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Auf der Suche nach dem Schmuck-Stückle

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Wer ein Garten- oder Baumgrundstück sucht, tut sich mitunter schwer - die Nachfrage ist groß. Wer eins hat, für den kann es der perfekte Naherholungsort sein. Experten raten, Augen und Ohren offenzuhalten.

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Ein Stückle ist ein Stück Natur, ein Obst- und Gemüselieferant und ein Fleckchen Individualität. Wer sich für ein Stückle interessiert, steht vor der Frage, wie denn das Gartengrundstück sein soll. Mit oder ohne Obstbäume? Blühende Wiese oder englischer Rasen? Gartenhütte oder eine Feuerstelle oder vielleicht beides? Und wie kommen Interessent und Stückle zusammen?

Die Corona-Pandemie scheint der Attraktivität für Urlaub vor der Haustüre verstärkt zu haben. Zumindest ist Werner Großhans (55) vergangenes Jahr vermehrt angefragt worden. „Wir haben leider keinen Pool, in dem wir etwas anbieten können“, sagt der Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Eppingen. Selbst für Vereinsmitglieder sei es mitunter schwierig, an Grundstücke zu kommen. Großhans rät, Amtsblätter zu durchforsten, Augen und Ohren offenzuhalten oder den Kontakt zu Einheimischen aufzubauen. „Vieles passiert durch Mund-zu-Mund-Propaganda.“ Das Interesse an Baumgrundstücken sei gestiegen, die Menschen suchten etwas, um rauszugehen.

Eine Zauneidechse hat sich in ein Gewächshaus verirrt.
Eine Zauneidechse hat sich in ein Gewächshaus verirrt.  Foto: Gottfried May-Stürmer

Dieses Ungleichgewicht aus Interessenten und Anbietern registriert auch die Streuobstbörse des Landkreises Heilbronn. Deren Internetseite ist ein Marktplatz für all jene, die etwas anzubieten haben, und jenen, die etwas suchen. „Ich würde sagen, dass mehr gesucht wird“, sagt Helen Pribil (26), stellvertretende Geschäftsführerin vom Landschaftserhaltungsverband.

Menschen entdecken Rückzugsbereiche

Ein Trend, den auch der Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg in Stuttgart feststellt. Das Interesse an einem Stückle sei vor Corona bereits angewachsen, erklärt Geschäftsführer Rolf Heinzelmann. „Corona war wie ein Brennglas.“ Menschen entdecken Rückzugsbereiche vor der eigenen Haustüre. Es habe sich eine positive Tendenz entwickelt. „Ich bin der Meinung, dass mehr Menschen ein Stückle suchen.“ Der 61-Jährige rät, bei Interesse Kontakt zu Obst- und Gartenbauvereinen aufzunehmen. Eine andere Möglichkeit sei es, bei der Gemeinde nachzufragen.

Wolfgang Görke (81) aus Obersulm rät Interessenten, mit offenen Augen durch die Gemeinde zu gehen. Der Vorsitzende des Vereins der Gartenfreunde Obersulm empfiehlt, bei Interesse eine Annonce in der Zeitung aufzugeben oder sich bei Menschen im Ort umzuhören.

Wer nicht gleich ein Garten- oder Obstbaumgrundstück kaufen möchte, könne Flächen pachten. „Die Pacht geht von bis“, sagt Heinzelmann. Mitentscheidend sei der Zustand des Grundstücks. Er stellt aber klar: „Streuobstwiesen sind nicht mehr für ’n Appel und ’n Ei zu haben.“ Vor der Entscheidung sollten sich Interessenten Gedanken machen, was genau sie möchten. „Und was kann ich mir leisten, auch zeitlich?“ Aufgaben wie wässern oder gießen, Bäume oder Sträucher schneiden oder das Gras mähen stünden an. „Wer sich für eine Blumenwiese entscheidet, muss zwei bis drei Mal pro Jahr mähen.“ Bei Zierrasen sei die Frequenz deutlich höher. Ein Garten- oder Obstbaumgrundstück ist ein Hobby.

Eine Biene saugt den Nektar einer Blauen Akelei auf.
Eine Biene saugt den Nektar einer Blauen Akelei auf.  Foto: Gottfried May-Stürmer

Alles scheint aufeinander abgestimmt

Gottfried May-Stürmer gehört zu den Stückle-Besitzern, bei denen Kommissar Zufall ein wenig nachgeholfen hat. Bei einem Spaziergang mit dem Hund sei seine Frau auf ein zu verpachtendes Stückle aufmerksam geworden – just am selben Tag, an dem der Verpächter das Grundstück angeboten hatte. Das Ehepaar und der Verpächter sind sich schnell einig geworden. Alte Obstbäume, Sträucher und Gemüse wachsen auf dem neun Ar großen Grundstück in der Nähe vom Stahlbühl in Heilbronn. Das Grundstück ist ein Eldorado für Pflanzen und Tiere. Der 64-Jährige achtet auf Vielfalt. Alles scheint aufeinander abgestimmt zu sein.

In einer Stammhöhle eines Birnbaums brütet ein Star. „Da war vorher ein Grünspecht drin. Wenn er rausgeht, geht der Star rein.“ Im kleinen Gewächshaus haben Feldwespen ein kleines Nest gebaut. „Die verhalten sich friedlich.“ So mancher Gartenbesitzer würde vielleicht mit dem Besen anrücken und die kleinen Nester zerstören. Dabei sind Feldwespen, die man an den langen Beinen erkennen kann, Freunde des Obstgärtners. Sie fressen Blattläuse und deren Eier.

Überall auf dem Stückle warten Geheimnisse, in die einen der Regionalgeschäftsführer des Bundes für Umwelt- und Naturschutz einweiht. Neben der Hütte greift May-Stürmer zum Spaten und gräbt die Knolle der Topinambur aus. „Das war früher die Kartoffel der armen Leute.“ Scharf in Fett angebraten, sei sie durchaus schmackhaft.

Eine Hummel sitzt auf der Blüte einer Lupine.
Eine Hummel sitzt auf der Blüte einer Lupine.  Foto: Gottfried May-Stürmer

Zisterne eingebaut

Um die vielen Pflanzen zu bewässern, hat May-Stürmer eine Zisterne in den Boden eingegraben. Sie fasst 2,5 Kubikmeter Regenwasser. Das fließt von den Dächern der Pergola und des Gartenhäuschens erst in ein Regenfass und von dort über Schläuche in die Zisterne. 

Zwei bis drei Mal die Woche schaut May-Stürmer auf dem Grundstück nach dem Rechten. Zwischen einer halben Stunde und drei Stunden verbringt er dann dort – abhängig von der Jahreszeit und den zu erledigenden Aufgaben. „Am Wochenende nutzen wir das Stückle auch für die Erholung.“

May-Stürmer gibt zu, dass er als Biologe privilegiert sei, was die Bepflanzung, die Abhängigkeiten und Zusammenhänge von Pflanzen und Tieren anbelangt. Er rät, auch mal auszuprobieren und zu beobachten. „Man stellt der Natur eine Frage und sie gibt die Antwort.“

 

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