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Was das Stückle mit Psychologie zu tun hat

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Menschen zieht es aus einem bestimmten Grund raus in den Schrebergarten - oder wie man hier sagt: aufs Stückle. Die Arbeit mit Pflanzen hilft nach Ansicht von Gartentherapeut Konrad Neuberger dabei, "die Dinge besser zu verstehen".

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Der Garten, philosophiert Konrad Neuberger aus Düsseldorf, sei im Grunde eine eigene Wissenschaft. Die Tätigkeiten im Garten schafften Wissen. Wissen, das notwendig sei, um sich selbst besser zu verstehen. Oder man kann auch sagen: Gartenpflege hat viel zu tun mit Selbstpflege. Neuberger ahnt, dass der Begriff Therapie manchmal überstrapaziert wird.

Mit dem Rechen arbeiten, wirkt nach Ansicht von Gartentherapeuten beruhigend. Foto: dpa
Mit dem Rechen arbeiten, wirkt nach Ansicht von Gartentherapeuten beruhigend. Foto: dpa  Foto: Frank Rumpenhorst (dpa)

Die eigene Verwurzelung wird im Garten klarer

"Aber im Garten ist es so", erklärt Neuberger: "Man läuft selbst nicht weg, genauso wenig wie die Pflanzen weglaufen." Die Sehnsucht nach einem kleinen, eigenen Königreich draußen in der Natur kann als eine Sehnsucht nach einem besseren Verständnis des eigenen Daseins betrachtet werden. Die Menschen suchten im Garten das Lebendige.

"Man verwurzelt sich mit den Dingen, spürt die eigene Verwurzelung im Garten", sagt der Therapeut, der auf einem Hof in der Nähe von Wuppertal lange Jahre psychisch Kranke betreute und begleitete. Heute ist er im Ruhestand, und befindet sich zum Telefoninterview mit Stimme.de gerade in seinem Gartenhüttchen. Trotz Ruhestands ist er noch Vorsitzender der Gesellschaft für Gartenbau und Therapie, der zahlreiche Therapeuten deutschlandweit angehören.

Konrad Neuberger. Foto:privat
Konrad Neuberger. Foto:privat  Foto: HarocMarcard

In Zeiten der Pandemie wurde es auffällig wie nie zuvor: Viele Menschen zog und zieht es aus ihren Wohnungen nach draußen in die freie Natur, vorzugsweise auf das eigene, geschützte Stückle. Dort atmen sie frische Luft ein. Konrad Neubergers Ansatz ist ohnehin von Frischluft geprägt. Wohnungen seien begrenzt, beengt, senkrecht, voller weißer Wände. Das macht nach seiner Auffassung etwas mit den Menschen. Menschen reagierten auf etwas, alles unterliege einer Resonanz. Und wer aus der Wohnung nach draußen gehe, "der atmet erst einmal aus".

Pflanzen und Menschen brauchen Raum

Das eigene Stückle versteht den Menschen, den an und auf ihm Arbeitenden. "Der Mensch erkennt: Das Leben ist nicht immer das Einfachste." Eine Pflanze wüchse nicht immer nach oben, sagt Neuberger. Sondern auch einmal nach unten. Sie wachse dorthin, wo es Raum gebe. Weil da Platz ist. Menschen brauchten auch diesen Raum und diesen Platz. "Wir sehen im Garten an den Pflanzen, wie sie darum kämpfen, am Leben zu bleiben und was es heißen kann, am Leben zu bleiben."

In seiner langjährigen Arbeit mit Patienten habe er es immer wieder erlebt, dass Menschen zusammen gärtnerten und plötzlich ganz ähnliche Gedanken hatten. Menschen, die ähnliche Körperhaltungen einnehmen, könnten sich besser ineinander einfühlen und seien näher beisammen. Daher spiegele ein Therapeut gerne die Haltung des Patienten.

Arbeit an der Hecke, psychologisch wohl noch unterschätzt. Foto: dpa
Arbeit an der Hecke, psychologisch wohl noch unterschätzt. Foto: dpa  Foto: Kai Remmers (dpa-tmn)

"Die innere, nach außen projizierte Landschaft"

Während die Pandemie einerseits viele Menschen hinaus aufs Stückle trieb, gibt es andererseits jene Kräfte, die nichts sehnlicher wollen, "als die Maschinen anzuwerfen und im Takt zu rattern", ganz wie zuvor. Manche wollten unbedingt und jetzt gleich wieder nach Mallorca. "Ehrlich gesagt: Mich interessiert das nicht wirklich. Ich erfreue mich an den Dutzend Päonien, die ich geschenkt bekommen habe, und an blühenden Apfel- und Kirschbäumen."

Was nicht vergessen werden sollte, so die Überzeugung von Konrad Neuberger: Der Garten könne alle lehren, mehr Achtsamkeit für sich selbst aufzubringen. Neuberger spricht von Phytoresonanz und zitiert gerne den amerikanischen Umweltschützer Paul Shepard: „Der Garten stellt eher eine Vergrößerung dar als eine Welt im Kleinen. Er ist die innere, nach draußen projizierte Landschaft.“

 

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