Das Stückle früher, heute und morgen
Von Kleingartenanlage bis zur Obstwiese - Stückle gibt es viele in der Region. Zahlreiche Menschen pflanzen, ernten und entspannen auf den kleinen Arealen. Doch hat sich auch die Welt der Kleingärtner über die Jahre gewandelt. Exemplarisch haben wir mit zwei Gartenfreunden über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Kleingärten gesprochen.

Tulpen blühen in Rot und Gelb, Erdbeerpflanzen, Salatköpfe im Gewächshaus, lilafarbene Stauden säumen den Weg, Regenwasser sammelt sich in großen, hellen Fässern. Anders als beim Stückle mit Wiese und Obstbäumen spielt beim Garten in einer Kleingartenanlage der Anbau von Obst und Gemüse eine wichtigere Rolle – und der Verein, dem die Kleingärtner angehören müssen, bevor sie überhaupt einen solchen Garten pachten können. Die Gartenfreunde Rasenäcker bearbeiten 112 Stückle in ihrer Dauerkleingartenanlage am westlichen Rand des Heilbronner Stadtteils Böckingen.
Das Interesse an Möglichkeiten, Zeit an der frischen Luft zu verbringen, sei in Corona-Zeiten noch stärker als davor, sagt Ralf Hennrich. „Wenn jemand oben auf der Schanz im Hochhaus lebt, bedeutet so ein Stückle Freiheit.“ Doch – ebenso wie vor Corona – gebe es im Gebiet Rasenäcker, wie in den anderen Gartenanlagen auch, kaum Stückle zu vergeben. „Wir haben eine sehr geringe Fluktuation. Mal ein Grundstück, mal zwei, aber auch mal keines in einem Jahr.“ Umso wichtiger sei es, eine gute Balance zu finden. So müssten sich die Kleingärtner nach wie vor an die Regel ein Drittel Obst und Gemüse, ein Drittel Zierpflanzen und ein Drittel Freizeit halten. „Aber es geht heute nicht mehr um die Selbstversorgung mit Lebensmitteln. Tomaten kann ich im Supermarkt billiger kaufen.“
Für die Kommunikation: Zäune und hohe Hecken verboten
Es sei wichtig, Familien in die im Durchschnitt drei Ar großen Grundstücke zu holen, sagt Hennrich. „Deswegen tolerieren wir auch Grill, Rutsche und Trampolin.“ Denn ohne Nachwuchs drohe die Vergreisung, unter der auch viele andere Vereine leiden. „Wir sind kein Fußballverein, bei dem der Fokus ganz von alleine auf der Jugend liegt.“ Den Generationswechsel in den vergangenen Jahren habe man ganz gut hinbekommen, Hennrich schätzt den Altersdurchschnitt auf 40 bis 45 Jahre. Nicht zuletzt, um die Kommunikation zwischen den Mitgliedern zu ermöglichen und zu stärken, seien Zäune und allzu hohe Hecken auf dem Gelände verboten. „Bei Schwaben dauert es manchmal ein bisschen länger, bis ein Neuer akzeptiert wird. Aber nach einem gemeinsamen Viertele funktioniert das schon.“
Der Verein habe sich im Vergleich zu früher verändert, sei internationaler geworden. „Dafür ist das Vereinsdenken nicht mehr ganz so ausgeprägt wie früher“, sagt der Vorsitzende. Zwölf Stunden muss jedes Mitglied Jahr für Jahr in die Vereinsarbeit einbringen – zum Beispiel beim großen Sommerfest in der dritten Juniwoche. „Heute kostet es mehr Aufwand, Mitglieder ans Engagement im Verein heranzuführen“, sagt Hennrich. „Aber Feste sind ja zurzeit sowieso kein Thema. Vielleicht geht ja wenigstens etwas Richtung Herbst.“ Nicht zuletzt, weil Feste die Haupteinnahmequelle des Vereins sind. „Wir leben von einem Polster, das wir über die Jahre aufgebaut haben. Aber ewig geht das nicht.“
"Wir haben uns schon damals für Umweltschutz eingesetzt"
An die Zeit, als die Böckinger Kleingärtner noch auf der Viehweide Tomaten und Salat anbauten, erinnert sich Horst Buick. Er ist seit 1974 Mitglied der Gartenfreunde und war von 1985 bis 2003 deren Vorsitzender. „Nachdem wir 1959 von Duisburg hierher gezogen waren, hatten wir in den 1960er Jahren einen Garten am Wartberg. Das war wunderbar“, erzählt der 89-Jährige. Nach dem Umzug an die Heidelberger Straße in Böckingen musste Ersatz her. „So entstand die Verbindung zu den Gartenfreunden.“
Diese Verbindung hielt über Jahrzehnte, allein 18 Jahre lang war Buick Vorsitzender der Gartenfreunde. „Ich war 13 Jahre alt, als der Krieg zu Ende war. Wir hatten viel mitgemacht, auch in den Jahren danach, und waren froh, so eine Gemeinschaft mit aufzubauen“, erzählt er. „Wir haben uns schon damals für Umwelt- und Naturschutz eingesetzt. Heute ist das selbstverständlich, für uns war es damals Pionierarbeit.“ Als die Gartenfreunde Anfang der 1980er Jahre von der Viehweide an den Haselter umziehen, weil die Neckartalstraße gebaut werden soll, zieht Buick mit um. „Aus unserem alten Vereinsheim ist das Lokal Gartenlaube geworden.“
Wie der aktuelle Vorsitzende Ralf Hennrich auch wünscht sich Horst Buick, dass die erste Erweiterung vor einigen Jahren nicht die letzte war. „Man kann sehen, dass die Menschen sich nach einem eigenen Gartengrundstück sehnen. Hier hätten sie die Gelegenheit dazu.“