Die Landkreise Heilbronn und Ludwigsburg begrüßen beide in einer Pressemitteilung das „Reaktivierungskonzept des Landes“. Sie sprechen von einer „erfreulichen neuen Perspektive“. Aber: Die Planungen für eine neue Wirtschaftlichkeitsberechnung ruhen derzeit, bis Bund und Land veränderte Verfahrensanleitungen vorlegen. Die Landkreise erhoffen sich Verbesserungen bei der Kosten-Nutzen-Rechnung. Um alle Möglichkeiten einer Reaktivierung auszuloten, haben die Kreise um einen Gesprächstermin im Verkehrsministerium gebeten.
Wie das Heilbronner Landratsamt bestätigt, würde eine erneute Standardisierte Berechnung des Bahnprojekts von den beiden Landkreisen in Abstimmung mit den Anliegerkommunen in Auftrag gegeben. Man kann also bestimmen, welches Fachbüro mit der entscheidenden Expertise betraut wird.
Vage hat das Verkehrsministerium zudem offenbar eine Hintertür angedeutet, falls auch eine neue Kosten-Nutzen-Berechnung für die Strecke die 1,0-Hürde nicht nehmen würde. Das Landratsamt Ludwigsburg verweist auf eine vom Verkehrsminister erwähnte mögliche „Einzelfallentscheidung“, die für eine Reaktivierung von Strecken greifen könnte. Dies könne eine neue Perspektive eröffnen, stellte Erster Landesbeamter Jürgen Vogt fest.
Hoffen auf eine Initialzündung
Die größten Chancen für eine erste Bauetappe sieht der Beilsteiner Oliver Kämpf beim Nordast einer neuen Bottwartalbahn zwischen Beilstein und Heilbronn. Dort gebe es bereits den Stadtbahnanschluss; im Südast nach Marbach dagegen Engstellen und einige zurückhaltende Bürgermeister. Was für ihn die größte Hürde bei dem Projekt ist? „Man braucht jetzt irgendwo eine Initialzündung“, sagt Kämpf. Entweder man erreiche den 1,0-Faktor – „oder es gibt eine klare politische Entscheidung, dass man das Projekt machen will“.
Historie
Die Ursprünge der Bottwartalbahn liegen im 19. Jahrhundert. Am 10. Mai 1894 wurde die Zug-strecke Marbach-Beilstein mit einer Schmalspurbahn eingeweiht. Die Bahnhöfe waren nach Recherchen des Historischen Vereins Bottwartal am Premierentag so mit Menschen überfüllt, dass in Beilstein „nur der Ministerpräsident zur Begrüßung aussteigen konnte“.
Ab Dezember 1900 fuhr die Bahn von Beilstein bis zum Heilbronner Südbahnhof weiter. Sowohl Passagierwagen als auch Güterwaggons wurden von den Dampf- oder Dieselloks gezogen. Knorr und eine Zuckerfabrik lagen in direkter Nähe der Endstation in Heilbronn.
Als ab den 1950er Jahren zunehmend Buslinien eröffnet wurden, begann der Abstieg der Bottwartalbahn. Landesregierung und Bahn investierten lieber in die großen Hauptstrecken. Die Nebenstrecke wurde unwirtschaftlich. Im September 1966 fuhr der letzte Personenzug auf der Bottwartalbahn, 1968 wurde in Etappen fast überall der Güterverkehr eingestellt. Die Bahnstrecke ist entwidmet. Einige wenige Gleisreste sind noch vorhanden, auch in Heilbronn.