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Schulverweigerung ist ein großes Problem, besonders während Corona

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Die Stadt Heilbronn versucht dem Thema mit einem breiten Netzwerk beizukommen.

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Monatelanges Homeschooling geht an vielen Kinden nicht spurlos vorüber. Die Jugendämter befürchten deutlich mehr Schulabbrüche. Foto: leszekglasner/stock.adobe.com
Monatelanges Homeschooling geht an vielen Kinden nicht spurlos vorüber. Die Jugendämter befürchten deutlich mehr Schulabbrüche. Foto: leszekglasner/stock.adobe.com  Foto: leszekglasner_stockadobecom.jpeg

Die Jugendämter hatten jüngst bundesweit Alarm geschlagen. Sie befürchteten deutlich mehr Schulabbrüche und mehr Gewalt. Viele Kinder seien nach Monaten des Homeschoolings vom Radar verschwunden. Der Knick erreiche auch Kinder der Mittelschicht.

Oft steckt Mobbing dahinter

Dass das Thema gravierend ist, weiß Katharina Feil, Koordinatorin der Jugendberufsagentur in Heilbronn. "Leider herrscht in der Gesellschaft die Vorstellung vor, dass es sich um faule, unangepasste Kinder handelt." Deshalb sei das Netzwerk Schulabsentismus (Schulverweigerung), bei dem die Stadt unter anderem mit Kinder- und Jugendärzten, dem Schulamt und den SLK-Kliniken zusammenarbeite, umso wichtiger. Denn tatsächlich stecke oft Mobbing dahinter, wenn ein Kind die Schule verweigere.

Wegen Corona drohen Kinder aus dem Mittelfeld abzurutschen

Manche hätten die Verantwortung für schwer kranke Familienangehörige, die sie kaum allein lassen könnten. "Das muss man sehr differenziert betrachten." Das Zusatzproblem: "Im Moment drohen auch Kinder aus dem Mittelfeld wegzurutschen." Im Netzwerk soll nun eine koordinierte Vorgehensweise erarbeitet werden, definiert werden, wo Schulverweigerung anfängt, und welche Auffangmöglichkeiten bestehen.

Beim Staatlichen Schulamt gibt es eine extra Beratungsstelle für das Thema

Markus Wenz, Leiter des Staatlichen Schulamts Heilbronn, hat eigens für dieses Thema eine Beratungsstelle. Sein Fazit der vergangenen Wochen: "Wir haben keine erhöhte Zahl der Fälle von Schulabsentismus (Schulverweigerung)." Allerdings könne das auch an der Fernlernphase liegen. Bei Wiederaufnahme des Präsenzbetriebs werde sich möglicherweise zeigen, dass die Rückkehr bei manchen Schülern schwierig werde. Rund ein Dutzend Anfragen bekommt die Arbeitsstelle im Monat, bei der Hälfte geht es um Schulabbruch.

Als Schulabbrecher gelten Jugendliche, die keinen Hauptschulabschluss machen

Dabei ist schon die Definition schwierig. Als Schulabbrecher gelten in der Statistik des Kultusministeriums Baden-Württemberg nur Jugendliche, die den Hauptschulabschluss nicht absolvieren. Ob der Abiturient vor den Prüfungen hinschmeißt oder der Realschüler auf der Zielgeraden, darüber gibt es keine Erhebung.

"Das ist schwer zu erkennen. Die Schulen müssten genau melden, wer abgebrochen hat, und dann verharrt jemand ja nicht unbedingt in diesem Status", so ein Sprecher. 6300 junge Menschen verließen 2020 in Baden-Württemberg die Schule ohne Hauptschulabschluss, inklusive 3500 Kindern, die ein SBBZ (Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum) besuchen und nicht zwangsläufig einen Bildungsabschluss als Ziel haben.

Erhöhte Nachfrage gibt es beim Schlossgymnasium Künzelsau

Struktur, Organisation, und ein Gefühl von Nähe. Das ist nach Beobachtung von Johannes Smolka, Schulleiter des Schlossgymnasiums in Künzelsau, etwas, das derzeit viele vermissen. Die Schule erlebt in der Pandemie eine verstärkte Nachfrage. Seine Erklärung: "Gerade Jugendliche in der Pubertät leiden unter Motivationsschwierigkeiten und sitzen seit einem halben Jahr daheim." Dazu komme der unterschiedliche Umgang der Schulen mit dem Fernlernen. Manche Schüler hätten seit Monaten keinen Unterricht in den Nebenfächern. Bei seinen 350 Schülern, 50 davon Interne, sei Schulabbruch eher kein Thema. "Der Geist, der bei uns herrscht, ist, dass man es schaffen will."

Der Lern-Coach hält nichts von Ermahnungen

Wie man es schaffen kann, das ist das Spezialgebiet des Realschullehrers und Lern-Coachs Lutz Jaenicke, der sich selbst als früheren Schulversager bezeichnet. Ihn hat diese Erfahrung angefeuert, es besser zu machen. Jetzt trainiert der AIM-Dozent Lehrer in der Region, hält Vorträge vor Eltern und arbeitet mit Jugendlichen. Von Ermahnungen hält er nichts. "Man muss dem Kind auf Augenhöhe begegnen, kommunizieren, sich interessieren."

Eltern sollten auf die Wortwahl achten, von Themen statt von Problemen sprechen. "Ich muss den Zugang zum Kind finden." Gleichzeitig weiß er um den Drahtseilakt, gerade in der Pandemie. "Selbst privilegierte Familien haben plötzlich Kinder, die nicht nur in der Schule, sondern in ihrem Leben keinen Sinn mehr sehen."

 

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