Was tun gegen Frust an Corona-Weihnachten
Es ist ein Fest zwischen Infektionsangst, Existenznöten und Zukunftssorgen. Wie kann Weihnachten in Pandemie-Zeiten dennoch schön werden? Wir haben Tipps von der Dekanin und einer Familientherapeutin.

O du coronige, o du (un-)selige gnadenbringende Weihnachtszeit! 2020 ist klar: "Alle Jahre wieder" ist das Christfest dieses Mal nicht. Denn um den Tannenbaum sitzen nun zwar immerhin maximal zehn Erwachsene samt Nachwuchs - aber auch Infektionsangst, Existenznöte und Zukunftssorgen. Was also kann man tun gegen eine trübe Weihnachtszeit?
"Die Einsamkeit zu Weihnachten wird größer sein in diesem Jahr und manche Menschen hart treffen", weiß Sabine Waldmann, Dekanin des evangelischen Kirchenbezirks Öhringen. Doch bei weitem nicht nur für Covid-19-Erkrankte und Menschen in Quarantäne sowie für alte Menschen in weitgehend abgeschirmten Pflegeheimen findet Weihnachten 2020 irgendwo zwischen Wunsch nach Nähe und Abstandsregeln statt.
Die Krise dennoch auch als Chance zu sehen - daran glaubt Waldmann: "Einige Menschen haben mir gesagt, dass sie es auch genießen, dieses Jahr nicht von einer Weihnachtsfeier zur nächsten hetzen zu müssen. Ich glaube, dass viele Menschen in dieser Ruhe das Fest noch bewusster feiern werden."
Fokus auf das Wesentliche

In Demut zu erkennen, dass das vermeintlich Selbstverständliche eben nicht selbstverständlich ist: Das werden sich wohl so einige Menschen diesmal bewusstmachen. "Ich denke, der vielzitierte Familienstreit an Weihnachten tritt eher in anderen Jahren auf", sagt Waldmann, die auch ausgebildete Familientherapeutin ist.
Wird wohl rigide Vorsicht an der Festtafel regieren - oder die Leute die gelockerten Kontaktbeschränkungen voll ausreizen? "Ich denke und hoffe, dass die allermeisten verantwortlich handeln." Und wie feiert die Dekanin denn selbst? "Ich freue mich, dass es nun mit meinen erwachsenen Kindern möglich ist - aber mit ausreichend Abstand."
Waldmanns Tipp für ein harmonisches Weihnachtsfest? "Man sollte unbedingt vermeiden, Puderzucker über das Leben und die Beziehungen streuen zu wollen."
Therapeutin rät zu Akzeptanz und guten Alternativen

"Viele Rituale fallen zwar diesmal weg, aber Weihnachtsstimmung kann man ja trotzdem schaffen", sagt die Öhringer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Isabell Ondracek. Bei allen berechtigten Sorgen sei es wichtig, einen weitgehend geschützten Raum für Kinder zu schaffen. Denn: "Ich erlebe jedes Jahr, dass die Dynamiken, die in Familien ohnehin in der Luft liegen, zu Weihnachten dann geballt aufeinandertreffen", berichtet die 43-Jährige. "Kinder sind Seismographen für die Gefühle der Eltern."
Was sie gegen den drohenden Weihnachtskoller rät? "Akzeptieren, dass die Umstände nun andere sind - und den Kindern vermitteln, dass dennoch ein schönes Weihnachten möglich ist." Und: Alternativen anbieten, etwa eine Fackelwanderung statt des abendlichen Kirchgangs.
Die mentale Handreichung der Therapeutin für all jene, die an Heiligabend alleine bleiben - ob aus Furcht vor Ansteckung oder Einsamkeit: "Man sollte eigene Ressourcen aktivieren und sich rechtzeitig fragen: Was kann ich für mich tun, um mir diese Tage möglichst schön zu gestalten und nicht in ein Loch zu fallen?"
"Irgendwo sitzt die Angst immer im Nacken"
Sich die nahenden Feiertage trotz Pandemie möglichst annehmlich zu gestalten: Das ist beispielsweise auch das Credo von Gerda Dieterich aus Künzelsau. Sie hat jedenfalls definitiv kein Problem mit der Zehn-Erwachsenen-Regel zum Fest. Denn: "Wir sind ohnehin nur fünf Personen in der Familie", berichtet die 66-Jährige. An Heiligabend lade sie Tochter und Schwiegersohn ein. Am ersten Feiertag stoßen dann Bruder samt Frau dazu. "Und dann feiern wir ganz gemütlich im kleinen Kreis."
Ob es denn wohl ein unbeschwertes Fest in ihrem Künzelsauer Wohnzimmer werden wird? Dieterich jedenfalls schenkt sich selbst etwas Gelassenheit: "Irgendwo sitzt die Angst vor Ansteckung ja immer ein wenig im Nacken, aber nicht so sehr, dass wir unser Zusammentreffen nicht genießen können."