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Keine Schonfrist für die Ampel

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Die erste Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP steht vor gewaltigen Herausforderungen. Wichtige Themen wie Klimaschutz und Digitalisierung könnten angesichts der aktuellen Baustellen zu kurz kommen.

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Haben schon kurz nach Amtsantritt viele Baustellen zu bearbeiten: Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte), Wirtschaftsminister Robert Habeck (links) und Finanzminister Christian Lindner (rechts). 
Foto: dpa
Haben schon kurz nach Amtsantritt viele Baustellen zu bearbeiten: Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte), Wirtschaftsminister Robert Habeck (links) und Finanzminister Christian Lindner (rechts). Foto: dpa  Foto: Omer Messinger

Das Jahr 2021 darf innenpolitisch als historisch bezeichnet werden. Erstmals scheidet mit Angela Merkel eine Bundeskanzlerin freiwillig aus dem Amt aus - nach exakt 5860 Tagen als deutsche Regierungschefin. Und zugleich bekommt Deutschland am 7. Dezember erstmals eine Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP unter Führung des Sozialdemokraten Olaf Scholz.

Scholz´ Aufholjagd ins Kanzleramt

Dass der Hamburger Bundeskanzler wird, ist eine mittlere Sensation. Als die SPD Scholz im August 2020 zum Kanzlerkandidaten kürt, liegt die Partei in Umfragen bei 16 Prozent und damit rund 20 Prozentpunkte hinter der Union, selbst die Grünen liegen damals in der Wählergunst vor den Sozialdemokraten. Doch Scholz macht im Wahlkampf keine Fehler, selbst seine nebulöse Rolle in den Skandalen um Wirecard und Cum-ex schaden ihm nicht. Vielmehr zeigt er öffentlich die Merkel-Raute und sendet damit ein klares Signal an das verunsicherte Wahlvolk: Mit mir wird es keine großen Veränderungen geben.

Die Pannen der Konkurrenten helfen dem Sozialdemokraten

Das reicht am Ende für wenig glamouröse 25,7 Prozent bei der Bundestagswahl am 26. September und damit für den Auftrag zur Regierungsbildung. Scholz profitiert dabei ganz erheblich von den Fehlern seiner Kontrahenten. Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock verscherzt es sich bei den Wählern durch einen aufgehübschten Lebenslauf und ein zum Teil abgeschriebenes Buch. Und von Unions-Kandidat Armin Laschet bleibt vor allem sein deplatziertes Lachen im Flutgebiet hängen. Auch die permanenten Störfeuer von CSU-Chef Markus Söder, den Laschet im Kampf um die Spitzenkandidatur ausgestochen hat, tragen zur historischen Niederlage der Union bei, die am 26. September bei gerade mal 24,1 Prozent landet und sich zähneknirschend in die Opposition verabschiedet.

Die neue Ampel-Koalition einigt sich überraschend schnell und geräuschlos auf einen Koalitionsvertrag, den die drei Partner unter den programmatischen Titel "Mehr Fortschritt wagen - Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit" stellen. Die Herausforderungen für die Regierung sind gewaltig, das zeigt sich schon rasch nach der Vereidigung des Kabinetts.

Die fünfte Corona-Welle steht vor der Tür

Im Land tobt die vierte Corona-Welle, die fünfte steht in Form der Variante Omikron schon vor der Tür. Die Diskussionen drehen sich um verschärfte Maßnahmen, einen flächendeckenden Lockdown wollen die Koalitionäre vermeiden. Die Hoffnung ruht auf der Impfkampagne, insbesondere auf den Booster-Impfungen. Ob das im Kampf gegen die Pandemie reichen wird ist ebenso unklar wie die ausreichende Versorgung mit Impfstoff. Corona sorgt auch dafür, dass das Megathema Klimawandel etwas in den Hintergrund gerät. Dabei ist der klimafreundliche und digitale Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft eines der zentralen Anliegen der Ampel. Die Koalition hat viele konkrete Vorhaben angekündigt, deren Finanzierung allerdings nicht immer geklärt ist.

Deutschland muss außenpolitisch Flagge zeigen

Außenpolitisch wird sich zeigen, wie die von Außenministerin Baerbock ausgerufene "werteorientierte Außenpolitik" der Realpolitik standhält. Im Konflikt mit Russland um die Ukraine oder im Verhältnis mit der immer aggressiver auftretenden Weltmacht China muss Deutschland gemeinsam mit Frankreich treibende Kraft einer klaren europäischen Position sein, die auch Konsequenzen nicht scheut. Sonst besteht die Gefahr, dass Europa zum Spielball der beiden Großmächte USA und China wird.

Es gibt also jede Menge zu tun für die neue Bundesregierung. Die berühmten 100 Tage Schonzeit sind der Ampel angesichts der drängenden Probleme im In- und im Ausland nicht vergönnt.

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